Im Schlussspurt der Fußball-Bundesliga mehren sich im Kreise der Abstiegskandidaten die Sprechblasen und Durchhalteparolen. Auch Düsseldorfs Trainer Norbert Meier ist ein Freund der geschliffenen Floskel.

Stuttgart - Diesen Samstag geht die Bundesligasaison zu Ende, und der eine oder andere Club hat kurz vor Torschluss noch die Qual der Wahl zwischen dem, was der Spieler Oliver Fink von Fortuna Düsseldorf so formuliert hat: „Sieg oder Sarg.“

 

Was kann man als Trainer jetzt noch tun?

Gar nichts. Getan ist alles. Den sinnlosen Taten müssen jetzt dringend knackige Worte folgen, und Norbert Meier zeigt, wie es geht. Der Düsseldorfer Trainer sagt zum Beispiel: „Ich brauche jetzt Kerle, die die Kiste aus dem Dreck ziehen.“ Neben Fink hat prompt auch sein Spieler Axel Bellinghausen fasziniert mit dem Finger geschnalzt und gesagt: „Jetzt heißt es Arschbacken zusammenkneifen.“

Da ist die vollmundige Handschrift des Trainers nicht zu übersehen. Seit Tagen nimmt Meier kein Blatt vor den Mund, und in den Top Ten der knallhart gedroschenen Phrasen ist er aktuell sogar doppelt vertreten, nämlich auch noch mit einem zündenden „Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken“ – wobei es sich bei Letzterem womöglich um einen Verstoß gegen das Urheberrecht handelt, kurz: um ein Plagiat. Fast zeitgleich hat der bekannte Fortuna-Fan Campino, Frontsänger der Toten Hosen, gepoltert: „Keiner darf jetzt den Kopf in den Sand stecken.“

In Düsseldorf hilft keine tote Hose

Jedenfalls hilft der Düsseldorfer Fortuna nächsten Samstag weder tote Hose noch volle Hose, da sind die beiden sich einig – und für Meier überhaupt nicht infrage käme das lendenlahme Verhalten des Kollegen Bert Papon, der als Trainer im schottischen Dumfernline vor der Presse einst jammerte: „Haben Sie noch Fragen, bevor ich gehe und mich erschieße?“

Was in den nächsten Tagen gefragt ist, sind keine Patronenhülsen, sondern Worthülsen – ab sofort helfen nur noch Sprechblasen, die derart aufgepumpt sind mit heißer Luft, dass man damit normalerweise einen Winter lang die Mannschaftskabine heizen könnte. Vor allem in Hoffenheim muss der Trainer dabei ans Limit gehen, denn für den Klassenerhalt müssten seine Pflegefälle in Dortmund gewinnen und die Augsburger und Düsseldorfer gleichzeitig verlieren – das kommende Pfingstwochenende müsste also mit Weihnachten und Ostern zusammenfallen. Doch Trainer Markus Gisdol sagt: „Im Fußball ist alles möglich.“

Lachen Sie jetzt nicht. Wüssten Sie etwas Besseres? Im Übrigen wird über das Absondern von Sprechblasen viel zu oft gelacht. Die Durchhalteparole, schulmäßig angewandt, ist durchaus ein Mittel, und sie hat in Hoffenheim Tradition. „Wir müssen jetzt Vollgas geben“, verlangte Gisdols kurzzeitiger Vorgänger Marco Kurz, ein zackiges „Arsch zusammenkneifen und wieder aufstehen“ empfahl Holger Stanislawski – und vom Ex-Trainer Ralf Rangnick wird behauptet, er habe in der Kabine auch einmal ein „Glaubt an euch!“ auf den Boden gesprüht. Ein Trainer darf mit dem Rücken zur Wand also getrost einmal drei Euro fürs Phrasenschwein riskieren. In Schalke hat Jens Keller in den Wochen seiner Krise so oft „Wir müssen da durch“ gesagt, dass das inzwischen jeder verinnerlicht hat – jedenfalls macht Jermaine Jones seinem Spitznamen „Kampfschwein“ alle Ehre und sagt vor dem nahenden Finale ums Ticket in die Champions-League-Qualifikation in Freiburg: „Jetzt brauchst du Eier.“

Die Durchhalteparole hat Hochkonjunktur

In der Hitparade der Verzweiflungstaten steht die Durchhalteparole ganz oben – dicht gefolgt von den anderen reizvollen Ritualen, die einem Trainer einfallen, wenn ihm sonst nichts mehr einfällt: die Wut- und Brandrede, das Verbuddeln einer Münze im Strafraum, das Handauflegen, das Beten, das Krisen- und Kamingespräch bei Kaffee, Keksen und Kerzenlicht, das gemeinsame Spanferkelessen, die Hasenpfote im Slip – oder der blaue Pullover.

Wir sehen Udo Lattek in diesem Moment lebhaft vor uns, wie er den Kopf schüttelt und sich fragt: „Warum gibt es immer noch Trainer, die sich auf ihre Taktik und ihre Spieler verlassen – statt in der Not einfach den Dingen zu vertrauen, die sich bewährt und Hand und Fuß haben? Warum zieht sich keiner meinen alten blauen Pullover an?“ Lattek hat darin früher wahre Wunder vollbracht – so ein blauer Glückspulli, weiß man seither, kann Bäume versetzen, Bälle vom Pfosten abprallen lassen und eine versaute Saison noch aus dem Feuer reißen.

Außergewöhnliche Situationen verlangen ungewöhnliche Maßnahmen – aber das A und O aller Strohhalme, die ein Trainer seinen kriselnden Profis zum Festhalten bieten muss, ist die Durchhalteparole. Und mit das Beste, was diesbezüglich je aus den tiefen Schubladen der moralischen Aufrüstung gezaubert wurde, verdanken wir Peter Neururer, der seit Wochen den VfL Bochum vor dem Abstieg aus der zweiten Liga rettet – unerreicht bleibt seine einst vollmundig durch die Kabine geschmetterte Sprechblase: „Ihr müsst so heiß sein, dass ihr mit euren Händen Hosen bügeln könnt!“

Wer das nicht hinkriegt, steigt ab.