Der Unmut in Böblingen über die US-Armee war noch nie so groß wie im Moment: Seit der Lärmschutz im August vermeintlich verbessert wurde, erreicht der Schall der Schießanlage bei der Panzerkaserne auch weit entfernte Wohngebiete.

Böblingen - Dieter Schühle fühlt sich getäuscht. „Ich habe mich darauf verlassen, dass die US-Armee den Schießlärm dämmt. Das hat sie versprochen und das hat auch der Oberbürgermeister Wolfgang Lützner in seiner Neujahrsansprache so gesagt.“ Dieses Versprechen habe für ihn den Ausschlag gegeben, ein Haus auf dem Rauhen Kapf zu kaufen. Vor wenigen Monaten ist Schühle dort mit seiner Familie eingezogen. „Seitdem nehme ich mein Mittagessen im täglichen Sperrfeuer ein. So habe ich mir das nicht vorgestellt.“

 

Der Ärger seines Nachbarn Philipp Graupe ist noch größer. „Wir haben jahrelang geduldig gewartet. Wir wollen in Frieden mit unseren Nachbarn leben. Aber offenbar will dies die US-Army nicht. Es wird Zeit, dass auch wir aufhören, freundlich zu sein“, wettert er. Am meisten empört ihn, dass die Kinder auf dem Rauhen Kapf den Belastungen durch die täglichen Schießübungen ausgeliefert sind. „Sollen sich die Kinder etwa an den Kriegslärm gewöhnen?“ Spaziergänge in den Wald seien für die Kitagruppen praktisch nicht möglich. „Es ist so laut, dass die Kleinen nicht verstehen, wenn ihnen die Erzieherin etwas zuruft.“

Lärmschutzwand sorgt für Unmut

Der Unmut über den Schießlärm, den die rund 1000 Bewohner des Rauhen Kapfs schon seit mehr als 20 Jahren äußern, greift nun auch auf die Bürger anderer Wohngebiete über. Bis zum Marktplatz sei der Schall zu vernehmen, berichten Bürger, besonders klagen die Anwohner des Tannenbergs über das ständige Geballer. Auch sie formieren sich jetzt, wollen sich der Bürgerinitiative des Rauhen Kapfs anschließen. In Frederica Steisslinger haben sie eine streitbare Sprecherin gefunden. Diese Woche trafen sich Bürger beider Wohngebiete erstmals, um gemeinsame Aktionen zu planen.

Ausgerechnet die von allen lärmgeplagten Bürgern freudig begrüßte Lärmschutzwand, die die Amerikaner im Sommer des vergangenen Jahres errichteten, ist die Ursache für den wachsenden Unmut. Denn seit ihrer Fertigstellung ist es zwar in Schönaich ruhiger geworden. Der Schall jedoch wird von den Wänden direkt nach Böblingen geworfen – mit dem Ergebnis, dass es dort lauter ist als je zuvor.

Nachbesserungspläne lägen längst vor, versichert ein Mitarbeiter des CDU-Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger, der sich seit Jahren für den Lärmschutz einsetzt. Dies bestätigt auch Christine Kraayvanger, die Böblinger Baubürgermeisterin. Doch das Problem ist das Geld. Solange der US-Haushalt in Washington nicht genehmigt ist, werde kein Geld freigegeben, sagt Kraayvanger. Völlig unverständlich ist dies für Ulrich Durst, den Sprecher der Bürgerinitiative. „Die Amerikaner haben allein für ihre Schule 67 Millionen Euro ausgegeben. Jetzt wollen sie den Supermarkt erweitern. Und da soll kein Geld für Nachbesserungen für den Lärmschutz da sein?“

Die Stadt Böblingen wartet vergeblich auf einen Gesprächstermin

Wie hoch die Kosten sind, um die Lärmschutzwand nachzurüsten, kann weder die Stadt noch Binninger sagen. Doch es handele sich um Nachbesserungen, gibt der Binninger-Mitarbiter zu bedenken. So teuer könne das nicht sein.

Dieter Schühle macht eine Rechnung auf: „Wir, als Stadt und Kreis, investieren erheblich für die US-Army. Wir müssen die Panzerstraße ausbauen, weil der Verkehr mit dem Schulneubau erheblich zugenommen hat. Das sind einige Millionen Euro.“ Da wäre es doch auch angebracht, dass die US-Armee in den Lärmschutz für die Bevölkerung investiere. „Das ist doch ein gegenseitiges Geben und Nehmen.“

Von der US-Armee ist dazu auf unsere Anfrage keine Auskunft zu erhalten. Zuletzt hatte ein Sprecher im Februar unserer Zeitung schriftlich erklärt: „Sobald es eine Entscheidung gibt, werden wir diese bekannt geben.“ Zudem versprach er, dass „wir den Dialog mit den betroffenen Kommunen fortführen“. Doch die Stadt Böblingen wartet vergeblich auf einen Gesprächstermin. „Die US-Army lässt uns als Stadt genauso hängen wie Sie als Presse“, sagt der Böblinger Stadtsprecher Wolfgang Pfeiffer. Die Bürger wollen sich damit nicht abfinden. Sie fordern, dass der Oberbürgermeister Wolfgang Lützner aktiv wird. Demnächst wollen sie ihn im Rathaus besuchen.

Historie des Schießlärms

Schießtraining: Auf der Schießanlage, die im Wald in einem dicht besiedelten Gebiet zwischen Böblingen und Schönaich liegt, trainieren Sondereinheiten der US-amerikanischen Armee für ihre Kampfeinsätze im Nahen Osten. Sie werden aus der ganzen Welt eingeflogen. Den Schießstand selbst gibt es bereits seit vielen Jahrzehnten. Das intensive Training begann jedoch erst Mitte der 90er Jahre nach dem zweiten Golfkrieg.

Bürgerinitiative: Bereits im Jahr 1995 haben sich einige Anwohner des Rauhen Kapfs zusammengeschlossen, um sich gegen den Schießlärm zu wehren. Die Initiative vertritt die Interessen von mehr als 1000 vom Schießlärm betroffenen Bürgern. Die treibende Kraft ist Ulrich Durst, der nur wenige Hundert Meter entfernt vom Schießstand der Panzerkaserne lebt.

Lärmschutz: Mit dem deutschen General Markus Laubenthal, der Stabschef in der US-Armee war, war Bewegung in die Sache gekommen. 2015 wurde beschlossen, eine Lärmschutzwand zu installieren. Diese wurde 2016 montiert – mit einem Teilerfolg für Schönaich.