Paartherapie und Kindheit „Viele Menschen haben unbewusste Sehnsüchte“
Birgit Haus therapiert seit dreißig Jahren Paare. Sie erzählt, warum die Erfahrungen der Kindheit dem Liebesglück im Erwachsenenleben oft im Weg stehen.
Birgit Haus therapiert seit dreißig Jahren Paare. Sie erzählt, warum die Erfahrungen der Kindheit dem Liebesglück im Erwachsenenleben oft im Weg stehen.
Kindliche Erwartungen seien es oft, die Liebende an eine Paarbeziehung hätten, sagt Birgit Haus, die in Köln als Therapeutin und Heilpraktikerin arbeitet.
Frau Haus, Paartherapien sind beliebt. Leiden alle in ihren Liebesbeziehungen?
Viele Menschen sind unglücklich in der Partnerschaft. Oft geht es darum, dass sie gesehen werden wollen, sie haben Erwartungen an den Partner, was er leisten soll. Sie haben Wünsche und Sehnsüchte, die oft unbewusst sind. Durch meine Arbeit habe ich entdeckt, wie viele Zusammenhänge es zwischen diesen Problemen und den Erfahrungen in der Kindheit gibt.
Inwiefern?
Vieles, was wir als Erwachsene empfinden, war schon ein Grundgefühl in der Kindheit. Wenn ein Kind in einem geborgenen Nest aufwächst, Eltern liebevoll für es sorgen, entwickelt es ein gesundes Verhältnis zur Gemeinschaft. Aber wenn es Defizite gibt – und das ist leider oft der Fall –, kann das dazu führen, dass Kinder sich hintangestellt fühlen, sich als nicht liebenswert wahrnehmen.
Dabei lieben wohl die meisten Eltern ihre Kinder und wollen das Beste für sie.
Ja, Eltern, die ihre Kinder nicht lieben, sind die Ausnahme. Aber manchmal gerät das Kind aus dem Fokus. Eltern sind überfordert, müssen Geld verdienen, sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Dann lernt das Kind: Ich bin nicht wichtig.
Wie findet man heraus, wie man von den eigenen Eltern geprägt wurde?
Erstens sollte man schauen, wer man im Spiegel der Eltern war. Bin ich so gesehen worden, wie ich bin, mit allen Potenzialen? Wie habe ich meine Mutter verinnerlicht, wie meinen Vater? Das ist im Gehirn verankert. Wenn wir einem Menschen begegnen, der uns, vereinfacht gesagt, an die Mutter oder den Vater erinnert, wird dieses Netzwerk der Kindheit aktiviert. Wir fangen an, uns ähnlich zu verhalten wie in der Kindheit.
Was wäre dafür ein Beispiel?
Eine Klientin hat sich zum Beispiel von ihrer Partnerin immer wieder vernachlässigt gefühlt. Als wir in ihre Kindheit geschaut haben, sah sie sich in der Wohnung der Eltern ganz alleine in einem dunklen Gang sitzen. In diesem Bild spiegelte sich eine große Not ihrer Kindheit.
Was folgerten Sie daraus?
Sie brachte bereits aus der Kindheit Gefühle der Einsamkeit mit. Wir haben es dann geschafft, dass die Klientin sich als erwachsene Frau an die Seite dieses verletzten Mädchens stellen und ihm eine Zugehörigkeit geben konnte. Sie erkannte auch, dass ihre kranke Mutter die Kapazität nicht hatte, ausreichend für sie da zu sein.
Und solche Erkenntnisse helfen dann auch in der Partnerschaft?
Ja, so kann man lernen, die Wunden der Kindheit selbst zu heilen und in der Partnerschaft besser darüber zu sprechen, wenn etwas aus der Gegenwart an diese Verletzungen rührt. Wir müssen aber lernen, dass die Verantwortung für unsere Wunden immer bei uns selbst liegt. Das setzt die Bereitschaft voraus, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Wenn ich merke, dass ich vom Partner erwarte, er müsste irgendetwas Bestimmtes an mir unbedingt sehen, muss mir klar sein, dass dahinter oft ein kindliches Bedürfnis steckt.
Und das kann eine Partnerschaft wohl nicht befriedigen?
Schwer. Idealerweise kann ich in der Partnerschaft so sein, wie ich mich fühle, und ich nehme mich so, wie ich bin. Wenn ich so denke, brauche ich keine Bestätigung vom Partner, um so sein zu können, wie ich bin. Dann gilt: Ich bin für mich verantwortlich und du für dich, und wir gehen einen Weg miteinander.
Person
Birgit Haus hat Romanistik, Geschichte und Pädagogik studiert. Sie ist Heilpraktikerin (Psychotherapie) und arbeitet seit 1993 als Einzel-, Paar- und Familientherapeutin, hält Seminare und macht Supervision. Sie lebt in Köln.
Buch
Birgit Haus: Lieben ohne Leiden. Wie du zu tiefer Verbindung mit dir selbst und einer erfüllten Partnerschaft findest. Goldegg Verlag, 200 Seiten, 24 Euro.