Der Panikforscher Michael Schreckenberg hat die Loveparade in Duisburg mit vorbereitet und vor Gefahren gewarnt.

Kultur: Stefan Kister (kir)
Duisburg - Nach der Katastrophe gerät auch der Gutachter Michael Schreckenberg in Bedrängnis. Er gibt die Verantwortung aber an die Veranstalter weiter.

Herr Schreckenberg, ist die Zahl der Loveparade-Besucher unterschätzt worden?


Die Beteiligung war geringer als berichtet worden ist. Es waren maximal 250.000 Teilnehmer zum fraglichen Zeitpunkt auf dem Gelände. Auf dem eigentlichen Festgelände war die Lage vollkommen unter Kontrolle. Auch in der Stadt. Das Problem entstand unten im Tunnel, wo es auf die Rampe geht. Da gab es ein Konzept des Veranstalters, mit dem haben wir aber nichts zu tun. Ich habe nur an dem Konzept mitgearbeitet, wie die Massen durch die Stadt zum Veranstaltungsort geleitet werden. Offensichtlich gab es zu viele Personen im Tunnel. Das Konzept, das man uns vorgestellt hat, bestand darin, die Menge vorher zu stoppen - wenn die Dichte entsprechend groß würde.

Wie lässt sich so etwas feststellen?


Da gab es Kameras vom Veranstalter, die haben aber nicht funktioniert, die Polizei hat meines Wissens nicht gemessen. Es haben dann Personen versucht, auszuweichen und eine abgesperrte Treppe hochzugehen. Wie das genau zuging, wird die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Warum sind Sie da nicht im Vorhinein eingeschritten?


Das Gesamtkonzept der Stadt war perfekt vorbereitet. Für das Veranstaltungsgelände gab es eigene Gutachter, da war ich gar nicht involviert. Ich war nur für die Stadt und das Umfeld zuständig, da ist ja auch nichts passiert. Die Rampe gehört zum Veranstaltungsgelände, und da wurde es ausdrücklich gewünscht, dass die das selber machen.

Was hätte man aus Ihrer Sicht anders machen müssen?


Nach Lage der Dinge hätte man die Treppe vorher sprengen oder wenigstens unzugänglich machen müssen. Man hätte außerdem den Tunnel früher schließen müssen, dass die Dichte nicht zu groß wird. Das Tunnelmanagement hätte die Prozesse, die da abgelaufen sind, besser berücksichtigen müssen. Dazu hätte auch gehört, der Stimmung Rechnung zu tragen und die Teilnehmer besser zu informieren. Man hätte Durchsagen machen müssen, dass die Leute auch über Notausgänge auf das Gelände kommen können. Dadurch wäre der Druck abgebaut worden.

Wer trägt daran die Schuld?


Das werden die Ermittlungen ergeben. Ich bin mir jedenfalls sicher, wenn die Treppe nicht zugänglich gewesen wäre, wäre nichts passiert.

Lassen sich solche enormen Menschenmassen überhaupt steuern?


Es sind letztlich immer Einzelne, an denen es hängt: jemand bückt sich, andere fallen über ihn, und schon kann das unübersehbare Folgen haben. Deshalb kommt es immer darauf an, die Dichte gering zu halten. Das ist in Duisburg nicht geglückt, obwohl es die Vorgabe für die Benutzung des Tunnels war: die Menschen in der Stadt aufstauen, nicht im Tunnel.

Welche Konsequenzen sind nun daraus zu ziehen?


Die erste Konsequenz ist, dass die Loveparade nicht mehr stattfinden wird. Es handelt sich dabei ja auch um eine sehr spezielle Gruppe, sehr mobil und risikofreudig. Wir hatten vor kurzem drei Millionen Menschen auf der A 40. Die waren völlig entspannt. Da ging alles glatt.