Corona-Krise in der Region Stuttgart Hauptsache draußen, Hauptsache regional

Wandern, radeln, campen: In der Corona-Krise boomt alles, was mit Outdoor zu tun hat. Verkäufer und Verleiher profitieren, Vereine haben indes noch das Nachsehen.
Filder - Bei Radschlag geht es zu wie im Taubenschlag. Die Straße vor dem Vaihinger Fahrradgeschäft wird zur Teststrecke, ein Mann schaut sich drinnen E-Bikes an, ein anderer kauft Schutzbleche. Hans Ulrich, der Inhaber, rotiert. „Seit der Verkauf wieder geöffnet ist, ist jeder Tag wie Samstag.“ In der Pandemie erlebt sein Laden einen Ansturm. Die Werkstatt ist bis Mitte Juli dicht, Radmodelle gehen aus. Nachschub? „Der Markt ist leer gefegt“, sagt Hans Ulrich. „So krass war es noch nie.“
Outdoor boomt in der Corona-Krise. Seit Kino, Konzerte und Stadtfeste abgesagt sind und die klassischen Urlaubsziele unerreichbar scheinen, zieht es die Leute in die heimische Natur. Camping etwa ist interessanter denn je. Die Firma Rent-a-trip vermietet und verkauft in Plattenhardt Wohnmobile. Seit den ersten Corona-Lockerungen „rennen uns die Leute die Bude ein“, sagt Carsten Baginski, der zuständige Betriebsleiter. Viele wollten flexibel und autark sein, „ein ganz großer Aspekt ist die Sicherheit“. Die 18 Mietfahrzeuge sind größtenteils weg, die Verkäufe haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, sagt er. Dabei seien nicht nur Dauercamper heiß auf diese Art des Reisens. Bis zu 65 Prozent der Anfragen kämen von Neu-Wohnmobilisten.
Die Gegend vor der Haustür entdecken
Die Camping-Freunde Filder profitieren davon nicht. „Es schläft alles noch“, sagt Petra Haas, die Vorsitzende aus Dürrlewang. Ausfahrten und Clubabende entfallen, die Großveranstaltung zum 40. Vereinsgeburtstag ebenso. Sprich: Der Club mit Sitz in Bernhausen, in dem 50 campingverrückte Familien organisiert sind, kann sich potenziellen Interessenten nicht präsentieren. „Vielleicht kommt das noch nach dem Urlaub, wenn die Leute es ausprobiert haben“, sagt sie hoffnungsvoll.
Derweil entdecken viele den Wandersmann in sich. Im Möhringer Buchladen Pegasus sind laut Jana Heinrich Rad-, Spazier- und Wanderführer für die Region hoch im Kurs, aber auch Deutschland-Reiseführer. „Ich glaube, dieses Jahr fahren alle nach Mecklenburg-Vorpommern“, sagt sie. Bei Papyrus in Sillenbuch sind einige Wandermaterialen direkt an der Kasse drapiert. Uwe Meinhardt, der Inhaber, spricht von einer Verlagerung: „Mehr Lokales, weniger Internationales.“ April und Mai seien ohnehin starke Wandermonate. Und auch bei Seiffert in Leinfelden ist die Nachfrage nach Ausflugs- und Wanderführern seit Wochen hoch. „Es ist auffällig, dass die Leute die Gegend hier entdecken“, sagt Sabine Brauer-Seiffert. Tenor: Man muss gar nicht weg – und will es auch nicht.
Vereinsangebote liegen noch auf Eis
Der Online-Shop des Schwäbischen Albvereins brummt ebenfalls, bestätigt die Sprecherin Ute Dilg. Das Bestellvolumen bei Karten und Führern habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Anhand der telefonischen Nachfragen zur richtigen Handhabung von Wanderkarten lasse sich erahnen, dass viele sich diesem Hobby ganz frisch widmen. Die Ortsgruppen allerdings, egal ob Degerloch, Echterdingen oder sonst wo, können diese neue Leidenschaft erst mal nicht bedienen. Im Gegensatz zu anderen Freiluftaktivitäten sind Gruppenwanderungen noch verboten, sagt Ute Dilg, daher liegen sämtliche Vereinsangebote, die jetzt Gefallen finden könnten, auf Eis. Das sei frustrierend. „Wenn wir wieder dürfen, hoffen wir, die Leute da abholen zu können, wo sie sind.“
Mit Outdoor-Utensilien scheinen die Leute jedenfalls eingedeckt zu sein. Während bei Sport Baur in Plieningen Kleider für Hallensportarten aktuell Ladenhüter sind, gehen Lauf- und Wanderschuhe, Trekking- und Walkingstöcke gut, erklärt der Chef Folker Baur. Auch bei Sport Laich am Vaihinger Markt sind diese Waren gefragt, ebenso Fahrradhelme. „Man merkt schon, dass die Leute rausgehen“, sagt Brigitte Laich. Ein Verkaufsschlager sind zudem Fitnessmatten, da laut Corona-Verordnung jeder seine eigene Unterlage zu Kursen mitbringen muss. Ob sie so was jetzt aufstocke? „Sofern wir können“, sagt Brigitte Laich. Beim Großhändler sei vieles aktuell komplett ausverkauft.
Unsere Empfehlung für Sie

Parken in Stuttgart-Asemwald Pflegerin kritisiert einen Strafzettel als ungerecht
Was, wenn der Pfleger nur 30 Minuten parken darf, die Pflege aber 45 Minuten dauert? Eine Sonderregelung für Pflegedienste beim Parken gilt inzwischen nicht mehr. Ein Beispiel aus Stuttgart-Asemwald

Coronavirus Warum viele Pflegekräfte die Impfung scheuen
Seit bald drei Wochen wird gegen Corona geimpft, doch nicht jeder, der darf, will. In Pflegeheimen ist die Bereitschaft unter den Mitarbeitern teils gering, das gilt auch für die Filderebene. Eine Spurensuche nach den Gründen.

Kommunen in Corona-Not Städte denken über höhere Gebühren nach
Die Corona-Pandemie verursacht bei den Kommunen in der Region gewaltige Einnahmeausfälle. Dennoch halten die meisten Verwaltungen an ihren Investitionsplänen fest. Es gibt aber schon erste Ideen, wie die Kassen wieder gefüllt werden können.

Unfall in Nürtingen Radfahrer wird von Auto erfasst
In Nürtingen (Kreis Esslingen) ist am Montagnachmittag ein Radfahrer von einem Auto erfasst worden. Er wollte, ohne auf den Verkehr zu achten, eine Umgehungsstraße überqueren.

Obdachlose im Winter Ulm stellt Schlafkapseln auf – und Stuttgart und die Region?
Sie heißen Ulmer Nester und bieten je einem Obdachlosen einen warmen Schlafplatz. Vor der Stuttgarter Markuskirche steht ein ähnliches Exemplar, gespendet von einem Mann aus Bruchsal. Plant die Landeshauptstadt einen Ausbau der Aktion? Und wie sieht es in der Region aus?

Die Folgen der Pandemie Fünf Blicke auf das Corona-Jahr
Spätestens seit März ist die Welt wegen der Corona-Pandemie im Ausnahmezustand. Was macht das mit Menschen und ihren Lebensentwürfen? Wir haben mit fünf Leuten von den Fildern gesprochen.