Die Palm’sche Apotheke am Marktplatz von Schorndorf feiert ihr 375-jähriges Bestehen. Sie hat die Stadt sowie die Geschichte einer Familie geprägt – und vor 40 Jahren großen Disput ausgelöst.

Schorndorf - Das imposante Haus mit dem grauen Fachwerk gehört zu den Gebäuden Schorndorfs, die das Stadtbild prägen. Aber nicht nur wegen ihrer herausragenden Fassade ist die Palm’sche Apotheke am Marktplatz etwas ganz besonderes – dieses Jahr wird ihr 375-jähriges Bestehen gefeiert. Denn am 24. August 1644 hat Johann Philipp Palm das Grundstück erworben, auf dem noch heute die Palm’sche Apotheke steht.

 

Schon zuvor hatten Palms in Schorndorf gewohnt und schon zuvor hatte Johann Philipp Palm als Geselle bei einem Apotheker in Pforzheim gearbeitet. „Aber wir haben ein Datum gewählt, das belegbar ist“, sagt Annette Krönert, Nachfahrin jenes ersten Apothekers Palm in Schorndorf und Vorstandsmitglied der Palm-Stiftung.

Palm verkaufte Weinberge, um die Apotheke bauen zu können

Von dem heute so hübschen Fachwerkhaus war damals allerdings noch nichts zu sehen – das Vorgängergebäude war während des Dreißigjährigen Krieges bis auf die Grundmauern abgebrannt. Johann Philipp Palm verkaufte Weinberge und schließlich gar sein Elternhaus, um den Hausbau finanzieren zu können. Eine kluge Entscheidung: „Als Apotheker, als Gesundheitsdienstleister hat er sicherlich vom Dreißigjährigen Krieg profitiert“, sagt Annette Krönert, die sich für das Jubiläum durch unzählige Unterlagen und Handschriften der Familie gewühlt hat.

Die Geschichte der Dynastie ist beeindruckend. Bis heute gab es in der Apotheke nur zwei „fremde“ Apotheker: Von 1946 bis 1950 wurde ein Vertreter beschäftigt, als Johann-Philipp Palm studierte. Dessen Frau Maria Palm ist vor elf Jahren gestorben – seitdem ist Erich Poppe der Inhaber der Palm’schen Apotheke.

Der Johann-Philipp-Palm-Preis erinnert an einen meinungsstarken Familienspross

Das Gebäude selbst gehört allerdings der Palm-Stiftung, die unter anderem dafür bekannt ist, dass sie den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit vergibt. Mit diesem wird ein Familienspross gewürdigt, der wegen seiner Kritik an der imperialen Politik Napoleons zum Tode verurteilt wurde. Politisch aktiv waren auch viele andere Palms: Einige engagierten sich als Bürgermeister in Schorndorf, Klara Palm zog 1922 als erste Frau in den Stadtrat ein.

So konstant ihre Besitzverhältnisse waren, so wechselvoll war die Geschichte des Gebäudes. Jenes war so oft um- und ausgebaut worden, dass seine Statik irgendwann völlig aus den Fugen geraten war. Zudem ruhte es nicht auf den meterdicken Mauern seines Vorgängers, sondern auf losem Bauschutt und sehr dünnen Kellerwänden.

Die Sanierung in den 1970er Jahren war höchst umstritten

Das alles hatte sich Mitte der 1970er Jahre herausgestellt, als die Apotheke wegen einer neuen Apothekenbetriebsordnung wieder einmal umgebaut werden sollte. Maria und Johann-Philipp Palm entschieden sich dafür, das Gebäude komplett abzubauen, das Fachwerk zu restaurieren und als Fassade in den Neubau einzubringen. „Das hat einen öffentlich geführten Grabenkampf ausgelöst und einen einjährigen Baustopp: Die einen forderten eine materialechte Erhaltung, die anderen sahen eher die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit“, sagt Annette Krönert. Zuletzt gab das Land Baden-Württemberg den Bauherren Recht – und so befindet sich heute hinter dem von Spätrenaissance/Barock geprägten Fachwerk ein funktionaler Apotheken- und Ärztebau.

Erich Poppe ist erst der zweite „fremde“ Apotheker

Mitverändert hat sich im Laufe der Jahrhunderte auch das Arbeiten in der Apotheke. Wo sich mittlerweile die Johann-Philipp-Palm-Schule befindet, lag einst ein großer Apothekergarten, Tinkturen und Medikamente wurden selbst produziert. Noch bis 1969 gab es sogar eine eigene Arzneimittelfabrik, die das Abführmittel „Pasta Palm“ herstellte. „Wir legen immer noch Wert darauf, Rezepturen selbst herzustellen“, sagt Erich Poppe, der seit 1984 als Apotheker tätig ist und viele Veränderungen erlebt hat: Generika und Importe, Rabattverträge der Kassen, Computersysteme – all das bestimmt den Alltag der Apotheke.

Und trotz ihrer langen Geschichte: „Der Fortbestand der Apotheke ist nicht gottgegeben. Wir müssen tagtäglich dafür arbeiten“, sagt Erich Poppe, der in der Kompetenz und der Freundlichkeit seiner Mitarbeiter, in einer gewissen Spezialisierung sowie in der umfangreichen Rezeptur den Schlüssel zum Erfolg sieht.