Der Landesvorstand der Grünen hat nun offiziell den Rauswurf von Boris Palmer beantragt. Der Anwalt von Tübingens OB, Rezzo Schlauch, ist siegesgewiss.

Tübingen - Die Liste der parteischädigenden Vergehungen, die Boris Palmer vorgeworfen werden, ist akribisch erarbeitet worden. Da geht es um wenig menschenfreundliche Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters zur Flüchtlingspolitik in Deutschland. Es wird die Rüpelradler-Affäre zitiert, als der Grünen-Politiker sich über einen Fahrradfahrer dunkler Hautfarbe in der Ulmer Fußgängerzone abfällig geäußert hat. Und es wird selbstverständlich jener Facebook-Post über den früheren deutschen Fußball-Nationspieler Dennis Aogo aufgezählt, in dem der Oberbürgermeister das rassistische N-Wort benutzt hat, es aber nur satirisch gemeint haben will.

 

Anwalt Rezzo Schlauch will kämpfen

Insgesamt 34 Seiten umfasst das Papier des Südwest-Landesvorstands der Grünen, in dem nun offiziell der Parteiausschluss von Boris Palmer beantragt wird. Anfang Mai hatte der Parteitag der Grünen beschlossen, ein entsprechendes Verfahren anzustrengen. Die aktuelle E-Mail ist sowohl der zuständigen Kreisschiedskommission Tübingen als auch Palmers Anwalt Rezzo Schlauch zugestellt worden. „Jedes Verfahren birgt das Risiko, dass man es verliert“, sagt Schlauch, „bei diesem bin ich optimistisch, dass wir es gewinnen.“ Zunächst wolle er den Antrag im Detail analysieren und selbstverständlich werde er im Namen Palmers in die Verteidigung gehen. Das fange damit an, dass er die Zuständigkeit in diesem Verfahren bei der Landesschiedskommission sehe, an deren Spitze eine Volljuristin stünde.

„Populistisch und destruktiv“

Schlauch hatte vergangene Woche von der Landesschiedskommission verlangt, förmlich festzustellen, dass die Partei gegen Palmer „keinen Rechtsanspruch auf Ausschluss aus der Partei hat“. Er schickte dem Gremium einen sogenannten Negativen Feststellungsantrag zu. Nach Auskunft von Schlauch kann damit ein behaupteter Rechtsanspruch – in diesem Fall das Recht auf Parteiausschluss – zurückgewiesen werden.

Detzer spricht von Verstößen gegen die Parteiordnung

Wie es weitergeht und vor allem welcher Zeitplan verfolgt werden soll, liegt in den Händen der dreiköpfigen Tübinger Kommission. „Die haben die Hoheit des Verfahrens“, sagt eine Sprecherin der Südwest-Grünen, da werde es nun sicherlich um die Terminfindung gehen. Die Gründe für die Verbannung Palmers schildern die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand ausführlich in einer Pressemitteilung. „Durch seine seit Jahren auftretenden Provokationen hat Boris Palmer vorsätzlich und erheblich gegen die Grundsätze sowie die Ordnung unserer Partei verstoßen.“

Eine lange Liste der Tabubrüche

Dabei gehe es nicht um Einzelfälle. „Wir haben es mit einer jahrelangen Vorgeschichte und einer langen Liste von kalkulierten Ausrutschern und inszenierten Tabubrüchen zu tun. Boris Palmer nutzt vor allem die Themen der Einwanderungs-, Flüchtlings-, und Menschenrechtspolitik dazu, sich Äußerung um Äußerung weiter von der Linie unserer Partei zu entfernen.“ Detzer und Hildenbrand erklären weiter: „Er hat unserer Partei mit seinen populistischen und destruktiven Äußerungen schweren Schaden zugefügt. Für jemanden, der mit Rassismus kokettiert und Ressentiments schürt, ist bei uns kein Platz.“

Ein Kompromiss-Schlupfloch bleibt

Palmer geht das angestrebte Verfahren nahe. Er überlegt sich genau, ob er für die Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2022 wieder kandidiert. Er werde sich über Weihnachten entscheiden, hat er angekündigt und immer wieder betont, dass er um seinen Verbleib in der Partei kämpfen will. Das Vorgehen der Grünen gegen ihn hält er für nicht rechtsstaatlich, seine Haltung ist eindeutig. „Wenn man in Deutschland so weit wäre, dass man aus der Partei fliegt, weil man einen satirischen Satz gesagt hat, dann könnte man ja jeden zur Strecke bringen.“

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Eine Besonderheit enthält der Antrag des Landesvorstands auch noch. Neben dem Parteiausschluss Palmers wird „hilfsweise“ ein Antrag auf ein Ruhen der Mitgliedschaft Palmers für zwei Jahre gestellt. Ein Kompromiss-Schlupfloch für die Palmer-Gegner.