Die neue Zählung der Uni Stuttgart zeigt, dass nachts wieder mehr Fahrzeuge im Westen parken. Die Chance auf einen Parkplatz ist gering.

Stuttgart - Kühl weht der Wind in dieser Nacht durch die Bebelstraße. Kaum jemand ist noch unterwegs. Es ist 23 Uhr mitten in der Woche, und hinter den meisten Fenstern der Häuserfassaden ist es schon dunkel. Charlotte Ritz achtet darauf nicht. Ihr Blick haftet ausschließlich an den Windschutzscheiben der Autos, die Blech an Blech am Straßenrand parken. In den Händen hält sie einen Stift und einen Ordner, gefüllt mit Tabellen. Jedes einzelne Auto prüft sie darauf hin, ob es einen gültigen Parkausweis hat, ein Parkticket, oder ob es sich um einen Falschparker handelt. Ein Blick, ein Häkchen und weiter geht es. "Die heutige Route ist die längste", sagt die 25-Jährige. Acht Kilometer liegen vor ihr. Dieselbe Route wird sie am Tag darauf noch mal ablaufen. "Wenn es hell ist, geht es schneller, weil man die Parkausweise besser lesen kann", sagt sie. In der Nacht hilft ihr eine Taschenlampe.

 

Charlotte Ritz ist eine von vier Studierenden der Uni Stuttgart, die an der Fahrzeugzählung im Westen teilnehmen. Drei Tage und drei Nächte sind sie im Stadtbezirk unterwegs. Es ist die zweite Zählung, seit die neue Parkordnung gilt. Sie soll Aufschluss geben, wie sich die Parksituation verändert hat. Nachfrage und Auslastung, freie Parkplätze und Falschparker jeweils am Vormittag und in der Nacht sind die Kriterien, die erhoben werden.

Auch weiterhin freies Parken?

"Mein Eindruck ist, dass es seit der ersten Zählung wieder mehr Autos geworden sind", sagt Charlotte Ritz, während sie die Vogelsangstraße entlangläuft. Diese war gleich in den ersten vier Tagen des März und jeder stellte sich die Frage: Wo sind all die Autos hin? Viele waren in die Randgebiete des Bezirks ausgewichen, alle können das jedoch kaum gewesen sein. Auch Manfred Wacker, der stellvertretende Leiter des Instituts für Straßen- und Verkehrswesen, der in dieser Nacht auch im Westen ist und nach seinen Zählern Ausschau hält, hat darauf keine abschließende Antwort. "Ich vermute, dass viele Leute anfangs unsicher waren und den Westen gemieden haben", sagt er, "mittlerweile wissen sie, dass man nachts weiterhin frei parken kann."

Und das macht sich auf den Straßen bemerkbar. Mehr als eine Stunde läuft Charlotte Ritz bereits die Straßen zwischen den Parkzonen W5 und W7 zwischen der Schwabstraße und dem Vogelsang ab. Kein einziger freier Parkplatz ist weit und breit zu sehen. Um Mitternacht steht alles still. Einige Autobesitzer haben ihre Gefährte wie in alten Zeiten auf dem Gehweg, auf Sperrflächen und in Kurven sogar in dritter Reihe geparkt - die meisten von ihnen haben einen für die Parkzone gültigen Ausweis.

Nachts über 100 Prozent Auslastung

Das Ergebnis der Zählung birgt kaum Überraschungen. "Auffallend ist die weiterhin hohe Anzahl an Falschparkern", so Wacker. Das Ergebnis decke sich mit den Berichten der Kontrolleure, sagt Hermann Karpf, der persönliche Referent des Ordnungsbürgermeisters. Auch die Auslastung hat in allen acht Zonen wieder zugenommen im Vergleich zur Zählung Anfang März. Zieht man die Zahlen aus dem Jahr 2007 hinzu, als die Uni schon einmal im Westen unterwegs war, damals im Rahmen der Ausarbeitung des Parkkonzepts, ist die Situation heute besser. So lag beispielsweise vor der Einführung des Parkraummanagements in der Zone 7 rund um den Vogelsang die Auslastung in der Nacht bei 116 Prozent. Im März 2011 war sie zurückgegangen auf 93 Prozent. Im April 2011 ist sie wieder auf 106 Prozent gestiegen.

