Immer mehr Trainer im Fußball gehen mit ihrem Aus lockerer um als ihre Bosse. Ein gutes Beispiel ist Armin Veh, der nach seiner Trennung vom VfB im Moment sein stressfreies Leben genießt.

Stuttgart - Im Krisenfall sind Vereinsführer nicht zu beneiden – sie kommen sich vor wie Pat Williams, der in einem der denkwürdigsten Momente der Sportgeschichte als Chef des NBA-Basketballclubs Orlando Magic seinen Trainer händeringend fragte: „Wir gewinnen zuhause nicht, wir gewinnen auswärts nicht. Fällt Ihnen vielleicht noch ein weiterer Ort ein, an dem man gewinnen könnte?“

 

Vermutlich hat auch Martin Kind, der Chef von Hannover 96, diese Frage zuletzt ganz ähnlich an Tayfun Korkut gestellt, der seit zwölf Spielen nicht mehr gewonnen hat – und es muss schon eine unverschämt gute Lüge gewesen sein, mit der der Trainer seinen Präsidenten hinters Licht geführt und in das Treuebekenntnis getrieben hat: „Herr Korkut hat mein Vertrauen.“

Sind in der Krise die Bosse die armen Kerle - nicht die Trainer? Wer anlässlich des Trainerbebens dieser Tage in die Gesichter der Beteiligten geschaut hat, weiß die Antwort. In Dortmund hat nicht Jürgen Klopp heulend nach einem Strick verlangt, sondern Sportchef Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Als Zorc sich mit feuchten Augen wehmütig erinnerte, wie dieser Trainer ihn sieben Jahre lang antrieb, sagte Klopp: „Das war auch nötig.“ Bei diesem neckischen Witz sah er fast so entspannt aus wie Joe Zinnbauer, als der unlängst in Hamburg den Hut nahm. Zinnbauer hätte im ersten Schock beleidigt sein können, aber stattdessen sagte er nur: „Es geht nicht um mich, es geht um den HSV.“ Das klang wie eine dieser mit heißer Luft gefüllten Worthülsen, die zu den Gepflogenheiten des modernen Fußballs gehören – aber der Abservierte meinte es vermutlich genau so, wie er es sagte.

Dunkler, Koffer, dunkler Anzug, schwarze Hüte

Früher sind die Trainer nicht ganz so gut klargekommen mit den Schattenseiten ihres Berufs und dem Risiko. In alten Schriften ist festgehalten, dass sie es sogar gefürchtet haben wie der Teufel das Weihwasser – der einstige Meistermacher und Zampano Max Merkel („Mit Zuckerbrot und Peitsche“) beschrieb das finale Zeremoniell der Bosse seinerzeit so: „Zum Abschied kommen sie immer wie ein Erschießungskommando: Dunkler Koffer, dunkler Anzug, schwarze Hüte.“

Gefangene wurden nur ungern gemacht. In den 70ern suchte einmal Udo Lattek, als es nach dem Gewinn des Europacups der Landesmeister beim FC Bayern kurz kriselte, seinen Patriarchen Wilhelm Neudecker auf und bat: „Hier muss sich was ändern.“ Neudecker nickte: „Ist gut. Sie sind entlassen.“ Auch Jean Löring, der berüchtigte Alleinherrscher von Fortuna Köln, feuerte nach Gutsherrenart – anlässlich eines 0:2-Halbzeitrückstands gegen Waldhof Mannheim stürmte er mit drei bis vier Steinhägern im Blut in die Kabine und stoppte die Ansprache seines Trainers Toni Schumacher mit dem Machtwort: „Raus hier, Du hast nichts mehr zu sagen!“

Es hat Zeiten gegeben, da tat es richtig weh, als Trainer zu scheitern. Die Rausschmeißer in den Klubetagen waren nicht zimperlich, denn es handelte sich weitgehend noch um in vielen Schützengräben gestählte Kriegsheimkehrer. Außerdem war der Ruf ruiniert, es roch nach Schande. Als Herbert Widmayer anno 63 in Nürnberg als erster Bundesligatrainer gefeuert wurde, musste er einen üblen Telefonterror ertragen, und seine Frau beim Metzger sogar die Frage: „Was, fressen will die Sau auch noch?“ Doch was zunächst aussah wie eine Neuverfilmung von „Verdammt in alle Ewigkeit“, endete später happy: Als ein Assistent von Bundestrainer Helmut Schön wurde Widmayer 1974 Weltmeister. Es geht also alles gut aus. „Lebbe geht weiter“, erkannte irgendwann der Trainerphilosoph Stepi Stepanovic, und immer mehr Kollegen handeln inzwischen danach. „Die paar Monate schaffe ich auch noch“, sagte beispielsweise Huub Stevens beim VfB ohne erkennbare Gesichtsregung, als die Journalisten damit anfingen, ihn als Leiche zu beschreiben, obwohl er immer noch zuckte. Dass sein designierter Nachfolger Alexander Zorniger angeblich schon halb in der Tür steht, juckt den Holländer auch nicht, er sagt: „Wenn das so ist, okay.“

Vom Schleuderstuhl ins Paradies

Auch von Stevens’ Vorgänger Armin Veh waren nie pingelige Klagen zu hören. Warum auch? Er ist vom Schleuderstuhl ins Paradies katapultiert worden, neulich beschrieb ihn ein Kollege so: „Das Leben abseits des Abstiegskampfes muss wunderbar sein. Entspannt sieht Veh aus, braungebrannt, weil er viel gereist ist, um Abstand zur Fußballbranche zu gewinnen und Freunde zu besuchen.“ Oder denken wir an Huubs Vorvorgänger Thomas Schneider, der ohne den ruhmlosen VfB-Rauswurf jetzt nicht strahlender Co-Trainer des amtierenden Weltmeisters wäre – und geradezu beneidenswert lebensbejahend hat Huubs VfB-Vorvorvorgänger Bruno Labbadia die Zeit nach dem Abgang genutzt: Der Familie habe er sich gewidmet, erzählt der, „und ich war in England, Spanien, Italien und den USA, um mir neue Impulse zu holen.“

Der Fußball ist also prallvoll mit glücklich gefeuerten Trainern, und selbst wenn Labbadia jetzt beim HSV kläglich scheitern sollte, wird die Abfindung auf jeden Fall reichen, um ihm ein Restleben unter einer Autobahnbrücke am Kreuz Hamburg-Harburg zu ersparen. Jedenfalls war es nur mit einem Überschuss an britischem Humor zu erklären, als einst der schottische Trainer Bert Papon nach einem 0:7 vor der Presse sagte: „Noch Fragen, bevor ich rausgehe und mich erschieße?“ Keine Angst, er lebt noch – es ist nämlich viel gescheiter, auf das Erschießungskommando mit den schwarzen Hüten, dunklen Anzügen und dicken Koffern zu warten.

Nachdem HSV-Chef Didi Beiersdorfer in dieser Saison schon die Trainer Slomka, Zinnbauer und Knäbel verbraucht hat, ist Labbadia jetzt seine vorletzte Patrone. Die letzte kann er für sich selbst aufheben. Denn als Boss hat er es schwerer als Bruno. Der geht wieder, wenn der Laden vollends explodiert. Aber Didi muss blechen. Und bleiben.