Degerloch/Wangen - An der Tankstelle ist von der Verkehrswende – noch – nichts zu spüren. Alles geht seinen gewohnten Gang, sagt Friedrich Haag. Die Leute tanken wie eh und je Benzin und Diesel. Und auch seine Bekannten fragen ihn nicht, wie er sich seine Zukunft eigentlich vorstellt. Trotzdem sind die Tage dieser Antriebsart gezählt. Auf dem Weg zu Klimaneutralität sollen die fossilen Treibstoffe, also auch das, was aus Friedrich Haags Zapfsäulen fließt, aussortiert werden. Der 32-jährige Degerlocher sagt selbst, er hoffe, dass es relativ schnell komme, dass bei ihm keiner mehr fossile Kraftstoffe kaufen könne. Dass seine beiden Tankstellen in Stuttgart-Wangen und Stuttgart-Weilimdorf deshalb zumachen können, glaubt er indes nicht.
Friedrich Haag erinnert an die anderthalb Milliarden Fahrzeuge, die auf der ganzen Welt herumfahren. „Wir sollten Vorhandenes nutzen.“ Schließlich seien nicht die Motoren das Problem, sondern der Treibstoff. Deshalb glaubt der Degerlocher an synthetische Kraftstoffe, die mit erneuerbaren Energien hergestellt werden. Sie sind durchaus umstritten, denn es ist zum Beispiel fraglich, ob sie letztlich nicht doch mit Hilfe grauer Energie produziert würden. Haag verweist bei dieser Kritik auf die Wüste und die Sonnenkraft. Als neu gewählter Landtagsabgeordneter der FDP kann er sich dafür nun auch politisch einsetzen. Der erste Antrag ist versandt.
Er fährt einen E-Smart und einen Diesel
Er selbst fährt übrigens einen Diesel und einen E-Smart. In der Stadt sei das kleine E-Auto praktisch, doch der Tankstellen-Pächter ist überzeugt, dass das mit der E-Mobilität zu langsam gehen wird. Dass es weitere Standbeine braucht, „wenn uns das mit dem Klima wirklich wichtig ist“, sagt er.
In Sachen Standbeine wirkt Friedrich Haag ohnehin recht versiert. Dass er entspannt in die Zukunft seiner Tankstellen blickt, hat nämlich auch damit zu tun, dass er, als er die Tankstelle in Stuttgart-Wangen übernommen hat, ein Parallelgeschäft aufgezogen hat. Friedrich Haag spricht von einer Absicherung, „falls der Tag X kommt“ und das Geschäft mit Diesel und Super wegbricht. Was ja irgendwann passieren dürfte. Die 400 Quadratmeter, die er verwaltet, sind heute weit mehr als ein klassischer Tankstopp, bei dem es nebenbei auch etwas Getränke, Süßes und Zigaretten gibt. Friedrich Haag betreibt inzwischen nebenher einen kleinen Super- und einen Getränkemarkt. Da wartet sogar ein digitaler Weinberater, der Kunden Informationen zu Weinen aus der Region ausspuckt.
Schon als Schüler an der Tankstelle gejobbt
Dass das alles so gekommen ist, ist mit dem Werdegang von Friedrich Haag verknüpft. Der Degerlocher hat schon als Schüler an der Tankstelle im Ort gejobbt. Später hat er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht – ebenfalls an einer Tankstelle. Bevor er sich mit den beiden Tankstellen selbstständig gemacht hat, war er zunächst angestellt bei der Südramol, die die Ran-Tankstellen betreibt.
Und genau in dieser Zeit hat Haag bei einem Projekt mitgemacht, das sich mit der Zukunft der Tankstelle befasst hat. Heraus kam unter anderem der Ausbau des Shopgeschäfts. Übrigens eine Strategie, die auch die Großen fahren. Zum Beispiel Aral mit Rewe-to-go.
Als Friedrich Haag sich damals für den Beruf entschieden hat, „hat noch keiner über den Klimawandel geredet“, sagt er. Das ist inzwischen bekanntlich anders. Würde er heute alles wieder so machen wie damals? Friedrich Haag sagt: ja. „Mir gefällt das unheimlich gut.“ Der Querschnitt der Gesellschaft, der zu ihm an die Tankstelle komme. „Vom Obdachlosen bis zum Millionär“, sagt er.
Friedrich Haag sagt, es habe ihm viel Zuspruch im Wahlkampf eingebracht, dass er von der Basis sei, mitten im Berufsleben stehe. Und auch mit Gummistiefeln im Stall. Denn, noch so ein Standbein, Friedrich Haag betreibt im Nebenerwerb zusammen mit seinem Bruder Patrick Haag den Tegerhof in Stuttgart-Degerloch, bekannt für die Gänse und inzwischen auch für Luxusrinder.