Die 13 ist für Harald Wohlfahrt eine Glückszahl. Mit der 13. Dinnershow in Stuttgart macht das Palazzo fast alles richtig. Ein bunter Nationenmix der Künstler rühmt die Vielfalt in fremdenfeindlicher Zeit: Alle sind anders und werden eins. Gleichzeitig hat die Furcht vor Trump die Premierengäste erfasst.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Mit einem „Albtraum“, sagt Fußballeuropameister Hansi Müller, ist er am Mittwoch aufgewacht – und der Albtraum ist geblieben. Im Palazzo-Spielgelpalast ist vielen am Abend nicht nach Feiern zumute. Schock, Zukunftsangst, ein Wahnsinn, der vollkommen ist – das sind Schlagworte, die man zur US-Wahl auf dem Wasen hört. Manuel Kloker, Designer des Modelabels einelinie, fühlt sich „wie Marty McFly“: Zurück in die Zukunft gehe es jetzt – in Zeiten, von denen man glaubte, sie überwunden zu haben.

 

Nehmen sich der Ball-Jongleur Andreas Wessels und der Sänger Aron Eloy, die beiden Gastgeber der neuen Palazzo-Show „Global Players“, etwa den neuen US-Präsidenten Donald Trump zum Vorbild? Zu den Rhythmen von „Rocky“ marschieren sie zum Duell am Ping-Pong-Tisch ein. Auch hier gilt: Wer täuscht, siegt. Wessels trickst, indem er die Tischtennisbälle mit dem Mund auffängt und zurückspielt – nicht ganz regelkonform.

Die unzähligen Kerzen auf allen Palazzo-Tischen sind keine flackernden LED-Leuchten mehr, wie man dies in früheren Gastspielen erlebte – ohne Tricksen leuchtet es sich halt umso schöner. Die Kerzen sind echt. So echt und real wie die Kunst der rund um den Globus beheimateten Artisten: Etwa aus Hawaii, Mexiko, Brasilien, Australien oder der Ukraine sind sie angereist.

Harald Wohlfahrt denkt über seine Nachfolge nach

So viele Weltklasse-Nummern in nur einer Show hat man schon lange nicht mehr im varietéverwöhnten Stuttgart gesehen. Die glanzvolle, mitunter gediegene Bespaßung funktioniert allein schon, weil ihr musikalisches Fundament so cool ist.

Die Band Sidewalkers ist die halbe Miete. Sie nimmt sich virtuos zurück, wenn das Essen kommt, wenn also die vier wichtigsten Gründe zelebriert werden, warum die Menschen so gern ins Palazzo kommen – vier Gänge von Harald Wohlfahrt, Deutschlands bestem Koch. Jedes Jahr lässt er sich neue Raffinessen einfallen. Mit marinierten Roastbeef-Röllchen geht es los und endet mit Vanilleparfait. Bereits zehn Prozent der Gäste wählen die fleischlose Variante – diesmal sind Arborio-Risotto und glasierte Spitzmorcheln der vegetarische Hauptgang.

Kein anderer deutscher Koch hat so viele Auszeichnungen wie der 61-jährige Wohlfahrt. In Kürze erscheint der neue Michelin-Führer. Wenn der Mann aus dem Schwarzwald dann wieder mit drei Sternen ausgezeichnet wird, strahlen diese seit 25 Jahren über seiner Küche – ein einzigartiges Jubiläum. Erstmals hat er über seine mögliche Nachfolge öffentlich gesprochen. Nach 47 Jahren im Beruf sei es klug, sich dazu Gedanken zu machen. Sein Sous-Chef Torsten Michel, so ließ er wissen, werde auf eine entsprechende Funktion kommen, um ihm folgen zu können. Wann das sein wird, sagt er freilich noch nicht. „Das hängt davon ab, wie lange mich Heiner Finkbeiner behält“, sagt Wohlfahrt. Hotelier Finkbeiner ist in Baiersbronn sein Chef.

Der ukrainische Equilibrist balanciert auf einer Hand

„Meine Damen und Herren, willkommen an Bord, wir haben nun die Flughöhe erreicht.“ In der neuen Palazzo-Show, die zum Global-Trip wird, tauchen immer wieder Flugkapitäne und Flugbegleiter auf. Doch die Inszenierung des Flughafen-Flairs ist nur angedeutet – nach dem Regiewillen von Karl-Heinz Helmschrot, der als einer der wichtigen Anstifter der Varieté-Renaissance in Deutschland gilt. Der rote Faden wird von allen Beteiligten oft zu schnell aus den Augen verloren. Andererseits: ohne das Korsett einer durchgängigen Idee können sich die Künstler freier entfalten.

Der irrwitzige Clown Kotini Junior aus der Ukraine vereint Breakdance mit Yoga. Sensationell ist der Synchrontanz am Luftring vom US-Frauenduo Lyrical Lyra. Conférencier Andreas Wessels, der mit sechs Fußbällen gleichzeitig jongliert, stöhnt: Für einige Nummern habe er 20 Jahre gebraucht. Nun sei er mit 43 Jahren zu alt, um sie zu spielen.

Der ukrainische Equilibrist Pavel Stankevych formt mit seinem muskulösen Körper außergewöhnliche Figuren, während er nur auf einer Hand balanciert. Die Adole Brothers aus Äthiopien führen schwindelerregende Salti und Überschläge vor. Der liegende Artist schleudert seinen Partner mit den Füßen durch die Luft. Das Premierenpublikum (dabei: Ex-Nationalspieler Karlheinz Förster, Boxweltmeisterin Alesia Graf, Fecht-Weltmeister Alexander Pusch, Ballett-Intendant Eric Gauthier, Designer Tobias Siewert, Promifotograf Christof Sage, Lotto-Fee Chris Fleischhauer, Verlegerin Karin Endress, Unternehmer Uli Endress, Flughafenchef Georg Fundel) ist begeistert und vergisst die USA.

Brandon Rabe lässt das gesamte Publikum mit sich zaubern. Jeder Gast hat eigene Spielkarten bekommen – und kann am Ende, sofern die Magie stimmt, eine zerrissene Karte zusammenfügen. So schnell wird das zerrissene Amerika nicht zusammenfinden.