Die Rassisten sind im Fussball mal wieder der Brüller – aber was würde Hamadryas L. zu diesem Affentheater sagen?
Stuttgart - Mittels einer mitreißenden Serie hat eine große deutsche Zeitung im Winterloch des Fußballs endlich die Frage nach den ursprünglichen Traumberufen der Bundesligastars geklärt: Demnach wollte Marco Reus als Dreikäsehoch unbedingt Pilot werden, Julian Draxler sogar Astronaut, Stefan Kießling immerhin Koch, und Steven Cherundolo dachte an ein Medizinstudium – „als Kind“, erinnert sich Hannovers Amerikaner, „habe ich Schweine-Embryos seziert.“
Nur Rassist wollte keiner werden, weder hauptberuflich noch hobbymäßig.
Das ist deshalb erstaunlich, weil die Rassisten im Fußball dieser Tage wieder der große Brüller sind, in den italienischen Stadien, auf allen Kanälen und jetzt auch noch in den Buchhandlungen: Der AC Mailand hat aufgrund anhaltender Urwald- und Affengeräusche („Uuuuhhhh“) in Richtung seines Spielers Kevin-Prince Boateng geschlossen den Platz verlassen – und wenn wir die soeben erschienene Biografie von Gerald Asamoah richtig deuten, könnte sich unser deutscher Ex-Nationalstürmer ghanaischer Herkunft offenbar gut verstellen, dass auch Roman Weidenfeller, wenn der nicht Torwart von Borussia Dortmund geworden wäre, da oben von den billigen Plätzen jetzt „Uuuuhhhh“ schreien würde.
Vor ein paar Jahren, sagt Asamoah, habe ihn Weidenfeller im Spiel zwischen Dortmund und Schalke als „schwarzes Schwein“ beschimpft. „Stimmt nicht, ,schwules Schwein‘ habe ich gerufen“, widersprach Weidenfeller vor dem Sportgericht. Das war preiswerter, so gab es nur drei Spiele Sperre und eine Geldstrafe von 10 000 Euro – eine rassistische Beleidigung wäre teurer gewesen. Jedenfalls geben die Rassisten zurzeit wieder lärmend den Ton an – täglich kommen sie dermaßen prominent im Fernsehen und in der Zeitung, dass jeder Wohlerzogene und Anständige unter uns zivilisierten Normalbürgern, der Andersfarbige und Andersdenkende ohne großes Aufsehen vorbildlich respektiert, geradezu neidisch werden könnte.
Rassisten genießen die Leichtigkeit des Lebens
Warum wird einer Rassist? Erstens mal gibt es nichts Leichteres, denn er muss nicht viel mitbringen – außer sich selbst. Er muss weder rasiert noch sauber gescheitelt erscheinen, eine abgeschlossene Schulbildung gilt im Zweifelsfall eher als störend – erfüllt werden müssen im Grunde nur drei Voraussetzungen: Ein Rassist muss zwischen Schwarz und Weiß unterscheiden, drei Sekunden lang dieses „Uuuuhhhh“ brüllen und eine Banane notfalls bis zur Eckfahne werfen können, falls dort Asamoah aufkreuzt oder Boateng. Ansonsten gilt für jeden Rassisten keinerlei Regel – und als Paragraf 1 immer noch eisern das gesprochene Wort des ZDF-Reporters Werner Schneider, der in den 60er Jahren auf dem Höhepunkt des schwarzen Humors beim Boxen sagte: „Den Neger erkennen Sie an der weißen Hose.“
Ein Rassist tut sich also alles in allem beneidenswert leicht. Er setzt sich nicht dem Zwang aus, gesellschaftsfähig zu sein, und wenn er beim Fußball seinen Affenzirkus veranstaltet, zerbricht er sich nicht unnötig den Kopf beispielsweise über den „Affenkäfig“ von Kurt Tucholsky. Dessen berühmte Satire stammt aus den 20ern, ist aber zeitlos, sie ist sogar moderner denn je, und sie beginnt so: „In Berlins Zoologischem Garten ist eine Affenhorde aus Abessinien eingesperrt, und vor ihr blamiert sich das Publikum täglich von neun bis sechs Uhr.“
Der Zeitkritiker Tucholsky schildert darin grausam, was diese Affen alles ertragen müssen. „Zi-zi-zi“ rufen die gaffenden Beschauer ihnen wie behämmert zu, oder sie klopfen mit dem Stock wie bekloppt gegen die Gitterstangen, werfen mit Nüssen und ergötzen sich derart an den flammend roten Gesäßschwielen der Paviane, dass der Dichter die Verächtlichkeit des Oberpavians schließlich in die Worte fasst: „Hamadryas L. sitzt still im Käfig und muss glauben, dass die Menschen eine kindische und etwas schwachsinnige Gesellschaft sind.“
Aber sitzt Hamadryas überhaupt im Käfig – ist es nicht eine Frage der Perspektive, wer da hinter Gittern hockt und sich zum Affen macht?
Den Rassisten im Fußball ist auch das egal. Sie genießen die Leichtigkeit ihres Seins. Sie lassen weder diesen pingeligen Tucholsky noch irgendwelche Selbstzweifel an sich ran, sondern sind glücklich und fidel da oben in ihrem Stadionkäfig, wo sie am Zaun klettern und rütteln und „Uuuuuhhhh“ brüllen dürfen, mit offenen Nasenlöchern – wie Hamadryas L.