Bushra Al-Maktari und Gui Minhai bekommen den Johann-Philipp-Palm-Preis 2020 verliehen. Bushra Al-Maktari will den Opfern des Kriegs in Jemen eine Stimme geben. Sie hat sich für ihre Recherchen in große Gefahr begeben.

Schorndorf - „Jetzt schreibe ich wieder im Kerzenschein, wie damals, zu Kriegsbeginn. Das Dröhnen der Explosionen schwillt an, die Fenster meiner Wohnung klirren.“ Diese Sätze stammen aus dem Vorwort, das Bushra Al-Maktari zu ihrem Buch „Was hast du hinter dir gelassen?“ verfasst hat. Zwei Jahre ist die Aktivistin und Schriftstellerin durch ihre Heimat Jemen gereist, um mit den Opfern eines Bürgerkrieges zu reden, den kaum jemand auf dem Schirm hat. Für ihren Einsatz bekommt die 41-Jährige den zehnten Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit verliehen.

 

Bushra Al-Maktari hat mit 400 Überlebenden des Krieges geredet

Mangels Möglichkeit kommen keine Flüchtlinge aus dem Jemen nach Europa, und damit auch nur wenige Informationen über den seit fünf Jahren schwelenden Krieg zwischen Rebellen und Regierungstruppen. „Das Buch ist ein Versuch, die Opfer zum Sprechen zu bringen, ihnen eine Stimme zu geben“, schreibt Bushra Al-Maktari, die erzählen möchte, was in ihrem Land passiert. Für ihre Recherchen hat sich die Autoren erheblicher Gefahr ausgesetzt, hat Frontlinien überquert, Gespräche mit mehr als 400 Überlebenden geführt, 40 Protokolle verfasst. „Sie hat Außergewöhnliches geleistet. Sie hat nie Partei ergriffen, sich nicht instrumentalisieren lassen“, sagte die Schweizer Journalistin Monika Bolliger, die das Buch von Bushra Al-Maktari aus dem Arabischen übersetzt hat, via Skype bei der offiziellen Verkündigung der Preisträger.

Faktencheck-Plattformen als neue Vorschläge

16 Vorschläge für Preisträger waren bei der Schorndorfer Palm-Stiftung eingegangen. „So ein breites, hervorragendes Feld hatten wir noch nie“, sagt Ulrich Palm, der als Mitglied der Familie Palm dem Kuratorium angehört. Zwei Schwerpunkte habe es gegeben. So wurden zwei Plattformen für Faktenchecks vorgeschlagen. „Das ist eine neue Entwicklung“, sagt Palm. Zudem seien drei Vorschläge für Preisträger aus China und Hongkong eingegangen. Einer von ihnen wurde nun ebenfalls mit dem Preis bedacht, der mit insgesamt 20 000 Euro dotiert ist: der 1964 in China geborene Buchhändler und Verleger Gui Minhai. „Sein Lebenslauf hat mich berührt, weil es Paralleln zu Johann Philipp Palm gibt, der ebenfalls Buchhändler war“, sagt Ulrich Palm.

Gui Minhai hat das politische System Chinas angeprangert

Gui Minhai sitzt derzeit in seiner Geburtsstadt Ningbo in Haft. Eigentlich aber ist Minhai seit 1992 schwedischer Staatsbürger, die Umstände seiner insgesamt zwei Verhaftungen haben deswegen schwere diplomatische Verwerfungen nach sich gezogen. Das erste Mal ist er aus seinem Feriendomizil in Thailand nach China verschleppt, das zweite Mal aus einem Zug entführt worden – obwohl er dort in Begleitung von Mitarbeitern des schwedischen Konsulats war.

Gui Minhai hat vor acht Jahren in Hongkong einen Verlag gegründet, der spezialisiert ist auf die Politik der kommunistischen Partei Chinas und das Privatleben führender Politiker. Er selbst hat unter einem Pseudonym Bücher über Skandale chinesischer Politiker verfasst. „Er hat in mehr als 200 Büchern das politische System angeprangert“, sagt Palm. Weitere Buchhändler, die mit Minhai zusammen verhaftet wurden, seien inzwischen frei. Minhai wurde vor zwei Jahren das letzte Mal in der Öffentlichkeit und von seiner Familie gesehen. Am 25. Februar dieses Jahres verurteilte ihn ein chinesisches Gericht zu zehn Jahren Haft, weil er geheime Informationen illegal im Ausland preisgegeben haben soll.