Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia muss sich zurzeit harte Fragen gefallen lassen – auch in diesem frei erfundenen Interview. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und äußert sich auch zu seinem neuen VfB-Präsidenten Bernd Wahler.
Stuttgart - Die glaubhaftesten Interviews sind die erfundenen. Auch das folgende Telefonat mit VfB-Trainer Bruno Labbadia vor dem Spiel am Donnerstag in Rijeka hat nie stattgefunden, doch umso mannhafter nimmt er darin kein Blatt vor den Mund – und äußert sich zu seinem neuen Präsidenten Bernd Wahler und dem Vorwurf, er sei eine Spaßbremse.
Labbadia: Ich sitze in Rijeka in einem Wettcafé und überlege, ob ich zur Frage, welcher Bundesligatrainer als Erster gefeuert wird, ein paar Euro riskiere.
Labbadia (lacht): Sie scheinheiliger Schlingel! Nein, der kluge Trainer wettet auf sich selbst zuerst.
Labbadia: Haben Sie die „Bruno raus!“-Sprechchöre neulich nicht gehört? Die Cannstatter Kurve pfeift auf mich, dann ist die Kirche aus, Amen.
Labbadia: Es sieht so aus. Vor unserem Abflug gestern wollte ich aus Echterdingen sicherheitshalber noch unseren Präsidenten Wahler anrufen, aber nur Loni Braun war da, seine Sekretärin, und sie sagte: „Bruno, jetzt flieg einfach mal los, ich melde mich sofort, falls es Neues gibt.“ Aber ich habe jetzt nichts mehr von ihr gehört.
Labbadia: Ich gehöre nicht zu den Waschlappen, die dauernd jammern. Jeden Morgen schaue ich beim Rasieren in den Spiegel und sage: Bruno, du bist ein Glückspilz. Wenn ich nicht Torjäger und Trainer geworden wäre, würde ich jetzt in Schneppenhausen bei Darmstadt den Leuten Versicherungen verkaufen – und nicht in Rijeka zur besten Sendezeit gegen die Besten der Welt spielen. Könnten Sie Ihre Leser noch einmal darauf hinweisen: Kabel eins, 20.30 Uhr.
Labbadia: Richtig, und wissen Sie warum? Aus Wehmut. Wir hatten beim VfB doch mal richtig tolle Zeiten zusammen. Dankbar und demütig haben wir immer wieder den Klassenerhalt gefeiert und uns den Traum von einem sorglosen Dasein im gesicherten Niemandsland der Tabelle erfüllt – und ich will jetzt einfach, dass mal wieder alle denken: Mensch, unser Bruno, wollen wir den wirklich loswerden?
Labbadia: Eben. Wie oft habt ihr Schwaben hinter meinem Rücken geschwärmt: Ja, unser Bruno, er ist schon einer zum Herzeigen. Aber wo waren wir gerade stehen geblieben?
Labbadia: Ja. Aber bitter sind auch diese Zahlen: 97,4 Prozent hat unser neuer Präsident vom VfB-Volk neulich bekommen – für mich, hat man das Gefühl, bleibt gerade noch der Rest.
Labbadia: Schielen – herrlich!
Labbadia: Das tue ich auch. Ich will Fünfzehnter werden, also nehme ich mir Platz 14 vor. Auch Kolumbus hat es schon so gemacht: Er hat sich Indien vorgenommen, und entdeckt hat er dann Amerika.
Labbadia: Ich sage Amerika. Dort hat er lange gelebt und eines gelernt: Als Präsident musst du auf die Pauke hauen. Wenn ich Wahler sehe, sehe ich John F. Kennedy – der hat seinerzeit so angefangen: Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir? Jetzt sagt Wahler: Wer, wenn nicht wir und hier – und wo, wenn nicht jetzt?
Labbadia: Zu dem Zeitpunkt konnte ich ja noch nicht ahnen, was in Rausch und Abdellaoue steckt – aber Scherz beiseite: Die Chance unserer Mannschaft auf einen vorderen Platz ist kleiner als die einer Sau beim Metzger.
Labbadia: Nennen Sie mich eine Spaßbremse, aber ich bleibe dabei: bei dieser Truppe kannst du als Trainer nur die Pobacken zusammenkneifen.
Labbadia: Wie soll das zusammenhängen?
Dettmar Cramer hat es so gesagt: „Es hängt alles irgendwo zusammen – wenn man sich am Hintern ein Haar ausreißt, dann tränt das Auge.“Labbadia (gereizt): Jetzt noch einmal, extra für Sie, langsam, zum Mitschreiben: meine Mannschaft ist willig – aber melken Sie mal eine Kuh, die kein Euter hat.
Labbadia: Shinji – ich habe ihm die Piaffe beigebracht, worauf er auf der Stelle trat – aber wer konnte ahnen, dass er ein Rennpferd ist?
Labbadia: Wissen Sie, was mir Max Merkel, der große Wiener, einmal verraten hat: Der Österreicher glaubt mit 18, er sei Pelé. Mit 19 glaubt er, er sei Beckenbauer. Und mit 20 merkt er, dass er Österreicher ist. So ist das mit Holzhauser.
Labbadia: Übel ist das richtige Wort. Dauernd wird was hochsterilisiert. Am liebsten würde ich manchmal zu mir sagen: Bruno, halt mal wieder eine Wutrede.
Labbadia: Danke. Ich lasse mich da seit Jahren beraten von einer pfiffigen Imageagentur, die spezialisiert ist auf Ablenkungsmanöver, und die haben damals gesagt: Schimpf einfach mal auf alles, was sich bewegt.
Labbadia: Natürlich nicht, aber es wirkt. Sackweise sind die Beileidstelegramme gekommen, vor meiner Haustür haben gerührte Menschen ganze Blumentröge aufgestellt und geglaubt, dass für den Zustand meiner Mannschaft die bruddelnden Fans, die verlogenen Medien und die Vereinsführung verantwortlich ist, die mir nur billige Fußkranke kauft.
Labbadia: Ach, das sage ich doch nur für die Öffentlichkeit. Das ist wie beim Rudi und seiner bockstarken Brandrede damals auf den Färöern – kaum war die Kamera aus, da hat er mit Netzer, Delling und Waldi beim Weizenbier wieder geschunkelt. Auch Völler wollte nur ein bisschen Mitleid erregen und dem Volk suggerieren, dass man als Trainer mit einer solchen Stolpertruppe keinen Saustall stürmen kann – nichts gegen Fredi Bobic, aber sogar den musste Rudi damals mit durchschleppen, herzlichen Glückwunsch.
Labbadia: Die Gefahr ist halt, dass man die Nummer überzieht. Mit dem Vorwurf, er sei ein Stimmungstöter, hat beispielsweise Maria Scharapowa jetzt nach nur 34 Tagen Jimmy Connors wieder gefeuert.
Labbadia: Das klingt ja klasse, das bringt mich endlich mal wieder auf andere Gedanken – weg von diesem ewigen Rijeka, Augsburg, Rijeka und am 1. September Hoffenheim.
Labbadia: Ja, und gleich nachher rufe ich meine Frau an und sage zu ihr: Schau mal, ob wir an dem Abend noch einen Flug nach Santa Barbara kriegen.