Der Fußballsport kann von der amerikanischen Football-Liga lernen: Der knöpft sich seine Skandalprofis vor – in großer Solidarität.

Stuttgart - Als Oscar Heiler und Willy Reichert noch den schwäbischen Sketch in Vollkommenheit auf die Spitze trieben, hat der Häberle zum Pfleiderer einmal auf gespielt Hochdeutsch ungefähr gesagt: "Ich kenne mich aus, ich bin weit gereist." Er war Käsevertreter. Aber schon der zweitbeste Traumberuf ist Sportjournalist. Auch da kommt man rum, und wie das Reisen bildet, haben wir zuletzt beim Superbowlfinale im American Football erleben dürfen. Jedenfalls bringen wir aus Dallas ein Geschenk mit nach Hause – in Form einer Idee, die auch dem Fußball, falls er will, schlagartig aus der Patsche hilft.

Das grässlichste Problem der Bundesliga sind im Moment die Skandalprofis, die sich aufführen wie bei Hempels unterm Sofa. Mit einem ungenierten Ätsch demonstrieren sie ungestraft ihre Allmacht und ziehen den Clubs eine derart lange Nase, dass sich im Namen aller Geschändeten neulich der deutsche Arbeitgeberpräsident zu Wort gemeldet und als VfB-Aufsichtsratschef angesichts der Vertragsbrecher und sonstigen unverfrorenen Millionäre in kurzen Hosen gefleht hat: "Es muss etwas getan werden" – wobei Dieter Hundt leise nach innen weinte, weil die Grundlage etwas dünn ist: die Solidarität.

Jedem Club ist das eigene Trikot das nächste. Wenn der abwanderungslustige Torjäger Farfan seine Schalker öffentlich vorführt, nimmt ihn sich keiner zur Brust, im Gegenteil: hätte nicht Wolfsburg das Früchtchen am liebsten sofort mit Kusshand übernommen? Der Bremer Manager Allofs, vernünftig wie er ist, hat kürzlich fast einen Vogel gekriegt. Teufel noch mal, schimpfte er, warum tun wir uns in der Bundesliga nicht zusammen und schlagen diesen notorischen Vertragsaussteigern einfach die Tür vor der Nase zu? Danke Klaus, klasse Ansatz, haben viele Kollegen gerufen, sich intern aber gefragt, ob dieser Traumtänzer von der Weser etwas genommen hatte.Solidarität ausgeschlossen.

Ein Kodex für die ganze Liga


Solidarität ausgeschlossen? Halt. Offenbar muss der Ball nicht rund, sondern oval sein, jedenfalls haben die Amerikaner das Gelbe vom Ei entdeckt. Sie ziehen an einem Strang. Die Deutsche Fußball-Liga, kurz: DFL, wird vor Neid platzen, denn die National Football-League, kurz: NFL, hat in ihrem Regelwerk einen Verhaltenskodex verankert, der alle saftig bestraft, die dem Ruf der Liga schaden –in Form ihres "off field behaviours", dem Benehmen abseits des Spielfelds.

Ben Roethlisberger, der Quarterback der Pittsburgh Steelers, ist berühmt für seine Würfe und berüchtigt für seine Sexeskapaden, und weil Letzteres die Liga auf Dauer nicht weiterbringt, war er für ein Viertel der Saison gesperrt. Der Vorwurf zweier Vergewaltigungen fiel zwar mangels Beweisen flach, aber der NFL hat es auch so gereicht – und alle Betroffenen sagten ja zu der Sperre, auch der Rufschädiger Roethlisberger.

Die ganze Liga hat den Kodex akzeptiert, und der nächste, der fällig sein dürfte, ist Everson Griffen von den Minnesota Vikings. Vor ein paar Tagen schlug er sich an einer kalifornischen Straßenampel im Clinch mit der Polizei gefängnisreif.

Bundesliga hält sich aus Verfehlungen außerhalb des Platzes raus


Spontan fällt uns an der Stelle Stefan Effenberg ein, der einmal in einer ähnlichen Hitze des Gefechts zu einem deutschen Polizisten "schönen Abend noch" sagte, aber der Richter tippte dann sicherheitshalber doch eher auf "schönes Arschloch" und verurteilte den Unflätigen empfindlich. Die Bundesliga hält sich in solchen Fällen raus.

Man stelle sich vor, einer wie Ekel-Effe würde für so was zusätzlich noch sportlich gesperrt, was für ein Gezerfe. Sofort stünde der Club mit einem Staranwalt auf der Matte. Oder denken wir gar an Franck Ribéry. Der Bayern-Star hat wegen seines "off field behaviours" mit einer minderjährigen Marokkanerin bekanntlich die Pariser Sitte am Hals, was ihm der Fußball durchaus als ligaschädlichen Umtrieb auslegen könnte – aber glühenden Kopfes würde der Bayern-Präsident Hoeneß "Finger weg von Franck!" rufen und die Gründung einer Gegenliga androhen.

Als Amerikaner im Football wäre Hoeneß still und würde so solidarisch reagieren wie Robert Kraft, der Besitzer der New England Patriots: "Das ist eine klare Botschaft", hat der den Verhaltenskodex einst begeistert begrüßt – und konsequenterweise auch noch genickt, als sein Cheftrainer Bill Belichick zu 500.000 Dollar Strafe verdonnert wurde, weil er die Signale für die defensiven Spielzüge der New York Jets heimlich auf Video aufnehmen ließ.