Die Abgeordneten des Bundestages sehen ihre Rechte durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt. Sie wollen nicht hinnehmen, dass ihnen vertrauliche Informationen in Sachen europäische Krisenfonds verweigert werden.

Berlin - Hätte Bundestagspräsident Norbert Lammert für das Bundesverfassungsgericht einen Wunschzettel schreiben können, so wäre darauf das geständen, was die Karlsruher Richter zum Rettungsschirm ESM und dem Fiskalpakt entschieden haben. Dem Gericht sei das Kunststück gelungen, alle Beteiligte glücklich zu machen, sagte Lammert am Rande der Haushaltsberatungen. Er sieht die Kontrollrechte des Parlaments gestärkt.

 

Was die hehren Worte in der Praxis bedeuten, erklärte der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick. „Die Entscheidung gibt uns starken Rückenwind“, meinte Schick, der als unbequemer Fragesteller im Finanzausschuss bekannt ist. Der Parlamentarier erlebte in der Vergangenheit oft, wie die Vertreter des europäischen Rettungsschirms und Repräsentanten der Europäischen Zentralbank (EZB) Auskünfte verweigerten. Sie beriefen sich in den Ausschusssitzungen auf ihre Verschwiegenheitspflicht. Nach der Karlsruher Entscheidung müsse das anders werden. „Es darf keine Geheimniskrämerei mehr geben“, sagte Schick. Auch der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sieht das so. „Die Schweigepflicht darf nicht gegenüber Gesellschaftern gelten“, sagte Toncar. Schließlich genehmigt der Bundestag die Mittel für die Krisenfonds. In diesem Punkt herrscht in den Fraktionen große Übereinstimmung. Das Recht der Abgeordneten auf Informationen dürfe nicht dadurch ausgehebelt werden, dass sich die Vertreter von Institutionen auf Verschwiegenheit berufen – so beschreibt Lammert die Erwartungen des Parlaments.

Bei 190 Milliarden Euro soll Schluss sein

Die Abgeordneten machen sich zwar keine Illusionen, dass es auch künftig Versuche geben wird, vertrauliche Details zum europäischen Krisenmanagement unter der Decke zu halten. Doch mit der Karlsruher Entscheidung hätten die Parlamentarier gute Argumente um nachzubohren. Der Bundestag schuf zur Kontrolle der Eurohilfen ohnehin ein geheim tagendes Sondergremium, in dem die Vertreter des Parlaments informiert werden.

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie die Bundesregierung die Vorgaben der Karlsruher Richter umsetzt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht in dem Urteil eine Unterstützung für die Regierungspolitik. „Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, was die Bundesregierung immer gesagt hat“, erklärte Schäuble. Für die Koalition sei stets klar gewesen, dass das Haftungsvolumen beim dauerhaften Rettungsschirm ESM auf 190 Milliarden Euro begrenzt sei. Darüber herrsche auch unter den 17 Eurostaaten Einigkeit, so Schäuble. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, dass die maximale Haftung im ESM-Vertrag schon bisher klar geregelt sei. Diese Grenze könne nur verändert werden, wenn dies der Bundestag beschließt.

Kein Problem, die Karlsruher Forderungen zu erfüllen

Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle sieht keine Notwendigkeit, den bereits verabschiedeten ESM-Vertrag zu ändern. Vielmehr wird in der Koalition darüber nachgedacht, in der Ratifizierungsurkunde die Haftungsobergrenze festzuschreiben.

Eine andere Möglichkeit sieht der Finanzminister darin, die Haftungsobergrenze in die Durchführungsbestimmungen zum ESM aufzunehmen. Dies sei ohnehin von Anfang an so vorgesehen gewesen. Der Finanzminister macht mit diesem Hinweis deutlich, dass er die Erfüllung der Karlsruher Forderungen für eine leichte Übung hält.