Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)
Sie registrieren im Schnitt 1000 Verletzungen des Waffenstillstands am Tag. Können Sie auch ermitteln, wer zuerst schießt?
Das ist schwierig, weil nicht immer klar ist, wer und aus welchem Grund ein bestimmtes Gefecht begonnen hat. Oft ist es so, dass sich ein Gefecht an einem Ort manifestiert und wir das auch feststellen, aber das kann auch eine Reaktion gewesen sein auf eine Auseinandersetzung oder Bewegung, die weiter entfernt liegt und die wir nicht sehen. Deshalb wäre es falsch, wenn man nur allein aufgrund unserer Beobachtungen Schlussfolgerungen ziehen würde. Wichtiger wäre, beiden Konfliktparteien klar zu machen, dass jede von uns dokumentierte Verletzung Konsequenzen haben muss. Ansonsten werden diese Verletzungen des Waffenstillstands nie aufhören.
Zählen Sie nur die Schüsse, oder auch die Toten und Verletzten in diesem Krieg?
Wir bekommen Berichte, wenn Zivilisten zu Schaden gekommen sind und versuchen dann, bei Besuchen in den Dörfern, Spitälern und Leichenhallen die Aussagen zu verifizieren. Wir haben zurzeit eine Bestätigungsrate von 80 Prozent. Das machen wir aber nur für zivile Opfer. Die Opfer auf den kämpfenden Seiten zu ermitteln, ist für uns kaum möglich.
Sie haben engen Kontakt zu den Beteiligten, auch auf russischer Seite. Hat die Regierung der Russischen Föderation Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine, oder handeln diese eigenmächtig?
Die Russische Föderation ist Bestandteil unserer Mission und unterstützt sie. Dementsprechend hat sie eine Mitverantwortung, die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk umzusetzen.
Und spielt sie auch eine Rolle in der militärischen Führung des Konflikts in den umkämpften Separatistengebieten?
Hier muss man klar feststellen, dass es nicht unsere Aufgabe als Beobachtermission ist, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen. Wir sind kein Nachrichtendienst. Wir berichten, was wir sehen und hören. Um zum Beispiel festzustellen, wer Waffen finanziert oder wer Kämpfer ausbildet, benötigt man ein anderes Mandat.
Wie lange werden Sie, wie lange wird die OSZE in der Ukraine bleiben?
Unser Mandat endet im März 2017.
Und wenn der Krieg dann noch nicht zu Ende ist?
Es ist Aufgabe des Ständigen Rats der 57 Teilnehmerstaaten der OSZE, die Mission zu verlängern. Wir sind ein Instrument des Ständigen Rates und deshalb auch seiner politischen Leitung unterstellt.
Wird denn Ihrer persönlichen Meinung nach der Krieg beendet sein, wenn die Mission im März 2017 endet?
Sicher ist, dass wir alles daran setzen werden, ein Ende des Konflikts herbeizuführen. Es liegt aber nicht an der Mission, die Kämpfe einzustellen, das müssen die Konfliktparteien selbst tun. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ostukraine-osze-fuerchtet-um- sicherheit.84709d55-8760-4dc0-8903-ef36433bdac6.html