Ministerpräsident Netanjahu und sein rechtskonservativer Likud gehen trotz Verlusten als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl in Israel hervor. Der 71-Jährige hat Chancen, Regierungschef zu bleiben.

Jerusalem - Bei der vierten Parlamentswahl in Israel binnen zwei Jahren ist der rechtskonservative Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Prognosen zufolge stärkste Kraft geworden. Die Partei errang 31 bis 33 Mandate in der 120 Sitze zählenden Knesset, wie am Dienstagabend aus den Prognosen der TV-Sender hervorging. Im Vergleich zur Wahl vor einem Jahr bedeutet dies ein leichtes Minus. Netanjahu hat aber Chancen, eine Regierung zu bilden.

 

Dies hängt davon ab, ob sich die siedlerfreundliche Jamina-Partei auf Netanjahus Seite schlägt. Deren Vorsitzender Naftali Bennett war zwar mit dem Ziel in den Wahlkampf gegangen, Netanjahu abzulösen. Er hat allerdings auch nicht ausgeschlossen, in eine Koalition mit diesem einzutreten. Mit Jamina würde der Netanjahu-Block den Prognosen zufolge eine Mehrheit von 61 von 120 Abgeordneten erreichen. Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt.

Hinter dem Likud erreichte die Zukunftspartei von Oppositionsführer Jair Lapid Platz zwei (16 bis 18 Mandate). Der dritte Platz ist noch unklar. Die Prognosen sehen dort entweder die strengreligiöse Schas-Partei oder das arabische Parteienbündnis. Nach den Prognosen übersprangen insgesamt zwölf Parteien die für den Einzug in die Knesset nötige Hürde von 3,25 Prozent. Die meisten kamen auf einstellige Mandatszahlen.

Israel befindet sich seit mehr als zwei Jahren in einer politischen Dauerkrise. Nach zwei Wahlen 2019 war es Netanjahu nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Nach der Wahl 2020 hatten er und sein Likud unter dem Eindruck der Corona-Krise eine Koalition mit dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß gebildet, sie zerbrach jedoch im Dezember an einem Haushaltsstreit. Den gesamten Wahltag über hatte sich eine geringe Beteiligung an der Abstimmung abgezeichnet.

Parteienlandschaft in Israel stark zersplittert und interessengeleitet

Die Parteienlandschaft in Israel ist stark zersplittert und interessengeleitet. Auch wenn sie einem Lager entstammen, sind Parteien häufig nicht bündniskompatibel. Neben programmatischen Differenzen liegt dies auch an persönlichen Animositäten. Netanjahus Verhältnis zu anderen Hauptfiguren des rechten Lagers wie Bennett, Gideon Saar und Avigdor Lieberman gilt als sehr schlecht.

Vorläufige Endergebnisse erwartete das Wahlkomitee nicht vor Freitag. Wegen der Corona-Krise galten besondere Sicherheitsregeln, in Israel gibt es keine Briefwahl wie in Deutschland. So stimmten Infizierte in speziellen Wahllokalen ab, die etwa in Bussen errichtet wurden. Sogar am Flughafen Ben Gurion konnten Einreisende wählen. Insgesamt waren rund 6,6 Millionen Menschen aufgerufen, die Mitglieder der 24. Knesset in Jerusalem zu bestimmen.

Das bestimmende Thema des Wahlkampfes war vor allem die Corona-Krise. Netanjahu wollte vor allem mit der rasanten Impfkampagne in dem Land punkten. Viele zeigten sich zuletzt jedoch unzufrieden mit dessen Pandemiemanagement. Die Infektionszahlen in Israel hatten teils deutlich über denen in Deutschland gelegen, die Bürger mussten sich mit langen Lockdown-Phasen arrangiere. Netanjahu steht auch wegen eines gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses unter Druck.

Nach Angaben der israelischen Armee wurde am frühen Abend eine Rakete auf Israel abgefeuert. Opfer oder Sachschäden gab es demnach nicht. Medienberichten zufolge ging das Geschoss in der Region um Beerscheva nieder. In der Stadt habe sich zu der Zeit Netanjahu aufgehalten.