Das schöne Wetter und die Ausgehlust der Leute führen zu brenzliger Nähe. Der Wirt des Palasts der Republik appelliert nach dem Ansturm an die Vernunft der Gäste. Die Stadt will Parkplätze temporär der Außengastro überlassen.

Stuttgart - Im Netz wird Stefan Schneider, seit 27 Jahren Chef des Palasts der Republik, gefeiert. „Er hat mitgedacht, es ging ihm nicht darum, möglichst viel zu verdienen“, ist zu lesen. Am ersten Abend des Neustarts der Gastronomie hat der Wirt gegen 18.30 Uhr den Ausschank im ehemaligen Klohäuschen unweit des Metropolbaus freiwillig geschlossen. Weil nach Geschäftsschluss immer mehr auf ein Feierabendbier vorbeischauten, darunter waren etliche Anzugträger aus der nahen Börse, fürchtete der Betreiber, nicht mehr Herr des Ansturms zu werden. „Ich will kein zweites Ischgl“, sagt er. Deshalb machte er vorzeitig Feierabend. Die Gerüchte, die Polizei habe dies angeordnet, stimmen demnach nicht.

 

„Die Lage ist für uns ernst“, sagt er am nächsten Tag, „wenn wir jetzt jeden Abend um 18 Uhr schließen müssen, wird der Betrieb unrentabel, und wir müssen bei wachsenden Verlusten für immer zumachen.“ Eindringlich appelliert er an seine Gäste, umzudrehen, wenn sie sehen, dass es voll ist. Auf der anderen Seite der Theodor-Heuss-Straße war am selben Abend in der California Bounge wenig los. Wirt Oliver Joos hätte sich über ein paar Gäste mehr gefreut. „Bei uns war genügend Platz“, berichtet er. Wieder einmal zeigte sich: Die Menschen wollen dorthin, wo alle sind. Der Herdentrieb ist in der Coronakrise nicht verschwunden.

Palast darf dank der Konzession für Speisen öffnen

Stefan Schneider kann verstehen, „dass die Leute nach so langer Zeit raus wollen und dorthin gehen, wo sie bekannte Gesichter treffen können“. Doch der Palast werde weiterhin darauf achten, dass die Abstandsregeln strikt eingehalten werden. Sollte ein Alkoholverbot in der Außengastro kommen, weil man damit den Andrang eindämmen will, „wäre dies auch unser Tod“. Der Szenetreff lebt vom Bierkonsum.

Warum durfte der Palast als Getränkeausschank öffnen, was anderen Bars verwehrt wird? „Wir haben auch eine Konzession für Speisen“, erklärt der Wirt Schneider, „in unserem Vorgängerlokal, dem Musentempel, gab es Pommes.“ Laut Verordnung des Landes dürfen nur Restaurants mit Speisen unter strikter Einhaltung der Hygienevorschriften vor Ort bewirten und nicht nur Gerichte zum Mitnehmen verkaufen. Um Infektionsketten nachvollziehen zu können, müssen die Namen der Gäste, das Datum samt Telefonnummer oder Adresse festgehalten und dürfen erst vier Wochen später gelöscht werden. Wer sich weigert, seine Daten anzugeben, muss zum Gehen aufgefordert werden.

Dehoga lobt: Die meisten Gäste sind verantwortungsbewusst

Tobias Zwiener, der Geschäftsführer des des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Baden-Württemberg, lobt die ersten Gäste nach dem Comeback der Restaurants. „Die meisten verhalten sich absolut verantwortungsbewusst, halten Abstand und vermeiden Engen“, sagt er unserer Zeitung. Noch sei es zu früh, um Bilanz zu ziehen, ob sich die Neueröffnungen unter Corona-Regeln für die Betriebe lohnten: „Am ersten Tag war es bei den einen voll, bei anderen gar nicht.“ Etliche Gäste würden Außenbereiche bevorzugen, weil die als sicherer vor Ansteckung gelten als Innenräume.

Zwiener begrüßt, dass es in Baden-Württemberg – anders als in Bayern, wo Biergärten um 20 Uhr schließen – keine Einschränkungen bei Öffnungszeiten gibt. Theoretisch könnte ein Lokal wie der Palast wie bisher bis 4 Uhr morgens öffnen. Baden-Württemberg hat auch keine Richtlinien erlassen, wie viele Gäste in einen Betrieb dürfen.

Sky Beach ist mit dem Neustart zufrieden

Während der Partygrieche Cavos weiterhin geschlossen bleibt, auch im Außenbereich, weil das Konzept unter Corona-Regeln nicht möglich sei, ist der Sky-Beach zufrieden mit dem Neustart. „Wir hatten schon früher Kontrollen am Eingang“, berichtet Betreiber Lothar Müller, „und die achten auch jetzt darauf, dass nicht zu viele gleichzeitig auf dem Kaufhofdach sind.“ Der mit Sand aufgefüllte Platz sei so groß, dass man ohne Probleme Abstand halten könne. „Wir haben die großen Sitzteile rausgenommen“, sagt der Chef, „Liege stehen weit auseinander.“ Bei ihm ändere sich also nicht viel im Vergleich zu früher – außer, dass man beim Anstehen vor der Essen- und Getränkeausgabe in sicherer Entfernung bleiben und man dort wie am Eingang Masken trägt, während man seine Kontaktdaten hinterlässt. Auch beim Gang zur Toilette müssen Mund und Nase bedeckt sein.

Stadt hat keine speziellen Empfehlungen für Hotspots

Wie geht es weiter an Orten, die anziehend auf Massen sind, etwa beim Marienplatz oder Wilhelmsplatz? Die Stadt hat keine Empfehlungen speziell für Hotspots, verweist aber auf die allgemeinen Regeln, also auf den Mindestabstand von anderthalb Metern und die Maskenpflicht im Einzelhandel „Die Betreiber müssen selbst auf die Einhaltung dieser Regeln achten“, sagt Stadtsprecher Martin Thronberens, „im Rahmen unserer Kapazitäten kontrollieren wir.“ Allerdings seien diese Kapazitäten meist in anderen Aufgabenbereichen gebunden.

Parkplätze sollen temporär der Außengastronomie dienen

Die Außengastronomie soll temporär bisherige Parkplätze ohne großen Aufwand nutzen dürfen. Dies hat am Dienstag der Technik-Ausschuss beschlossen – auf Antrag des Linksbündnisses. Die temporäre Ausdehnung soll helfen, enge Bestuhlung zu vermeiden und genügend Gäste zu ermöglichen. Wirte könne Anträge stellen, müssen aber die Verkehrssicherung gewährleisten und dürfen keine Zäune aufstellen.

Palast-Chef Stefan Schneider hat sich am Dienstag mit Polizei und dem Ordnungsamt zusammengesetzt, um zu beraten, wie ein großer Andrang vermieden werden kann. Mehr Absperrungen und mehr Ordner sind nun geplant. Der Wirt ist, was Corona betrifft, vorsichtig. Erst nach einer Odyssee war er aus dem Ibiza-Urlaub zurückgekehrt und hatte appelliert: „Stay at home“. Jetzt sagt er: „Kommt zum Palast, aber bitte nicht alle gleichzeitig, sonst muss ich schließen.“ Die Grünen und die Linken im Rathaus regten an, die Lautenschlagerstraße in dem Abschnitt dauerhaft zu sperren.