Die einstige Regierungspartei in Tschechien liegt am Boden. Einige Anhänger setzen nun auf die Hilfe von Václav Klaus. Doch es entsteht die Frage, ob er eher nutzen oder schaden würde.

Prag - Diesmal hat die Presse recht, ausnahmsweise. Václav Klaus, der frühere tschechische Staatspräsident und bärbeißige Chefkritiker der EU, hat gerade ein paar schmerzliche Momente erlebt, als er die Zeitungen aufschlug. Überall die gleichen Schlagzeilen: die Demokratische Bürgerpartei (ODS), die wichtigste politische Kraft im bürgerlichen Lager, die er selber vor 22 Jahren mitbegründet hatte, liegt zerstört am Boden, war zu lesen. „Ich fürchte, das ist leider die Wahrheit“, sagte der Altpolitiker, der sonst auf die Gazetten nicht viel gibt. „Und da das mein Kind ist, macht mich das nicht glücklich.“

 

In der Tat hat die national- und neoliberale ODS, die für ihren europäischen Eigensinn bekannt ist und auf EU-Ebene nur die britischen Konservativen und die Nationalkatholiken aus Polen als Freunde hat, offenbar einen historischen Tiefpunkt erreicht. Nach einer Serie bizarrer Skandale, die vor zwei Monaten den Rücktritt des ODS-Vorsitzenden Petr Necas als Ministerpräsident zur Folge gehabt haben, steht nun eine Neuwahl des Parlaments bevor. Die Aussichten könnten kaum schlechter sein: In Umfragen wurde die Demokratische Bürgerpartei zeitweise nur mit acht Prozent notiert, obwohl sie 2006 für 35,4 Prozent gut war und trotz aller Krisen bei der Wahl 2010 noch 20,2 Prozent erringen konnte. Damals galt Parteichef Necas als Hoffnungsträger, weil er versprach, mit der Korruption aufzuräumen und den Einfluss jener von seinem Vorgänger Mirek Topolanek gebrandmarkten „Paten“ in den Regionalverbänden auszuschalten. Gemeint sind dubiose Geschäftsleute, die über willige und wohl auch gut belohnte Parteischranzen ihre kommerziellen Interessen verfolgen.

Stattdessen stolperte die von Necas geführte konservativ-liberale Dreierkoalition von Skandal zu Skandal. In drei Jahren dankten mehr als ein Dutzend Minister ab, zumeist ODS-Leute, der Höhepunkt war im Juni der Sturz des Premiers. Ihm wurde zum Verhängnis, dass seine Bürochefin Jana Nagyova, die auch seine Geliebte ist, widerspenstige ODS-Abgeordnete offenbar mit hohen Posten gefügig machte und nebenher die Ehefrau des Premiers vom Militärgeheimdienst beschatten ließ. Wochenlang saß die übereifrige Helferin im Gefängnis, Necas holte sie bei der Freilassung ab und hat sie mittlerweile in seinem Abgeordnetenbüro als Assistentin angestellt. Zudem wurde bekannt, dass Frau Nagyova als Kanzleichefin des Premiers neben einem für tschechische Verhältnisse recht hohen Salär von umgerechnet 40 000 Euro auch noch einen Bonus von 47 000 Euro allein 2011 erhielt.

Mehr als ein Dutzend Minister mussten in drei Jahren abdanken

Das sind keine frohen Botschaften fürs Wahlvolk. Es erhöht die Attraktivität der ODS auch nicht, dass als amtierender Parteichef der ODS-Vize und frühere Handelsminister Martin Kuba agiert. Gerade er soll nämlich ebenfalls enge Kontakt zu einem „Paten“ in Südböhmen pflegen und kommt deshalb für höchste Ämter nicht infrage. Als untadelig präsentiert die Partei nun die Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova, die für die Necas-Nachfolge bereitstand, aber gegen die Manöver des linkspopulistischen Präsidenten Milos Zeman nicht zum Zuge kam. Da dessen Übergangskabinett inzwischen durchfiel und Neuwahlen anstehen, dürfte Nemcova wohl die Spitzenkandidatin der ODS werden.

Zu fürchten hat sie nicht nur die linke Opposition, sondern auch einen gewichtigen Rivalen im eigenen Lager: die von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg geführte Partei TOP 09. Sie liegt in den Umfragen mit etwa 15 Prozent schon vor der ODS und stellt für alle konservativen Wähler sehr wohl eine Alternative dar.

Guter Rat ist folglich teuer, und die amtierenden ODS-Granden hatten vor, ihn bei Václav Klaus zu suchen. Der alte Haudegen, der selber in den 1990er Jahren als Ministerpräsident die Partei durch schwere Skandale in die Krise gestürzt hatte, hat immer noch im rechten Lager ein hohes Ansehen, vor allem bei notorischen EU-Skeptikern. Wie viele das aber letztlich sind, ist umstritten und auch, ob Klaus mehr nutzen oder schaden würde. Als Parteichef käme er jedenfalls nicht infrage, beeilte sich Miroslava Nemcova zu versichern – was offenbar den Alten mächtig ärgerte. Recht schroff ging er am Wochenende zunächst auf Distanz zu der Partei.