Ottawa hat alles probiert, der Gänseplage Herr zu werden. Lärm, Zäune, Licht, Hundegebell – nichts half. Jetzt hat die Stadt endlich ein Rezept: kleine, ferngesteuerte Hubschrauber.
Ottawa - Steve Wambolt stellt seinen Hexacopter auf den Sand. Mit seinem Mitarbeiter David Dutrisac checkt er Batterien und MP3-Player, der an dem etwa 80 Zentimeter großen, ferngesteuerten Fluggerät angebracht ist. Per Knopfdruck am Steuergerät setzt er die Rotorblätter in Gang. Dann steigt die Drohne auf. Mit dem Steuerknüppel dirigiert der 50-jährige Technikfreak sein unbemanntes Flugobjekt, das die Grundform eines Sechsecks hat und einer Kombination aus fliegender Untertasse, Mondlandegerät und Hubschrauber ähnelt, zum Strand von Petrie Island, einer Insel im Ottawa-Fluss. Eine Schar von etwa 20 Kanadagänsen hat sich dort niedergelassen. Mit einem Geräusch, das dem eines großen Bienenschwarms ähnelt, fliegt der Hubschrauber auf die Gänse zu, wenige Meter über dem Strand. Erst recken die Tiere verwundert ihren Kopf, dann nehmen sie mit Geschrei und Flügelschlag Reißaus. Sie stürzen Richtung Wasser, erheben sich in die Luft. Weg sind sie.
Der Gänsejäger ist zufrieden. Seit vier Wochen hat Steve Wambolt den Vertrag mit der Stadt Ottawa. „Früher hatten wir ständig etwa 150 Kanadagänse auf der Petrie-Insel. Jetzt sind es vielleicht noch zwei Dutzend“, sagt Wambolt. Die „Drohnenschläge gegen Gänse“, wie das Pilotprojekt in den örtlichen Zeitungen martialisch genannt wird, sind offenbar erfolgreich.
Vorher lebten 150 Gänse auf der Insel, jetzt sind fast alle weg
Die bis zu sechs Kilogramm schwere Kanadagans (Branta Canadensis) ist mit ihrem schwarzen Kopf und dem weißen Band am Hals ein schöner Vogel. Mit einer Flügelspannweite von etwa anderthalb Metern gehört sie zu den größten Gänsearten. Auch in Europa brüten diese Tiere seit Jahrzehnten. In Ottawa sind Tausende von Kanadagänsen, die sich in Parks und Strandbädern am Ottawa-, Rideau- und Gatineaufluss tummeln, eine Plage geworden. Sie fressen mehrere Pfund Gras pro Tag und lassen eine entsprechende Menge Fäkalien zurück. Der Vogelschiss führt dazu, dass Liegewiesen, Bäder und Volleyballfelder wegen der davon ausgehenden Gesundheitsgefahren gesperrt werden müssen.
Ottawa hat bereits mehrere Versuche unternommen, der Gänseplage Herr zu werden: Sie setze andere Pflanzen, um den Tieren das Futter zu nehmen, errichte Zäune, probierte es mit Lärm, Licht oder Hunden. Nichts half. Auf rabiate Vorschläge, etwa über Jahre hinweg eine große Zahl von Gänsen zu erlegen und als Festtagsschmaus an Bedürftige zu verteilen, geht die Stadt nicht ein
Im Mai trat der IT-Techniker Wambolt mit seinem Hubschrauber an den Stadtrat Bob Monette heran. Eigentlich mit einer ganz anderen Intention: Er wollte für sein neu gegründetes Unternehmen Luftaufnahmen von Parks machen, um nach Unwettern die Schäden begutachten zu können. Monette hörte sich den Vortrag an, dann fragte er: „Kann man damit Gänse verscheuchen?“ Jedes Jahr wird er mit dem Gänseproblem auf Petrie Island konfrontiert, das zu seinem Wahlkreis gehört. Wambolt zögerte. „Eigentlich will man mit Fluggeräten Gänsen fern bleiben. Die Tiere können ja sogar Flugzeuge zum Absturz bringen. Aber ich sagte mir: Warum nicht mal probieren?“ Also wurde das Gerät modifiziert. Auf dem MP3-Player sind jetzt die Laute der natürlichen Feinde der Gänse gespeichert: Raben, Falken, Wölfe, Eulen.
Diue Stadt lässt sich das Pilotprojekt 22 000 Euro kosten
Aber schon allein das Brummen des kleinen Hubschraubers entfaltet seine Wirkung. Die Gänse fliehen, wenn das Gerät über ihnen auftaucht. „Sie lernen schnell, dass Petrie Island ein unwirtlicher Ort ist“, sagt Wambolt über den Erfolg seiner Arbeit. Seit er im Einsatz ist, musste der Strand nicht geschlossen werden. Wichtig ist, Einsatzzeit und Geräusche der Drohne ständig zu variieren, damit sich die Vögel nicht daran gewöhnen können. Einmal verscheucht, kehrt ein Gänseschwarm viele Stunden lang nicht zur Insel zurück. Manchmal beginnt Wambolt seinen Einsatz am frühen Morgen bei Anbruch der Dämmerung. Bis zu sechs Stunden sind er und seine beiden Mitarbeiter an der Arbeit.
Der Vertrag, der die Stadt umgerechnet etwa 22 000 Euro kostet, läuft bis in den Herbst. Dann soll Bilanz gezogen werden. Das Geld sei gut investiert, wenn dafür ein stark frequentierter Park sicherer und für die Besucher angenehmer gemacht werden kann, sagt der Stadtrat Monette. Und Steve Wambolt hofft, dass er sein Spielzeug, die Drohne gegen Kanadagänse, im nächsten Jahr auch an anderen Stränden einsetzen kann. Ein Patentverfahren für Fluggerät und Idee hat er bereits gestartet.