Mit den Kindern gemeinsame Sache machen? Für die „Parents for Future“ ist dies das Mindeste. Die Ortsgruppe, die sich im Landkreis für mehr Nachhaltigkeit engagiert, hat regen Zulauf. Und das soll erst der Anfang sein.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Obwohl Nora Oehmichen daran gewöhnt ist, vor Schülern zu sprechen, ist sie, die Lehrerin, aufgeregt. Das liegt an den Schülern, vor denen sie sprechen soll. An diesem Tag sind die Schüler die Chefs, und sie sind ziemlich wütend auf viele Erwachsene. Nora Oehmichen, um es vorweg zu nehmen, wird sehr viel Applaus für ihre Ansprache bekommen. Das liegt an dem, was sie gesagt hat, und daran, wie sie es gesagt hat: sehr eindrucksvoll.

 

Helikoptereltern im Einsatz?

Nora Oehmichen ist Teil der Gruppe „Parents for Future“, die sich im Kreis Ludwigsburg gegründet hat. Sie besteht überwiegend aus Eltern, deren Kinder seit Wochen freitags auf die Straße gehen und einen Klimaschutz einfordern, der diesem Namen gerecht wird. Zusammengefunden haben die Eltern über Whatsapp, einer der Schüler hatte bei dem Messengerdienst eine Gruppe eingerichtet, damit sich die Eltern austauschen können. Das war der Anfang der der hiesigen Ortsgruppe „Parents for Future“, von denen es inzwischen 30 in Baden-Württemberg gibt. Eine davon in Stuttgart und eine im Rems-Murr-Kreis. Die Gruppe in Ludwigsburg hat eine schlichte Homepage eingerichtet, eigene Visitenkarten gedruckt und ist auf 30 Mitstreiter angewachsen. Tendenz steigend.

Auf den ersten Blick mag dieses Engagement paradox erscheinen: Eltern unterstützen Kinder, die unter etwas leiden, das die Großen verbockt haben. Womöglich gibt es auch den einen oder anderen, der bei den gemeinsamen Aktionen die berüchtigten Helikoptereltern sieht, die glauben, ihren Nachwuchs beschützen zu müssen. Oder einfach nur Hausfrauen oder Elternzeitväter, die nichts Besseres zu tun haben.

Eltern werden zu Verbündeten

Aber das ist Quatsch: „Es ist auch unsere Zukunft“ steht auf dem Transparent, das die Ludwigsburger „Parents for Future“ bemalt haben und bei einer Demo durch Ludwigsburg tragen. Und Markus Moskau, der Wortführer der streikenden Schüler, ruft bei jener Demo allen Teilnehmern zu: „Wir müssen Eltern und Großeltern als Verbündete sehen!“ Keine Mutter und kein Großvater wünsche sich, dass sein (Enkel-)Kind keine Zukunft hat.

So kommt es, dass im Chor, der „Streik in der Schule, Streik in der Fabrik – das ist unsere Antwort auf eure Politik“ skandiert, auch reifere Stimmen tönen. Dass in dem Schwarm, der auf und nieder hüpft und „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle“ ruft, auch ältere Knochen mitschwingen. Und dass aus der Menge, die sich auf die B 27 legt, auch graue Köpfe ragen. „Wir stehen hinter euch, ohne Wenn und Aber – ideologisch, organisatorisch, rechtlich und finanziell“, heißt es in einem Brief, den die Ortsgruppe der Eltern an die Ortsgruppe der Schüler geschrieben hat. Dazu gehört denn auch mehr als gemeinsam auf die Straße zu gehen.

Endlich keine Rechtfertigung mehr

Die Eltern schreiben Briefe an die Menschen mit Rang und Namen im Landkreis, in denen sie um Unterstützung werben. Sie werden den Landrat Rainer Haas treffen, um zu erfahren, was der Kreis in Sachen Klimaschutz tut – und um anzuregen, ob es nicht vielleicht mehr sein und schneller gehen könnte. „Wir wollen die Leute, die das Wissen und die Möglichkeiten haben, veranlassen, Dinge zu tun“, formuliert es Nora Oehmichen. Außerdem fahren die Akteure von „Parents for Future“ und „Fridays for Future“ für die gemeinsame Sache Fahrrad. Im Juli gehen sie mit einer Mannschaft beim Klimaschutz-Wettbewerb Stadtradeln an den Start – „Stadtradeln for Future“ soll es heißen.

Zum Gründerteam der engagierten Eltern gehört auch Simone Jung, Ingenieurin und Mutter von drei Kindern. Sie erzählt, dass sie bisweilen belächelt wird, weil sie möglichst viele Strecken mit dem Fahrrad bewältigt. Und dass es auf ihre gelegentlichen Versuche im Bekanntenkreis, automobile Mitfahrgelegenheiten zu organisieren, wenig Resonanz gab. Weil die Bekannten, wie sich herausgestellt hat, lieber selbst fahren. Es tue gut, sagt Simone Jung nun, sich für dieses alternative Verhalten nicht mehr rechtfertigen zu müssen. „Viel zu lange haben wir auf Pump gelebt“, heißt es in dem Brief der Eltern an die Schüler. „Wir alle tragen für die Klimakrise Verantwortung, also auch für deren Bewältigung.“

Eine weise Prophezeiung

Die Ansprache, für die Nora Oehmichen, die Lehrerin und ebenfalls Mutter von drei Kindern, von den demonstrierenden Schülern so viel Applaus bekam, hatte übrigens folgenden Inhalt: Sie erzählte vom Besuch eines Zeitzeugen zu ihrer Schulzeit. Der Mann hatte den Holocaust überlebt – und Nora Oehmichen und ihre Mitschüler trieb eine Frage ganz besonders um: Warum haben sich nicht mehr Leute früher gegen das System gestellt. „Man konnte doch sehen, was passiert.“ Die Antwort des Zeitzeugen spukte Nora Oehmichen in den vergangenen Wochen immer häufiger durch den Kopf. Der kluge Mann prophezeite den Schülern, dass sie sich eines Tages mal ganz ähnliche Fragen von ihren Kindern und Enkeln gefallen lassen werden müssen. „Was habt ihr getan gegen das, was auf der Welt passiert?“

Die „Parents for Future“ haben zumindest den Anfang einer Antwort gefunden.