Die Surfschule Westerland vermietet Seekajaks – bei Flaute kann man damit auf Sylt kilometerweit an der Küste entlangpaddeln. Bei ordentlich Wellengang ist das für Anfänger allerdings nicht zu empfehlen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Westerland - Die Surfer sind skeptisch, das sagen sie auch ganz unverblümt. Ein paar Urlauber, die in ihren Standkörben fläzen, gucken interessiert zu. Also los, wir ziehen die orangefarbenen Seekajaks trotz aller Warnungen vom Strand in Richtung Brandung. Der Wind bläst ordentlich von Südwesten auf Westerland zu. Die Wellen sind geschätzt anderthalb Meter hoch.

 

Die beiden Praktikanten von Hans Heinicke, dem Chef der Surfschule Westerland, bemühen sich redlich. Doch sie können sich wegen des Wellengangs maximal ein paar Sekunden auf den sogenannten Sit-on-top-Kajaks halten. Dann purzeln sie immer wieder ins Meer – und geben schließlich auf. Die speziellen Paddelboote sind mit Luft gefüllt, sie haben einen für Sylt entscheidenden Vorteil: sie können nicht sinken. Der Paddler sitzt auf dem Kajak und nicht im Kajak. An diesem Tag sitzen der 15-jährige Praktikant aus Karlsruhe und sein etwas älterer Kollege von den Malediven immer nur für einen kurzen Moment, dann schwimmen sie.

Die wellen schaukeln das Kajak ordentlich durch

Nach ein paar Versuchen gelingt es dem Autor schließlich, die sich brechenden Wellen am Ufer zu überwinden. Wenige Hundert Meter vom Strand entfernt schaukeln die Wellen das Kajak zwar immer noch ordentlich durch, aber mit ein bisschen geschicktem Balancieren und dem kräftigen Einsatz der Armmuskulatur lässt sich das Seekajak doch noch prima nach Norden in Richtung Kampen bewegen. Der Rückweg wird beschwerlicher, der Wind bläst nun nämlich von schräg vorne.

Kajak fahren auf Sylt: für Anfänger ist das bei ordentlich Wellengang jedenfalls noch nichts. Die Surfer hatten recht. Zurück am Strand lacht Hans Heinicke aus seinem wettergegerbten Gesicht. Der Mann Mitte sechzig ist immer noch fit wie ein Turnschuh. Nach der kleinen Ausfahrt sitzen die Kajakfahrer in seinem Restaurant Sunset Beach direkt am Wasser, und der Surflehrer erzählt eine Geschichte nach der anderen. Von seiner Übersiedlung von Hamburg auf die Insel vor mehr als 30 Jahren, vom Start mit der Surfschule 1987, von den vielen Weltcuprennen, die er mit organisiert hat, und von den ungezählten Wintermonaten, die er im Süden verbracht hat, etwa auf Hawaii, auf Barbados und auf den Kanarischen Inseln, wo er sich einst beim Surfen eine lebensgefährliche Verletzung zugezogen hat.

„Fahrt bloß nicht so weit raus“

Die Sache mit den Seekajaks hat Heinicke vor gut zehn Jahren angefangen, auf Wunsch des Tourismusservice Westerland, wie er sagt. Seither vermietet die Surfschule nicht nur Bretter, Boards, Wasserski und Kites, sondern auch knapp ein Dutzend Kajaks. Mit den Paddelbooten könnten die Gäste ganz prima Sylt erkunden, glaubt Heinicke. Viel zu erklären gebe es nicht, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker und Abenteurer. Wenn zwei Paddler auf dem Kajak sitzen, „dann der Stärkere vorne, und der Hintere lenkt“. Das habe er auf Hawaii so gelernt, alles ganz einfach.

Ein paar Tage später, nächster Versuch, diesmal bei Flaute. Die Nordsee zeigt sich von ihrer schönsten Seite, jedenfalls für Paddler. Das Meer ist fast topfeben und schimmert dunkelblau in der Sonne. Diesmal wollen wir von Westerland in Richtung Süden fahren. Heinickes Mitarbeiter sind wieder skeptisch. „Fahrt bloß nicht so weit raus“, heißt es. Die meisten Paddler bleiben unmittelbar vor der Surfschule.

Rast beim Campingplatz in Rantum

Der Start ist jetzt überhaupt kein Problem. Ein paar kräftige Paddelzüge und das Kajak saust los. Der Wind bläst ganz leicht von Nordwesten. Der Rückweg dürfte etwas beschwerlicher werden. Egal. Es ist eine ganz neue Perspektive. Der Sylter Strand aus zwei- oder dreihundert Meter Entfernung sieht völlig anders aus. Die Strandkörbe, die Bettenburgen direkt hinter der Promenade in Westerland, die Menschen – alles wirkt wie Spielzeug. Plötzlich taucht links sogar ein Schweinswal auf und verschwindet sofort wieder. Gelegentlich müssen wir tollkühnen Schwimmern ausweichen, die weit hinausgekrault sind. Wieder ein Schweinswal, diesmal rechts. Nach gut einer Stunde eine kurze Rast in Rantum beim Campingplatz. Dann geht’s zurück zur Surfschule.