Seit nunmehr fünfzig Jahren dient das Politmagazin „Panorama“ vielen als Vorbild - und legt sich dabei nicht nur mit der Regierung an .  

Stuttgart - Nach allen Seiten beißen: "Sturmgeschütz der Demokratie" hat Rudolf Augstein einst seinen "Spiegel" genannt. Willy Wimmer hat nun noch eins draufgesetzt: "Panorama" sei die "Schnellfeuerkanone" der Demokratie. Der Vergleich des CDU-Politikers vom Niederrhein klingt zwar ziemlich martialisch, und da das NDR-Magazin bloß alle paar Wochen auf Sendung geht, kann von "schnell" ohnehin keine Rede sein. Aber gemessen an all den Politikerschmähungen, die die Redaktion erdulden musste, ist Wimmers Aussage ein Lob aus berufenem Munde.

 

Am 4. Juni wird "Panorama" fünfzig Jahre alt, und weil "Report" zwar schon 1960 auf Sendung gegangen ist, damals aber noch "Anno" hieß, gratuliert der SWR-Chefredakteur und "Report Baden-Baden"-Moderator Fritz Frey dem "Silberrücken" unter den Politmagazinen: "Ebenso kraftvoll wie selbstbewusst; erfahrungssatt, aber mitunter ein bisschen grimmig dreinblickend." So spricht ein Kollege, der auch Konkurrent ist: "Panorama" war im vergangenen Jahr mit deutlichem Vorsprung Marktführer bei den Politmagazinen der ARD. Das könnte sich von Herbst an, wenn das Erste aufgrund der vielen Talkshows umstrukturiert wird, allerdings ändern. "Report" (SWR/BR) und "Fakt" (MDR) müssen derzeit noch am ungeliebten Montag ran, im Herbst wandern sie auf den Dienstag und profitieren dann von der Popularität des Seriendauerbrenners "In aller Freundschaft". Eine "Riesenchance", sagt Frey und kündigt an: "Wir werden alles daransetzen, sie zu nutzen."

"Panorama" steht für investigativen Journalismus

Gerade "Report", "Panorama" und "Monitor" (WDR) liefern sich seit Jahrzehnten einen gesunden Wettbewerb. Dennoch steht vor allem das dem gleichnamigen BBC-Klassiker nachempfundene "Panorama" für einen investigativen Journalismus, der in den sechziger und siebziger Jahren dem gesamten Berufsstand als leuchtendes Beispiel diente. Legendär ist eine Ankündigung, mit der Gert von Paczensky, der erste Leiter der Sendung, einen Beitrag anmoderierte: "Nun wollen wir uns noch ein wenig mit der Bundesregierung anlegen." "Panorama" legte sich aber auch mit anderen Medien an und kritisierte die Aufmacher der "Bild"-Zeitung. "Bild" schlug zurück, startete eine Kampagne gegen Paczensky und erreichte seine Absetzung.

Nachfolger wie Eugen Kogon, Joachim Fest und Peter Merseburger waren allerdings von ähnlichem Kaliber und genießen bis heute bei Journalisten hohen Respekt, selbst wenn "Panorama" in der Ära Willy Brandt (ab 1969) deutlich regierungsfreundlicher wurde. Zu alter Form fand die Redaktion wieder zurück, als es Mitte der Siebziger galt, gegen das Kernkraftwerk Brokdorf mobilzumachen. "Panorama" trug außerdem wesentlich zur Abdankung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bei.

Größtes Rätsel der ARD betrifft "Panorama"

In anderen Fällen zog die Redaktion jedoch den Kürzeren: 1974 musste "Panorama" auf Druck der ARD-Programmchefs einen Bericht von Alice Schwarzer über Abtreibungsmethoden aus der Sendung nehmen. 1988 ließ Oskar Lafontaine die Ausstrahlung eines Beitrags über seine angebliche Verstrickung mit dem Rotlichtmilieu verhindern und prägte damals den Begriff "Schweinejournalismus". 1978 hatte ein Bericht über Brokdorf zur Folge, dass die Regierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen den Rundfunkstaatsvertrag des NDR kündigten. 1998 stoppte die Telekom nach einem "Panorama"-Bericht alle Werbeaufträge für die ARD. Der Boykott dauert allerdings nur zwei Monate.

Auch eines der größten bis heute ungelösten Rätsel in der Geschichte der ARD betraf "Panorama": 1982 verschwand während einer Sendung ein Beitrag von Stefan Aust. Thema war der angebliche Landesverrat eines bayerischen Staatsschutzchefs, der eine eigene Terrorgruppe aufbauen wollte. Der Film ist nie wieder aufgetaucht.

Das Magazin, seine Geschichte und seine Erfolge

Buch: Zum Jubiläum hat die "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke ein Buch über die Geschichte des Magazins geschrieben: "Die Unbequemen. Wie Panorama die Republik verändert hat", erschienen im Redline Verlag, München. 224 Seiten, 19,99 Euro.

Marktanteile: Mit einem Marktanteil von 11,7 Prozent im Jahr 2010, das entspricht 3,08 Millionen Zuschauern, ist "Panorama" das meistgesehene Politmagazin in der ARD, gefolgt von "Monitor" und "Kontraste" (10,7 und 10,6 Prozent).