Schöne Filmwelt: im Kino donnert eine Herde Dinosaurier über die Leinwand. Aber stimmt das Bild? Forscher rekonstruieren aus Spuren das Leben der Dinos.

Stuttgart - Der kleine Patchi hat es wirklich nicht leicht. Sein Vater ist zwar der unangefochtene Boss in der Pachyrhinosaurus-Herde, er selbst aber ist das kleine Nesthäkchen dieser Dinosaurier. So ziemlich alles geht bei ihm schief, immer wieder hänseln die anderen ihn. Am Ende aber wird der kleine Patchi selbst zum Boss und führt seine Herde erfolgreich durch drohende Gefahren. „Mit dieser Handlung können wir Familien in der kalten Jahreszeit gut in den Film „Dinosaurier 3-D – Im Reich der Giganten“ locken“, haben sich die Macher wohl gedacht. Schließlich erlebt Patchi seine Abenteuer in einer realistisch gezeigten Dinowelt, die Kinder und – Hand aufs Herz – natürlich auch Erwachsene fasziniert. Im Kino mag sich mancher Zuschauer allerdings fragen, wie denn Wissenschaftler aus ein paar Knochen und Fußspuren eine ganze Welt rekonstruieren können? Wie realistisch ist also der Film?

 

Woher wollen die Forscher zum Beispiel wissen, wie ein Pachyrhinosaurus aussah? Wie er sich bewegte? Ob er in Herden oder als Einzelgänger unterwegs war? Griff ein Tyrannosaurus wirklich – wie im Film dargestellt – ganz allein eine Herde anderer Dinos an? Kümmerten sich Dinosaurier überhaupt um ihren Nachwuchs? Bei dieser Frage denkt Daniela Schwarz-Wings vom Museum für Naturkunde in Berlin gleich an eine der größten Blamagen in der Dino-Forschung. Da hatten Wissenschaftler die Reste von Dino-Knochen auf einem Nest mit Eiern gefunden. Mit seinem kräftigen, eigentümlich geformten Schnabel konnte das Tier sicher sehr gut Eier knacken, vermuteten die Forscher. Offensichtlich hatten sie also einen Räuber auf frischer Tat geschnappt, der gerade das Nest einer anderen Dino-Art plündern wollte. Also hatte die Gattung auch gleich ihren Namen Oviraptor oder „Eierdieb“ weg.

Fehleinschätzung: Oviraptor war kein Eierdieb

„Damit lagen die Forscher allerdings ziemlich falsch“, erklärt die Dino-Spezialistin Daniela Schwarz-Wings. Als später nämlich weitere Fossilien andere Oviraptoren gefunden wurden, konnte die Gattung von der Anklage des Eierraubes freigesprochen werden – tatsächlich bewachten diese Dinos ihre eigenen Eier. Mit den starken Schnäbeln knackten sie vermutlich keine Eier, sondern Muschelschalen.

„Neue Funde können in der Dinosaurierforschung bisherige Theorien eben leicht widerlegen“, erklärt Benjamin Englich, der gerade an der Bonner Universität in dieser Disziplin promoviert. Schließlich basieren die Indizienbeweise oft genug auf mageren Hinweisen. Die Ausgräber müssen sich daher ein Nest mit Dino-Eiern pingelig genau anschauen: Liegen dort Eischalen, die offensichtlich zertreten wurden? Finden sich in der Nähe Pflanzenteile? Wenn ja, haben die Eltern vermutlich um die Eier Pflanzenreste gelegt, die langsam verrotteten und dabei die Eier wärmten. Genauso machen es Krokodile noch heute. „Um selbst zu brüten, waren einige Dinosaurier einfach zu schwer“, vermutet Benjamin Englich. Das zeigen zum Beispiel ganze Kolonien mit Nestern von sehr großen Sauriern, in denen kein einziges Ei zerdrückt und keine Eischale zertreten ist. Wären die riesigen Tiere in dieser Kolonie gewesen, hätten sie sicher ab und zu ein Ei oder die Schale einer bereits geschlüpften Brut zertrampelt.