In der angrenzenden Zone 5, die einen Teil der problematischen Reinsburgstraße umfasst, lag die Zahl der Autos laut der Zählung der Studenten vor dem Parkraummanagement bei 1904. Im März 2011 sank sie auf 1703 und stieg im April wieder auf 1734. Auch bei der Auslastung haben sich die Zahlen von April gegenüber März zwar verschlechtert, gegenüber der Zeit vor dem Parksystem aber verbessert. So lag die Auslastung früher in der Zone W5 bei 125 Prozent und aktuell bei 114 Prozent. Gemessen an den Zahlen hat sich die Situation verbessert. "Die Wahrscheinlichkeit, einen Parkplatz zu bekommen, ist höher", sagt Markus Friedrich, Professor am Institut für Straßen- und Verkehrswesen. Der Alltag zeigt jedoch vielen Autofahrern, dass die Chance in manchen Parkzonen immer noch ziemlich gering ist.

Nur auf dem Papier Parksituation besser

Das Ordnungssystem und die Realität driften an manchen Stellen auseinander - zum Ärger der Anwohner. Auf dem Papier ist die Parksituation durchweg besser geworden. In der Wirklichkeit trifft dies nicht auf alle Gebiete im Westen zu. Sind aus dem Umfeld des Hölderlinplatzes zunehmend positive Stimmen zu vernehmen, bleibt die Situation unter anderem rund um den Rosenbergplatz und die Reinsburgstraße angespannt. Die Stadt reagiert darauf und kündigte an, die Zonengrenzen nochmals zu überprüfen. Als sicher gilt, in den Bereichen der Kurzparkzonen die Zeit von 22 auf 19 Uhr herabzusetzen. "Dafür spricht viel", sagt Hermann Karpf. Allerdings sei es, so Professor Friedrich, auch gewollt, dass nicht jeder einen Parkplatz findet und umsonst parken könne. Denn nur so funktioniere das System.

In der Politik wird derweil schon längst über die Ausweitung auf andere Stadtbezirke im Gespräch. Der nächste Bezirk könnte der angrenzende Norden sein. Auch in Mitte, Ost und Süd sowie Bad Cannstatt wäre man nicht abgeneigt. "Dort geht es schon auch eng zu", sagt Charlotte Ritz, die in Cannstatt wohnt. "Mit dem Westen ist das aber nicht zu vergleichen", sagt sie und leuchtet mit ihrer Taschenlampe eine weitere Windschutzscheibe ab.

Weitere Zählungen noch in diesem Jahr

Im September möchte die Uni Stuttgart nochmal eine umfangreichere Zählung im Westen vornehmen. "Dann wird es mehrmals am Tag Rundgänge geben und die Frage ist, wie sich eine stärkere Überwachung dann auswirken wird", sagt Manfred Wacker. Ob Charlotte dann auch dabei sein wird, weiß die Studentin, die derzeit ihre Diplomarbeit schreibt, noch nicht.

Immerhin sind die Routen lang und die Nächte der Zählung kurz. Bis 2.30 Uhr läuft sie in dieser Nacht durch den Bezirk. "Und Kilometergeld bekommen wir dafür leider nicht", sagt sie schmunzelnd und verschwindet in der Nacht.

Probleme nordwestlich der Schwabstraße

Vergleichsräume

Die Uni Stuttgart hat die Erhebung im März 2007, im März 2011 und im April 2011 durchgeführt. Tagsüber war die Situation im Westen auch vor dem Parkraummanagement besser als nachts und hat sich seit der Einführung nochmals deutlich verbessert. So gibt es laut der Erhebung vormittags 60 Prozent weniger Falschparker – bei 20 Prozent weniger Nachfrage.

Erhebung

Die Zahl der legalen Parkplätze kann nicht genau erhoben werden, da teils Markierungen fehlen und die Länge der Fahrzeuge und die Abstände zwischen parkenden Fahrzeugen variieren. Der Indikator Auslastung weist aus diesem Grund eine gewisse Ungenauigkeit auf. Die Zahlen der drei Erhebungszeiträume sind allerdings vergleichbar.

Nacht

Die Nachfrage nach Parkplätzen hat im April 2011 im Vergleich zum März 2007 um neun Prozent nachgelassen. Die Zahl der Falschparker war im März 2011 um 45 Prozent gesunken, im April 2011 waren es noch 35 Prozent. Eine hohe Auslastung haben nach wie vor die Parkzonen nord-westlich der Schwabstraße. So liegt die Auslastung um den Rosenbergplatz nach wie vor bei 110 Prozent (März 2007: 116). Am Hölderlinplatz liegt jetzt die Auslastung bei 104 Prozent, früher waren es 113 Prozent. In den Parkzonen W2 zwischen Rosenberg-, Seiden- und Schlossstraße ist die Situation mit 88 Prozent Auslastung (2007: 102 Prozent) entspannter. Die Zone W3 zwischen Schloss-, Rotebühl- und Schwabstraße hat eine aktuelle Auslastung von 89 Prozent (2007: 94Prozent).