Es ist ein Erfolg der Umweltpolitik und doch auch wieder nicht: Seit 1990 sind die Spitzen stark zurückgegangen, die Dauerbelastung aber ist geblieben.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - In diesen heißen Sommertagen warnt Margareta Barth, die Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz, tatsächlich wieder einmal die Bürger vor allzu starker körperlicher Anstrengung am Nachmittag und Abend – denn die Ozonwerte steigen überall im Land über die sogenannte Informationsschwelle von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Besonders betroffen sind der mittlere Neckarraum und die Rheinebene; in Bernhausen lag der Wert am Dienstag sogar bei 211 Mikrogramm pro Kubikmeter. Doch insgesamt ist das Reizgas Ozon in den vergangenen Jahren fast ganz aus den Medien und aus der Politik verschwunden.

 

Das hat einerseits seine Berechtigung. Denn es ist ein großer Erfolg der Umweltpolitik, dass die Ozonspitzenwerte der 1990er Jahre nur noch selten erreicht werden. Bodennahes Ozon entsteht in komplizierten chemischen Prozessen – bei hohen Temperaturen und intensiver Sonneneinstrahlung werden Sauerstoff und andere Substanzen, vor allem Stickstoffdioxid, zu Ozon umgewandelt. Stickstoffdioxid stammt vornehmlich aus dem Autoverkehr und aus Kraftwerken – und dort sind die Emissionen zurückgegangen. Ute Dauert vom Umweltbundesamt nennt ein Minus von 58 Prozent gegenüber 1990. Flüchtige Verbindungen aus Lacken und Farben sowie Methan aus der Landwirtschaft sind weitere Ozonquellen.

EU-Zielwert wird nirgendwo in Deutschland eingehalten

Andererseits: Die Grund- und Dauerbelastung ist nicht gesunken; im Gegenteil, mittelhohe Ozonkonzentrationen sind sogar gewachsen. Der Zielwert der EU, der eigentlich seit 2010 eingehalten werden sollte, liegt bei 120 Mikrogramm pro Kubikmeter (höchster täglicher Achtstundenmittelwert); die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt sogar nur 100 Mikogramm pro Kubikmeter zum ausreichenden Schutz der menschlichen Gesundheit. Im vergangenen Jahr sei aber an allen 258 Messstationen in Deutschland nicht einmal der EU-Zielwert eingehalten worden, sagt Dauert: „Wir haben bei diesem Thema noch eine Menge zu tun.“ In Baden-Württemberg wurde der EU-Wert je nach Ort an bis zu 33 Tagen überschritten, im heißeren Jahr 2015 an bis zu 53 Tagen.

Vor allem ozonempfindliche Menschen – das dürften zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung sein – reagieren mit Husten, Tränenreiz und Kopfschmerzen. Die WHO geht für Deutschland von jährlich 2500 Toten aus (beim Feinstaub sind es 73 400 Tote pro Jahr). Und das Problem könnte durch den Klimawandel noch gravierender werden. Insbesondere in Baden-Württemberg und Bayern könnte sich die Zahl der Tage, an denen die EU-Werte überschritten würden, verdoppeln bis verdreifachen.

Umwelthilfe kritisiert Automobilhersteller heftig

Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, hält es deshalb für ein Unding, dass angesichts dieser Entwicklung die „schmutzigen Autos“ weiter fahren dürften, während die Menschen ihre Aktivitäten einschränken müssen: „Die körperliche Unversehrtheit ist im Grundgesetz geschützt – die Automobilhersteller müssen deshalb endlich die Stickstoffoxid-Emissionen radikal herunterfahren“, so Resch.

Die EU hat alle Mitgliedstaaten angemahnt, ein nationales Programm auf den Weg zu bringen, um die Ozonbelastung dauerhaft zu senken. Derzeit laufe ein Forschungsprojekt, so Ute Dauert vom Umweltbundesamt, um herauszufinden, welche Maßnahmen am meisten Erfolg versprechen. Jürgen Resch geht das viel zu langsam – man wisse längst, wo das Problem liege: „Jetzt muss gehandelt werden.“ Priorität hat für die Umwelthilfe, dass die Ozon-Vorläuferstoffe weiter verringert werden, nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch in der Landwirtschaft.