Das Transferfenster ist zu – und die Spielervermittler sind Montagnacht mit dicken Geldkoffern in den Urlaub entschwunden, meint unser Kolumnist Oskar Beck.

Stuttgart - Mesut Özil, offenbar völlig baff, hat am Montag seinen Fans bei Real Madrid via Facebook mitgeteilt: „Vielen Dank für drei wunderbare Jahre – die Dinge haben sich anders entwickelt, als ich noch vor ein paar Tagen gedacht hätte.“ Fast die ewige Treue hatte er seinen Spaniern geschworen, und nun findet sich der deutsche Ballzauberer über Nacht beim FC Arsenal wieder. Aber auch bei vielen anderen Fußballern haben sich die Dinge so rasant entwickelt in den vergangenen Tagen, das Karussell der Transfers drehte sich mit einer Geschwindigkeit, dass es manchen fast aus Kurve geschleudert hat.

 

Wer dreht da als Karussellanschucker am Rad des großen Millionenspiels? Wer sitzt an der Kurbel der Transfers? Wer lässt die Spieler tanzen wie die Marionetten in der Augsburger Puppenkiste? Sicher ist auf jeden Fall eines: Wer davon profitiert. Am Montag, Punkt Mitternacht, als nach Tagen der hektischen Betriebsamkeit das europäische Transferfenster zuging, haben sich Hundertschaften von glücklichen Spielervermittlern in den wohlverdienten Urlaub verabschiedet, mit dicken Geldkoffern, lachenden Gesichtern und goldenen Nasen, die sie sich im Schweiße ihres Angesichts verdient haben.

Spielervermittler ist der boomende Berufszweig des Fußballs. So ein Agent kassiert beim Deal in der Regel bis zu fünfzehn Prozent der Ablösesumme. Wenn also, sagen wir einmal, der Torjäger Eugen Hupfenlocher für 50 Millionen Euro von Zazenhausen nach Zizenhausen wechselt, gehen geschwind 7,5 Millionen an seinen Berater. Dafür muss Oma lang stricken. Jeder Transfer ist also ein Lottogewinn für die Spieleragenten, und deshalb schießen sie mittlerweile aus dem Boden wie sonst was. Wie Millionen Fliegen, die um den Misthaufen schwirren, umzingeln Hunderte von Beratern mit wässrigen Mäulern den großen Kuchen des Fußballs, und man weiß manchmal gar nicht mehr, ob da die Fäden noch im Hintergrund gezogen werden oder schon im Untergrund. Übrigens nicht nur im Fußball, denn Kevin McHale, dem früheren Basketballstar der Boston Celtics und jetzigen NBA-Trainer, verdanken wir den fragwürdigen Satz: „Die Spielervermittler sind wie ein Virus. Wenn du denkst, du hättest sie gekillt, werden sie stärker und mutieren wie Kakerlaken.“

Das geht jetzt fast zu weit, und an der Stelle muss man deshalb dringend betonen: Es gibt auch seriöse. Sie kommen oft aus den redlichsten und ehrbarsten Berufen, waren also früher beispielsweise Ex-Profis, Gebrauchtwagenhändler, Spätlokalbesitzer oder gar Journalisten – aber diese Redlichen werden dummerweise häufig überschattet von windigen und lichtscheuen Gestalten in der Grauzone der Schmuddelecke, zuweilen fallen sogar Kraftausdrücke wie Blutsauger und Menschenhändler, oder sagen wir es mit dem Ludwigsburger Anwalt Christoph Schickhardt, der viele Bundesligaclubs vertritt und behauptet: „Ich bin schon Typen aus der untersten Schublade begegnet.“

Diverse Manager der Clubs sind nicht schleckig – sie würden auch mit dem Teufel verhandeln, um ihre Wunschspieler zu bekommen. Dafür brauchen sie die Spielervermittler. Viele von denen drängen ihren Star mit Nachdruck zum regelmäßigen Wechsel. Nur so werden sie reich – und nehmen dafür notfalls in Kauf, dass sie die eigene Branche in Verruf bringen oder gar ihren eigenen Spieler. Robert Lewandowski, der Dortmunder Torjäger, ist bei den meisten Fans als Abzocker und Legionär unten durch, seit er sich mit allen Mitteln zum FC Bayern wegmobben wollte. Aber steckten dahinter nicht eher seine Berater, haben ihn nicht Cezary Kucharski und Maik Barthel wie einen Bären am Nasenring durch den Zirkus an den Pranger geführt? Der BVB-Trainer Jürgen Klopp hat es höflich so gesagt: „Typen wie die hätten in meinem Kader sicherlich keinen Platz.“ Die Dortmunder haben Lewandowski zur Vertragserfüllung gezwungen und das profitliche Beraterduo an die Wand laufen lassen, was vielen Betrachtern sehr gut gefallen hat, darunter zweifellos auch René Jäggi, der früher Vorstandschef beim 1. FC Kaiserslautern war und sich in Richtung der Spielervermittler einmal den befreienden Fluch genehmigte: „Blinddärme! Niemand braucht sie.“

Von wegen. Wie sehr sie gebraucht werden, dafür hatte schon Holger Klemme ein Näschen. Er gilt als Erfinder des modernen Spielervermittlers. Damals, in den 80ern, legte der geschäftstüchtige Lebenskünstler richtig los, die Bundesliga hat er regelrecht aufgemischt, bis man fast nicht mehr wusste, was oben und unten, Gut und Böse oder in der Zeitung Polizeibericht und Sportteil ist – jedenfalls passte dazu irgendwie eine Meldung im größten deutschen Blatt: „Richtigstellung: Wir haben in der Ausgabe der BILD-Zeitung vom 28.06.1994 in einem Bericht über Herrn Holger Klemme u. a. behauptet, Herr Klemme sei verhaftet worden und in seinem Garten habe sich ein Bankräuber erhängt. Wir stellen hiermit richtig, dass diese beiden Behauptungen unzutreffend sind. Wir nehmen sie deshalb zurück.“

Sie ist schon eine eigene Welt, diese wilde Welt der Spielervermittler. Heute lebt Klemme übrigens wohlhabend in Südfrankreich, er hat auch bei Frank Ribérys Wechsel zum FC Bayern mitgeholfen und vermutlich nicht draufgezahlt.

Falls Sie aufs Trittbrett dieser rasenden und zukunftsträchtigen Boombranche noch schnell aufspringen wollen: Grundsätzlich kann jedermann Spielervermittler werden, mit oder ohne Knasterfahrung. Die Fußballverbände verlangen zwar eine Lizenz – aber die gibt es mittlerweile auf jedem osteuropäischen Flohmarkt ab 10 Euro.