Bei Parkinson zerfallen bestimmte Nervenzellen. Das Gehirn kann das lange kompensieren, bis die Symptome deutlich werden. Die Tübinger Medizinerin Daniela Berg setzt daher auf frühe Diagnosen. Denn dann kann man den Symptomen gut begegnen.

Tübingen - Daniela Berg nutzt nicht gerne Begriffe wie Altersleiden oder schlimme Krankheit, wenn es um Parkinson geht. Zwar treffe die Zerstörung der Nervenzellen vor allem ältere Menschen, doch sie kennt aus ihrem Klinikalltag genügend junge Patienten, die mit Parkinson konfrontiert werden und den Rest ihres Lebens darauf einrichten. Daniela Berg, die am Uniklinikum Tübingen unter anderem die Parkinson-Ambulanz leitet, nennt die Krankheit einen Begleiter, der alles betrifft. „Man kann mit dem chronischen Zerfall der Nervenzellen lange und gut leben“, sagt die Tübinger Neurologin, deren grenzenloser Optimismus auch bei dem heutigen Vortrag zu spüren ist.

 

Bei Parkinson sterben Nervenzellen vor allem in einer bestimmten Region des Gehirns, der sogenannten Substantia nigra, nach und nach ab. Diese Nervenzellen produzieren normalerweise den Botenstoff Dopamin. Diesen Stoff braucht der Mensch vor allem, um sich bewegen zu können, aber auch für diverse andere Hirnleistungen. Fehlt Dopamin, verliert der Patient systematisch die Kontrolle über seine Bewegungen: Die Hände zittern, die Glieder werden steif. Betroffene gehen meist in ganz kleinen Schritten und wirken in ihren Bewegungen wie eingefroren. „Ein Gehirn ohne Dopmain ist wie ein Motor ohne Öl“, erklärt Daniela Berg. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird dies immer mehr Menschen treffen. In Deutschland gibt es 350 000 Betroffene. Allerdings gehen Experten von einer wesentlich höheren Zahl aus, da die Dunkelziffer hoch ist und man jüngere Patienten oft nicht erfasst.

„Meist haben Parkinsonpatienten einen langen Weg hinter sich. In vielen Fällen wird das Nervenleiden erst nach mehreren Jahren diagnostiziert“, berichtet Berg, die auch Vorsitzende der Deutschen Parkinson-Gesellschaft ist. Die typischen Symptome sehe man erst, wenn bereits etwa die Hälfte der Nervenzellen mit Dopamin defekt sei. Bis zu diesem Ausmaß könne das Gehirn den Zellverlust kompensieren. Dieser Prozess könne bis zu zehn Jahren dauern. Daher sei es wichtig, die unheilbare Krankheit rechtzeitig zu diagnostizieren: „Eine frühe Diagnose und rechtzeitige Therapie lindert den Verlauf und verbessert die Lebensqualität vor allem der jüngeren Patienten.“ Häufig gingen den typischen Symptomen wie dem Zittern andere Symptome voraus, weiß Berg durch ihre jahrelange klinische Erfahrung.

Bei manchen Patienten helfen elektrische Impulse

Viele Parkinsonpatienten leiden, lange bevor die Krankheit festgestellt wird, an Depressionen. Auch der Geruchssinn lässt nach und verschiedene Gerüche können nur noch schlecht unterschieden werden. Sehr viele Patienten ziehen schon in einem frühen Stadium fast unmerklich ein Bein nach. Auch Schlafstörungen sind häufig. Normalerweise, erklärt Berg, erschlaffe in der Traumphase, dem sogenannten REM-Schlaf, die Muskulatur. Ein Patient mit Parkinson hingegen bewege sich unkontrolliert und schlage mitunter um sich. Lange vor der Diagnose lasse auch die Konzentration nach. Auch Verstopfung sei nicht selten ein Signal für die Erkrankung. Typisch könne auch eine unleserliche Schrift sein, weil die Feinmotorik nicht mehr funktioniere. „Parkinson ist nicht nur eine Krankheit der Bewegung“, sagt Daniela Berg.

Zu Beginn der Krankheit lassen sich die Beschwerden mit einem Arzneicocktail recht gut unterdrücken. Er besteht meist aus L-Dopa, einer Vorläufersubstanz von Dopamin, ferner aus Mitteln, die ähnlich wie Dopamin wirken, sowie aus Enzymen, die den Abbau dieses Botenstoffs hemmen. Im Laufe der Jahre jedoch lässt ihre Wirkung nach und fängt stark zu schwanken an. Zudem fällt es vor allem älteren Patienten schwer, ständig die Pillen zu schlucken. Dann können Pumpen hilfreich sein. Der Vorteil: das Medikament wird kontinuierlich in den Körper abgegeben. Berg erzählt von einem Patienten, der mit einer Art Kästchen auf der Schulter Halbmarathon läuft. Patienten, die auf Medikamente nicht gut ansprechen oder diese schon sehr lange einnehmen, kann die sogenannte Tiefenhirn-Stimulation helfen. Den Betroffenen wird in der Regel eine feine Elektrode in ein vorher bestimmtes Hirnareal implantiert. Durch elektrische Impulse lassen sich die Gehirnzellen in ihrer Aktivität hemmen, was die motorischen Symptome der Patienten lindert.

Damit habe man gute Erfahrungen gemacht, berichtet die Medizinerin. Von Stammzelltransplantationen hält sie allerdings nicht sehr viel. Vor einigen Jahren hatte man große Hoffnungen darauf gesetzt. Dabei werden Stammzellen aus fetalem Gewebe in das Gehirn von Parkinsonpatienten verpflanzt, wo sie wieder Dopamin produzieren sollten. „Doch es hat sich herausgestellt, dass das kranke Gewebe das gesunde gewissermaßen ansteckt. Es werden keine gesunden dopaminergen Zellen gebildet“, erklärt Berg.

Die Therapie der Zukunft sieht die Wissenschaftlerin in der Impfung. Ein Impfstoff, den eine österreichische Firma entwickelt hat, wird derzeit in der ersten klinischen Phase getestet. Er richtet sich gegen das Eiweiß Alpha-Synuclein. Dieses Eiweiß lagert sich in einer fehlgefalteten Form in den sogenannten Lewy-Körperchen in den Nervenzellen von Parkinsonpatienten ab. Das Ziel der Impfung ist, das Immunsystem des Patienten zur Bildung von Antikörpern gegen das Eiweiß anzuregen, so dass sich die schädlichen Ablagerungen in den Zellen nicht mehr bilden können. Die Impfung scheint von den Patienten gut vertragen zu werden, berichtet Berg. Sollten weitere Studien erfolgreich sein, könnte man möglicherweise in Zukunft diejenigen Patienten impfen, bei denen die Erkrankung in einem frühen Stadium festgestellt werde, und die Erkrankung damit aufhalten.