Die Outlet City in Metzingen hat große Pläne: Sie will ihre Verkaufsflächen deutlich erweitern. Die Absicht führt zu scharfer Kritik – unter anderem durch Tübingens OB Boris Palmer.

Stuttgart - Stuttgart, das liegt neben Metzingen.“ Diesen Satz bemüht Tourismuschef Armin Dellnitz, wenn er in China Werbung für das Reiseziel Stuttgart macht. Während in Peking der Groschen mit Blick auf die Landeshauptstadt erst fällt, wenn Mercedes und Porsche ins Spiel kommen, kennt man im Reich der Mitte das kleine Städtchen am Fuße der Schwäbischen Alb ganz genau. Der Grund ist der besonders bei Chinesen extrem beliebte Werksverkauf – das Outlet.

 

Rund 3,5 Millionen Menschen kaufen jedes Jahr in Metzingen ein. Und geht es nach dem Willen der Holy AG, dem Betreiber der Outlet-City, soll das Städtchen künftig noch deutlich mehr Menschen aus aller Welt anlocken. „Wir wollen erweitern“, berichtet Wolfgang Bauer, der Vorstandschef des Unternehmens. Doch gegen diese Pläne haben sowohl Tübingen als auch Reutlingen Klage eingereicht. Sie befürchten, dass die Konkurrenz in der Nachbarschaft dem Handel in den eigenen Innenstädten über den Kopf wächst und die Kunden fortan ausbleiben. In Stuttgart sieht man das Verhältnis mit Metzingen hingegen entspannt – meistens zumindest.

Metzingen würde das Milaneo überholen

Das Outlet-Städtchen hat um die 20 000 Einwohner. Im Vergleich dazu wirken die derzeit vorhandenen mehr als 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche des Outlets bereits enorm. Und, mit der Erweiterung hätte Metzingen wohl mehr Verkaufsfläche als das Milaneo – immerhin das größte Shoppingcenter im Südwesten.

Angefangen hat alles in den 1970er Jahren mit ein bis zwei Tagen Werksverkauf pro Woche bei Hugo Boss. Seither haben Marken wie Escada, Prada, Armani, Adidas und Nike eigene Boutiquen eröffnet. Die Stadt wurde komplett umgebaut. „Früher hat man den Konfirmationsanzug in Metzingen gekauft“, erklärt Wolfgang Bauer und fügt an: „Heute wollen wir dagegen internationale Top-Luxusmarken hier ansiedeln.“

Diese verkaufen ihre Ware in markanten, rechteckigen Gebäuden aus Sichtbeton. Das erste dieser Häuser wurde 2005 gebaut. Im Zuge des darauf folgenden Stadtumbaus mussten das Polizeirevier, die Volkshochschule und zahlreiche Vereine umgesiedelt werden. „Dafür haben wir alte Industriebrachen genutzt“, berichtet Bauer. Ein Plan, nach dem die Holy AG auch beim nun geplanten Ausbau vorgehen will. Vorgesehen ist die Erweiterung des Hugo-Boss-Outlets auf bis zu 8000 Quadratmeter und knapp 3000 weitere Quadratmeter für zusätzliche Luxusmarken auf dem Gelände der ehemaligen Textilfabrik Gänslen und Völter.

Boris Palmer kritisiert die Expansionspläne

Einer, dem das alles gar nicht ins Konzept passt, ist Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). „Wenn der Textilfachhandel in einer Innenstadt stirbt, dann stirbt die Innenstadt“, sagt er und fügt an: Tübingen habe in den vergangenen 20 Jahren mehr als 15 Prozent des Umsatzes mit Textilien an Metzingen verloren. Dabei solle das Landesplanungsgesetz die Tübinger Innenstadt vor einer solchen Kannibalisierung schützen, so Palmer weiter. „Unsere Klage richtet sich darauf, diesen verbrieften Schutz wiederherzustellen.“

Ähnlich sieht es Barbara Bosch, die Oberbürgermeisterin von Reutlingen und Präsidentin des Städtetags Baden-Württemberg. „Die Entscheidung des Regierungspräsidiums, die Outlet-Erweiterung zuzulassen, enthält Ermessensfehler, und das sogar in erheblichem Umfang“, begründet Bosch ihr Vorgehen gegen Metzingen.

„Wir streben eine außergerichtliche Lösung an“, sagt Holy-Chef Bauer. Aus seiner Sicht ist der geplante Ausbau des Angebots in Metzingen wichtig für die Jobsicherheit seiner Mitarbeiter. Die Holy AG beschäftigt aktuell rund 200 Menschen am Standort, etwa 1500 kommen in den 70 Ladengeschäften noch hinzu. Zudem gibt es noch etwa 30 weitere Fabrikverkäufe in der Stadt, die jedoch nicht unter der Marke Outlet-City vermarktet werden.

Die Stuttgarter Hotels profitieren

Eines der Argumente der Metzinger für die Erweiterung ist, dass man es ja eigentlich gar nicht auf einheimische Kunden abgesehen habe. „Bei einer Analyse aus dem Jahr 2012 kamen bereits 38 Prozent der Kunden aus dem Ausland“, so Bauer. Und damals habe man noch weniger Luxusmarken angeboten. „Daher bin ich mir sicher, dass der Anteil heute deutlich höher liegt.“

Offiziell heißt es in Stuttgart, dass Metzingen keine Konkurrenz für den Handel in der Stadt bedeutet. Neben Tourismuschef Armin Dellnitz spricht auch die Citymanagerin Bettina Fuchs positiv über den Mitbewerber. Die Entscheidung falle nicht zwischen der Königstraße und der Outlet-City, Stuttgart profitiere von Metzingen, so Fuchs. „Insbesondere Touristen aus China und Fernost gehen gezielt in Metzingen einkaufen, übernachten jedoch in Stuttgart, da es in Metzingen zu wenige Hotelbetten gebe, erklärt die Citymanagerin. Auf diese Art eröffneten sich große Potenziale für den Stuttgarter Einzelhandel, da zusätzliche Kaufkraft generiert werde.

Zwischentöne bei Breuninger

Bettina Fuchs untermauert ihre Aussagen mit Zahlen. „Stuttgart profitiert von diesen Touristen enorm“, sagt sie. Allein in den ersten 3 Quartalen des laufenden Jahres seien rund 55 000 Übernachtungen chinesischer Touristen in der Stadt gezählt worden, sagt sie. „Das ist eine Zunahme um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“

Doch nicht überall in der Innenstadt sprechen die Händler derart positiv über Metzingen. „Sicher ist, das kostet uns Kaufkraft“, sagt etwa Christoph Achenbach, der Geschäftsführer von Lederwaren Acker und Sprecher des Arbeitskreises Handel der City Initiative. Und auch wenn Breuninger eigentlich keine Stellungnahme zur Konkurrenz abgibt, ist aus Unternehmenskreisen doch zu hören, dass der Erfolg Metzingens am Breuninger-Stammsitz in Stuttgart deutlich zu spüren ist.