Das Bayerische Staatsballett bringt in München eine Rekonstruktion von Oskar Schlemmers legendärem Kunstwerk „Das Triadische Ballett“ auf die Bühne. Im November kommt es als Gastspiel nach Stuttgart.

München - Sehr schön ist sie, wie sie so steht, hell angestrahlt im Schwarz der Bühne. Das Kreiselhütchen keck auf dem Kopf, der bunte Rock steht ab wie laubgesägt, die Hände sind im exakten Winkel in den Gelenken abgeknickt. Dann beugt sie sich langsam nach vorne, rundet die Arme. Eine Kunstfigur, in die Leben kommt. Es ist die erste von 18 Figuren, die Oskar Schlemmer in seinem „Triadischen Ballett“ 1922 in Stuttgart auf die Bühne schickte, mit der Tänzerin Elsa Hötzel und ihrem Partner Albert Burger. Natürlich tanzte auch der bildende Künstler Oskar Schlemmer selbst mit, der diesen radikalen Gegenentwurf zu klassischem wie freiem Tanz wagte.

 

Das Stück wurde nur wenige Male in verschiedenen Fassungen bis 1932 aufgeführt und so zur Legende. Der wichtigste Rekonstruktionsversuch stammt von Gerhard Bohner, der sich eingehend mit Schlemmers Bühnenexperimenten beschäftigte und 1977 seine Fassung schuf. Mit dabei waren damals als Tänzer Ivan Liška, heute Direktor des Bayerischen Staatsballetts, und seine Frau Colleen Scott. Die Erfahrungen mit Schlemmer und Bohner ließen die beiden nicht los. Bislang aber scheiterte der Plan, eine Neufassung des Stücks in München aufzuführen, was nicht zuletzt an der rigiden Rechteverwaltung der Schlemmer-Erben lag. Nun ist es den Münchnern im Verbund mit der Akademie der Künste in Berlin und unterstützt von Tanzfonds Erbe gelungen, Bohners Stück in der Reithalle wieder auf die Bühne zu bringen. Es tanzen Nagisa Hatano, Marta Navarrete Villalba, Nicholas Losada, Sebastian Groffin und Florian Sollfrank von der Junior Company des Bayerischen Staatsballetts, die sich in die schweren und kompliziert zu tragenden Kostüme spannen und einschnüren ließen.

Voluminöse Aufpolsterungen an Armen und Beinen

Man kennt die extremen Formen von Abbildungen: den „Taucher“ mit seinen orangefarbenen Troddeln am konischen Körper, die „Scheiben“, die von vorne ganz anders aussehen als von der Seite, den „Abstrakten“, Schlemmers Paradefigur als Tänzer, der mit Glocke und Keule in den Raum sticht. Die Figuren gehören unstrittig zu den Meisterwerken der Moderne, auch wenn man nicht weiß, wie sie damals in Bewegung aussahen. Filmaufzeichnungen gibt es nicht.

Nur neun Originalkostüme hatten den Zweiten Weltkrieg überlebt. Bohner ließ neue Kostüme anfertigen, die auch für die Münchner Aufführung wieder benutzt wurden: haptisch voluminöse Aufpolsterungen an Armen und Beinen, starre Kugeln um den Leib, Holzteile, die bei jedem Schritt klacken, glänzende Oberflächen und federnde Drahtreifen. Sie abstrahieren die Bewegungen, geometrisieren den Körper, stilisieren den Tanz. Klassische Schritte, Hüpfer, Gänge, Kreiseln, Trippeln auf Spitze, immer unterbrochen von Zäsuren, die einen Moment den Bewegungsfluss stocken, das bewegte Bild stillstellen. Nicht immer sind die jungen Tänzerinnen und Tänzer dabei ganz exakt. Schwer ist das auszubalancieren, zu präsentieren, nicht hinter dem Kostüm zu verschwinden. Zumal einige Tänze dramaturgisch zu lang ausgefallen sind und sich in Wiederholungen oder matter Komik erschöpfen.

Leuchtende Figuren in schwarzem Kasten

Zwei Zeitschichten überlappen sich so in der Inszenierung des Bayerischen Staatsballetts: die raumplastischen Tanzfiguren und der Ablaufplan Schlemmers einerseits und Bohners jahrelang weltweit erfolgreich tourende choreografische Auseinandersetzung mit Schlemmers Ideen und Formen andererseits. Für deren Umsetzung vergab Bohner damals den Kompositionsauftrag an den 1938 geborenen Hans-Joachim Hespos, der eine radikale Hauch-, Anblas- und Schlagwerkmusik schuf, die sich bis zum Gellen und atmosphärischen Rauschen steigert. Sie schafft eine auch heute noch interessante Spannung zu den im schwarzen Guckkasten wie Preziosen ausgestellten leuchtenden Figuren. Denn Schlemmers Farbskala der Bühne, die gelb beginnt, sich rosa fortsetzt und im Schwarzen endet, wurde hier nicht deutlich. Damit verblasst die ursprünglich heiter-burleske und die festlich-getragene Stimmung der ersten beiden Reihen. Die fantastische Dämonie der schwarzen Schlussserie besticht nach wie vor. Ein sehenswertes Dokument.

Vorstellungen
noch einmal am Samstag in München sowie als Gastspiel am 24. und 25. November im Stuttgarter Kammertheater.