Eierschalen als Infoquelle

Andererseits zeigen Eischalen, die von kleinen Füßen zertreten wurden, dass der Nachwuchs nach dem Schlüpfen offensichtlich längere Zeit im Nest blieb und in dieser Zeit ab und zu auf seine Eischale tappte. In dieser Zeit aber sollte sich zumindest ein Elternteil um die Kleinen gekümmert haben. „Bei vielen heute lebenden Krokodilen kümmert sich die Mutter intensiv um den Nachwuchs und verteidigt ihr Nest mit Zähnen und Krallen“, erklärt Daniela Schwarz-Wings. Mit Hilfe solcher Beispiele aus verwandten Tiergruppen versuchen die Forscher, ihre Funde sozusagen „zum Leben zu erwecken“.

Manchmal überdauern auch versteinerte Spuren von Dinos bis heute. „Gemeinsam mit Bodenmechanikern können wir daraus und aus den Knochen unwahrscheinlich viel herauslesen“, berichtet Benjamin Englich. Wurzelreste und die Struktur des Bodens verraten, ob die Tiere durch einen Bach oder durch das flache Wasser am Ufer eines Sees gelaufen sind. Mit diesem Wissen kann man die Kräfte genauer bestimmen, die beim Entstehen der Spur gewirkt haben.

Fußabdrücke liefern viele Hinweise

Aus der Länge des Fußabdruckes versuchen die Forscher die Länge des Beines grob zu schätzen. Diese erlaubt Rückschlüsse auf die Körpergröße. Die Spuren liefern auch Hinweise auf das Tempo: Menschen und Tiere gehen langsam meist mit relativ breiten Schritten, je schneller sie laufen, umso schmäler wird die Spur. Die gesammelten Schätzdaten verarbeitet dann ein Computerprogramm, das zeigt, wie schnell ein Tyrannosaurus wohl rennen konnte. Und ob er mit diesem Tempo Patchis Herde erwischen konnte.

„Ob diese Pflanzenfresser tatsächlich in Herden unterwegs waren, sehen wir ebenfalls an den Spuren“, erklärt Englich weiter. Verlaufen die Spuren mehrerer Tiere längere Zeit parallel nebeneinander und biegen sie zusammen ab, ohne sich zu kreuzen, waren Dinos wie die Pachyrhinosaurier sicher gemeinsam unterwegs. Kreuzen sich die Spuren dagegen, liefen die Tiere wohl zu verschiedenen Zeiten nur auf ähnlichen Wegen, gehörten aber nicht zu einer Herde. Solche Spuren haben etwa die Tyrannosaurier hinterlassen. Sie jagten also wohl tatsächlich als Einzelgänger die Herde von Patchi – genau wie es der Film auch zeigt.

Frühe Federn

Federn
Noch näher als die Krokodile sind die Vögel mit den Dinosauriern verwandt. Tatsächlich haben Forscher bei Dinofossilien auch Hinweise auf Federn gefunden. „Vor allem die Fleischfresser hatten anscheinend Federn“, berichtet die Daniela Schwarz-Wings vom Berliner Naturkundemuseum. So zum Beispiel auch der Oviraptor, der vermutlich mit den Federn an seinen Vorderbeinen sein Gelege warm hielt.

Farbe
Die Federn der frühen Dinosaurier wärmten aber nicht nur, sie waren womöglich auch Schmuck und machten die Tiere für das andere Geschlecht attraktiver. Als die Forscher nämlich die versteinerten Spuren der Federn im Raster-Elektronenmikroskop untersuchten, fanden sie Strukturen, die frappierend an Melanosomen erinnern. Diese Miniorgane in den Zellen geben den Federn heute lebender Vögel ihre Farbe.

Muster
Für diese Federfarben ist Kupfer sehr wichtig. An der Konzentration des Kupfers und seiner genauen Lokalisation können die Forscher dann auch bei Fossilien Melanosomen voneinander unterscheiden. Das verrät ihnen zwar keine Farbe, aber immerhin, ob die Feder gemustert war. So hatte der Urvogel Archaeopteryx Federn mit einem dunklen Rand und hellerer Innenfläche, wie Forscher herausgefunden haben.