Der Stellplatzschlüssel beim Wolkenkratzer oder beim früheren Freibadareal als mögliches Streitthema. Ausgelöst wird die aktuelle Debatte durch die Baustellen im Zuge der Wohnbauoffensive 2020.

Fellbach - Eine glatte Eins im Zeugnis ist eigentlich ein Spitzenwert – zu toppen allenfalls durch das System in der gymnasialen Oberstufe mit maximal 15 Punkten – einer Eins plus also, was der Note 0,66 entspricht. Auch in Fellbach wird derzeit gerne über ähnliche Werte diskutiert. Hier ist allerdings 1,0 der Regelfall und 0,8 die eher schlechtere Variante.

 

Ausgelöst wird die aktuelle Debatte durch die Baustellen im Zuge der Wohnbauoffensive 2020. Eine wesentliche Vorgabe ist der Stellplatzschlüssel – also jene Zahl der Autoparkplätze pro Wohnung in dem Gebäudekomplex. Ganz klar: Je niedriger der Wert, umso schwieriger für die dort einziehenden Menschen, ihr Auto unterzubringen.

Der selbe Wert wurde auch für die Wohnungen im VHS-Neubau in der Eisenbahnstraße vorgesehen

Ein solch niedriger Wert wurde beispielsweise mit dem Schlüssel von 0,8 beim mittlerweile Schwabenlandtower 107 genannten Wolkenkratzer im Osten der Kernstadt festgelegt. Anders habe man die Lösung nicht auf die Schnelle hinbekommen, um aus den zuvor geplanten 66 Luxus-Eigentumswohnungen künftig 190 Mietwohnungen zu machen. „Es war fünf vor zwölf“, analysierte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull vor einigen Wochen. Hätte man diesem Stellplatzschlüssel nicht zugestimmt, „hätte es eine Dauerruine gegeben“. Die Rathauschefin verwies auf das Mobilitätskonzept von Stadt und Investor: Da viele wohl mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs seien, könnten 0,8 Stellplätze pro Wohnung ausreichen. Der selbe Wert wurde auch für die Wohnungen im VHS-Neubau in der Eisenbahnstraße vorgesehen – angesichts des Bahnhofs und der Bushaltestellen vor der Haustür noch deutlich nachvollziehbarer als beim Hochhaus.

Doch wie genau sind die Vorgaben eigentlich für eine Stadt wie Fellbach? Grundsätzlich orientiert sich die Verwaltung an der Landesbauordnung. In Paragraf 37 ist festgelegt, dass bei Neubauten „für jede Wohnung ein geeigneter Stellplatz für Kraftfahrzeuge herzustellen“ sei. Es sind aber Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen möglich, je nach Größe des Objekts oder der Lage – also etwa Zentrum oder Peripherie. Seit 2015 sieht die Landesbauordnung überdies die Möglichkeit vor, durch mehr Fahrradstellplätze auf einen Teil der Kfz-Stellplätze zu verzichten – Faustregel: vier Radplätze ersetzen einen Autostellplatz.

Im alten Freibadareal werde es mit Sicherheit zu wenige Stellplätze haben

„Da der Gewa-Tower in Fellbach vermutlich über 22 Meter hoch ist“, erklärt eine Sprecherin des Landesministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau auf Anfrage, „stellt er als Hochhaus einen Sonderbau dar. Für Sonderbauten können zusätzliche Anforderungen gestellt werden, aber auch Erleichterungen zugelassen werden.“ Die Kommunen haben also Spielraum in der Festlegung des Stellplatzschlüssels für Neubaugebiete. Letztes Projekt vor der aktuellen Wohnbauoffensive in Fellbach war das Lange Tal in Oeffingen, erläutert Rathaus-Sprecherin Sabine Laartz. Dort gab es je nach Wohnungsgröße eine Spanne zwischen 1,0, 1,25 und 1,5 Stellplätzen. Mittlerweile begnügt man sich in besonderen Fällen, etwa bei Nähe zu Haltestellen, auch mit der 0,8-Vorgabe.

Das allerdings stößt auf Skepsis. „Ein Stellplatzschlüssel von 0,8 wie beim Gewa-Tower kann nicht die Zukunft sein“, monierte kürzlich CDU-Fraktionschef Hans-Ulrich Spieth. Andreas Zimmer (Unabhängige Fellbacher) wetterte zudem gegen die „realitätsferne Planung“ beim Freibad-Areal. Der gekürte Siegerentwurf unter der Rubrik „Ruhender Verkehr“ für die geplanten 316 Wohnungen – mit durchschnittlich 90 Quadratmeter Größe – „diesen nach Landesbauordnung bereits niedrigstmöglichen Stellplatzschlüssel von 1.0 noch nicht einmal erfüllt“. Zimmers Fazit: Im alten Freibadareal werde es mit Sicherheit zu wenige Stellplätze haben – was zu Lasten des Umfelds und der alteingesessenen Bürger gehe, die künftig den Parksuchverkehr ertragen müssten.

Baudezernentin Beatrice Soltys kontert dieses Negativurteil jedoch mit dem Hinweis, dass es derzeit erst einen Rahmenplan gebe. Wohngrößen und Stellplatzschlüssel lege der Gemeinderat erst in den nächsten Schritten fest.