Am 1. Oktober führt die Stadtverwaltung auch im Süden, im Norden und in Mitte das Parkraummanagement ein. Einige Anwohner erwarten dadurch Verschlechterungen für sich. Vor allem Firmen und Gewerbetreibende fühlen sich extrem benachteiligt.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Die einen können kaum erwarten, dass es endlich eingeführt wird. Die anderen verfluchen es schon jetzt. Schon vor dem offiziellen Start des Parkraummanagements im Stuttgarter Süden erregt es die Gemüter von Bewohnern, vor allem aber von Firmen und Gewerbetreibenden. „Die Anwohner rätseln noch etwas über die vermeintlichen Vorteile für sie“ oder „Es gibt trotz Anwohnerschein jetzt schon nicht genügend Parkplätze“ gehören noch zu den harmlosen Kommentaren, die unsere Zeitung via Facebook erreichen. Andere nennen das Parkraummanagement eine „reine Gelddruckmaschine ohne Sinn und Verstand“ oder fragen: „Welcher Depp hat sich diesen Schwachsinn einfallen lassen?“

 

Die Befürworter wiederum hoffen, dass dadurch der Pendlerverkehr aus ihrem Bezirk herausgehalten wird. Das ist auch laut Birgit Wöhrle Sinn der ganzen Maßnahme. „Die Stadt Stuttgart möchte damit ihre Bewohner bevorzugen“, sagt die Parkbeauftragte beim städtischen Ordnungsamt.

Im Westen gilt das Modell als recht erfolgreich

Nicht nur in weiten Teilen des Südens, sondern auch im Norden und in Mitte führt die Landeshauptstadt vom 1. Oktober an in mehreren Phasen das Parkraummanagement ein, eine Vollbewirtschaftung aller Parkplätze mit Bewohnerregelung. Jeder gemeldete Anwohner ohne anderen Stellplatz oder ohne Garage erhält einen Parkausweis – für 30,70 Euro im Jahr. Im März 2011 wurde die Regelung bereits im Westen eingeführt. Die städtischen Ämter werten das Modell dort als Erfolg. „Viele Probleme waren am Ende keine Probleme“, sagt Wöhrle. Zahlreiche Firmenbesitzer und Gewerbetreibende hätten im Vorfeld geklagt, das Modell sei der Tod ihre Betriebes. „Ich habe nicht erlebt, dass ein Betrieb im Westen deswegen gestorben ist“, sagt die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes.

Allerdings stellt es einige Gewerbetreibende künftig vor Probleme. Der Bauingenieur Frank Zimmermann von Boll und Partner, seit dem Jahr 1970 ansässig an der Etzelstraße 11 im Süden, spricht von einem Standortnachteil. Über Lösungen habe er lange nachgedacht. Rund 30 seiner 45 Mitarbeiter in Stuttgart kämen ohnehin schon mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wer aber weit außerhalb der Innenstadt wohne oder oft auf Baustellen unterwegs sei, sei auf ein Auto angewiesen. Für solche Fälle käme „Park & Ride“ oder „Car2go“ nicht in Frage. Zimmermann hat bereits Kontakt mit der Wirtschaftsförderung aufgenommen. Mit der entsprechenden Antwort ist er nicht zufrieden. Darin heißt es: „Die Mitarbeiter des Büros, die täglich mit dem Auto zu ihrem Arbeitsplatz in die Innenstadt fahren und dort tagsüber parken, gehören zu der Zielgruppe des Konzepts und teilen dieses Schicksal der künftigen Parkgebührenpflicht mit vielen Arbeitnehmern.“

Für Gewerbetreibende wird parken teuer

Wie alle anderen Firmen bekommt Boll und Partner eine Ausnahmegenehmigung für ein Fahrzeug. Das reiche allerdings nicht aus, sagt er. Für alle anderen Kollegen müsse er täglich 7,20 Euro bezahlen. Zudem gebe es keine Wochen-, Monats-, oder Jahreskarte. „Da muss man jeden Morgen zum Automaten dackeln.“ Insgesamt ist das ganze Konzept aus seiner Sicht nicht zu Ende überlegt und berge viele Nachteile.

Birgit Wöhrle kann die Sorgen der Unternehmer zwar verstehen, verteidigt aber die Lösung, die Anwohner zu bevorzugen. „Es ist halt wie mit den Männern. Zu 100 Prozent passt es einfach nie für jeden“, sagt Wöhrle und lacht. Im Vergleich zum bisherigen Anwohnerparken, bei dem in einigen Gebieten ein Drittel der vorhandenen Parkplätze ganztägig für Bewohner reserviert war, sind die Parkplätze nun in Zukunft wochentags von 8 bis 22 Uhr für jedermann verfügbar. Das bisherige Anwohnerparken hält Wöhrle für veraltet. Zudem hat aus ihrer Sicht niemand ein Anrecht auf einen Parkplatz. „Ich pendle seit 30 Jahren aus dem Filstal in die City und das funktioniert gut “, sagt sie zum Schluss.

Das neue Konzept soll den Bewohnern zu Gute kommen, Gewerbetreibende fühlen sich verprellt. Ein Recht auf einen Parkplatz hat jedoch niemand.

Im Stuttgarter Westen hat das Parkraummanagement, das im März 2011 eingeführt wurde, einige Probleme gelöst. Tagsüber sind die Chancen auf einen Parkplatz für Anwohner, Besucher, Gewerbetreibende oder Kunden recht gut. Abends und nachts ist die Parkplatzsuche für die Bewohner einiger Stadtteile allerdings immer noch ein Glücksspiel. Von Oktober an wird das Modell nun auf die Bezirke Süd, Nord und Mitte ausgeweitet.

Mit dem neuen Konzept sollen Stuttgarts Bewohner bevorzugt werden. Berufspendler sollen möglichst auf öffentliche Verkehrsmittel oder Park & Ride umsteigen. Der Grundgedanke ist richtig. Denn ohne Aussicht auf einen kostenlosen Parkplatz fahren viele Auswärtige erst gar nicht mit dem Auto in die Innenstadt, was Stuttgart verkehrstechnisch auf jeden Fall entlastet. Das hat die Stadt in Kessellage dringend nötig – und zwar nicht nur wegen der häufigen Staus. In Anbetracht der viel zu hohen Feinstaubwerte in Stuttgart ist Deutschland bereits von der EU-Kommission abgemahnt worden.

Für manche Gewerbetreibende oder Unternehmen ergeben sich durch die fehlenden Parkplätze tatsächlich aber Standortnachteile durch höhere Kosten oder abwandernde Mitarbeiter, die das nicht in Kauf nehmen möchten. In einigen Punkten müsste die Stadtverwaltung deshalb langfristig noch nachbessern.

Bei aller Aufregung sollten jedoch Gewerbetreibende und Bewohner nicht vergessen, dass es kein allgemeingültiges Recht auf einen kostenlosen Parkplatz vor der Haustüre oder dem Büro gibt – schon gar nicht inmitten in einer Großstadt.