Der Osmanen-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht bleibt spannend. Die Verantwortung für einen angeklagten Mordversuch in Herrenberg bleibt Gegenstand vieler unterschiedlicher Aussagen.

Stuttgart - Eine neue Entwicklung im Prozess gegen acht zum Teil führende Mitglieder der inzwischen verbotenen Rockergang Germanen Osmania: Der inhaftierte Ex-Weltpräsident Mehmet Bagci könnte möglicherweise wegen eines Formfehlers bald aus der Haft entlassen werden. Dabei geht es um einen Vorgang vom 7. Juli 2017, als Bagci einem Polizisten sein Handy gegeben haben soll, um Chat-Protokolle und Nachrichten zu verwenden. Dabei soll aber der oberste Chef der nationaltürkischen Gruppierung nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen sein worden – falls man auf dem Mobiltelefon Hinweise für Straftaten entdecken sollte.

 

Polizei klärt Osmanenchef nicht über seine Rechte auf

Doch der Haftbefehl des Stuttgarter Amtsgerichts beruht auch auf diesen Protokollen, woraufhin Bagci am 17. August festgenommen wurde. Erst am Abend zuvor, so kam vor Gericht heraus, soll er schriftlich über seine Rechte informiert worden sein – das könnte nun zur Freilassung führen.

Der Prozess wendet sich bald einem neuen Tatkomplex in Wuppertal zu, dabei geht es um einen internen Konflikt. Bis zuletzt wurde aber über die Gewalttat in Herrenberg im Februar 2017 beraten. Der frühere Präsident des Osmanen-Chapters Gießen-Marburg, Celal Sakarya, soll laut Anklageschrift mehrer Tage in einer Herrenberger Wohnung festgehalten, geschlagen, mit einer Zange ins Gesicht geschlagen und mit einer Pistole ins Bein geschossen worden sein.

Wer trägt Verantwortung für die Herrenberger Tat?

Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der oberste Osmanen-Vizepräsident Selcuk Sahin von dem Vorfall wusste oder ihn gar anordnete, der von der Stuttgarter Gruppierung ausgeführt wurde. Die Ex-Freundin von Sahin belastet ihn vor Gericht. Sie erklärte im Zeugenstand, Sahin habe dem Stuttgarter Osmanen-Präsidenten Levent Uzundal den Auftrag gegeben, Sakaray „wegzuflexen“. Damit sei allerdings nicht gemeint gewesen, ihn umzubringen, sondern im eine „Abreibung“ zu verpassen.

Das Opfer selbst, Celal Sakarya, sieht das allerdings ganz anders. Er sieht die Verantwortung bei den Stuttgarter Osmanen, namentlich bei Präsident Levent Uzundal und seinem damaligen Vize. „Es hat keinen Kontakt zu Selcuk Sahin gegeben“, wiederholt Sakarya seine Aussagen, die er auch vor Gericht schon so gemacht hat. „Das war eine Stuttgarter Chapter-Sache“, sagt er. Niemand sei nach Frankfurt gefahren, um sich die Erlaubnis einzuholen. Der Konflikt zwischen ihm und den Stuttgarter Osmanen hat sich offenbar bei einer gemeinsamen Aktion in der Schweiz entzündet, wo man den Nachtclub eines Konstanzer Osmanen einrichtete.

Das Opfer weist die Schuld den Stuttgarter Osmanen zu

Sakarya bestreitet auch, vom Osmanen-Präsidenten Mehmet Bagci bedroht worden zu sein. „Ich saß mit meiner Familie bei ihm zu Hause bei seiner Familie, als das angeblich passiert sein soll“, sagt er. Alle Beweismittel wie Fotos, Chatverläufe und Bilder habe er der Polizei übergeben. Den Beamten hat er wiederholt und schon vor Gericht Vorwürfe gemacht, ihm seien für Aussagen gegen Bagci und Sahin „Geld“ angeboten worden. Offenbar ging es dabei um eine neue Identität und ein Zeugenschutzprogramm.

Celal Sakarya steht als Zeuge und Opfer auch deswegen im Mittelpunkt, weil er unmittelbar nach der Tat im Februar 2017 und später der Polizei unterschiedliche Versionen erzählt hat, wie seine Verletzungen zustande gekommen sind. Das räumt er ein: „Ich wollte meine osmanischen Brüder vom Chapter Stuttgart schützen, deswegen habe ich das getan.“ Nun betont er, die Wahrheit zu sagen – er wolle den Fall aufklären und verhindern, dass die Falschen verurteilt werden.

Der Prozess geht diese Woche weiter mit dem Wuppertaler Fall – am 24. Juli könnte dann die Entscheidung fallen, ob der ehemalige Osmanen-Präsident Mehmet Bagci aus der Haft entlassen wird.