Es wird Zeit, dass die Fußball-EM endlich beginnt – denn dann steht das Sammeln der Panini-Sammelbildchen nicht mehr im Mittelpunkt, sondern der Sport. Die Vorbereitungszeit war für die ganze Familie nervenaufreibend und kostenintensiv.
Stuttgart - Endlich geht es los. Wenn am Sonntagabend die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in das EM-Turnier startet, liegt hinter vielen Eltern fußballbegeisterter Jungs und Mädchen eine nervenaufreibende und kostenintensive Vorbereitung: Denn seit Wochen grassiert der Panini-Sammelwahn. Im April ging es schon los. So ein Panini-Heft ist ja schnell gekauft, nur ein paar Euro - gar nicht teuer, denkt die ahnungslose Mutter eines F-Jugend-Nachwuchskickers. Und so ein paar Karten dazu, dann ein bisschen sammeln und schon hat man ein EM-Nachschlagewerk, in dem man alle Mannschaften und Spielpläne während der vier Turnierwochen nachschauen kann. Man ist immer informiert und kann mit Fußballwissen glänzen. Super Sache.
Das Taschengeld geht drauf, sogar das Sparschwein wird geplündert
Die Entscheidung entpuppt sich aber als zu kurz gedacht. Die ganze Tragweite ist schnell erkannt: 50er-Päckchen auf 50er-Päckchen werden gekauft, für jeweils knapp 6,40 Euro. Die Enttäuschung beim Auspacken ist meist groß, denn häufig sind es doppelte Sammelkarten, die bereits im Heft kleben. Die Besuche beim Kiosk häufen sich, der Sohn kommt auffällig gerne mit zum Einkauf. Nach vielen kostenintensiven Kiosk-Besuche entscheiden die Erziehungsberechtigten einstimmig: Ab sofort muss das Taschengeld herhalten. Kein Problem, meint der Achtjährige. Sogar das Sparschwein wird geplündert.
Das eigene Album mit den 680 Stickern zu füllen, ist nicht nur schwierig - es kann auch teuer werden. Ein Mathematik-Professor hat ausgerechnet: Fleißige Sammler müssen im Schnitt rund 500 Euro bezahlen, um alle Bilder in ihr Album kleben zu können. Das italienische Unternehmen Panini kann auf eine lange Tradition zurückgreifen, das erste Sammelalbum wurde bereits 1961 herausgegeben. Die Klebebildchen sind unter Sammlern so begehrt, dass schon einmal Summen von 300 bis 800 Euro für vollständig beklebte Sammlerhefte der älteren Generation gezahlt werden. Die Tauschbörsen im Internet und auf Ebay florieren - auch für das aktuelle EM-Sammelalbum. „Wenn man gut organisiert ist, kann man den Preis auf ungefähr 100 Euro reduzieren“, sagt der Organisator einer Tauschbörse in Hamburg. Auch der Mathematik-Professor rät zum Tauschen.
An vielen Grundschulen sind Tauschaktionen verboten
Da hat er seine Rechnung aber ohne die Schulleiter gemacht: Tauschaktionen auf dem Schulhof des Sohnes sind verboten – der Grund: Das nehme überhand, sorge für Unruhe und störe auch den Unterricht. In einer Esslinger Grundschule hat die Leidenschaft für Panini-Bildchen völlig überhand-genommen. Dort hat eine Erstklässlerin stolze 50 Euro für drei Karten gezahlt. Der Schulleiter hat deshalb ein Sammelverbot auf dem Schulgelände verhängt.
Ein paar Tage vor EM-Start kommt leichte Panik auf: Noch immer gibt es viele Lücken im Heft. Glücklicherweise tragen einige Kollegen ein ähnliches Schicksal. Zwischen den Konferenzen kursieren die Listen mit den fehlenden Kartennummern der Kinder. Die Kollegin C. ist im letzten Moment wenige Tage vor EM-Start selbst auf den Geschmack gekommen, muss also viel nachholen, kauft den Markt leer und reißt sich einige der fehlenden Karten unter den Nagel. Welche Enttäuschung beim Sohn, aber mit Niederlagen muss man bekanntlich lernen umzugehen. Das kennt man ja schon von den samstäglichen Fußballspielen.
Was zählt ist aufm Platz – am Sonntag geht es endlich richtig los
Dennoch: Trotz Rückschlägen lief die EM-Vorbereitung gut. Bestens präpariert gehen wir in das Turnier. Schließlich erfordert das Sammeln und Einkleben von den Teilnehmern „höchschste Konzentration“ (das fordert Jogi Löw ja auch von seinen Spielern). Am Sonntag steht „La Mannschaft“ endlich real auf dem Platz. Mit Mario Gomez (den die Panini-Macher nicht auf dem Plan hatten und der erst gar nicht im Album auftaucht), dafür ohne Marco Reus (der als Nummer 256 bereits eingeklebt ist). Die Hoffnung ist groß, dass das Sammel- dann vom Fußballfieber abgelöst. Nach dem Anpfiff ist es schließlich egal, wie viele Panini-Bildchen noch fehlen. Denn wie sagt eine Fußballweisheit: was zählt ist aufm Platz.
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