Mit Tino Chrupalla und Alice Weidel gibt es künftig in der AfD eine Doppelspitze. Die Gruppe der gemäßigten Kräfte wurde auf dem Parteitag entmachtet. Die Strippen im Hintergrund zieht ein Mann aus Thüringen.

Auf ihrem Parteitag hat die AfD am Wochenende wichtige Personal- und damit Richtungsentscheidungen getroffen: An der Spitze der Partei stehen künftig Tino Chrupalla und Alice Weidel. In der neuen Führung sind erstmals keine Vertreter des sich selbst als freiheitlich-konservativ betrachtenden Lagers vertreten. Künftig kann die AfD auch von einer Einerspitze geführt werden. Die radikal rechten Kräfte gewinnen in der Partei massiv an Macht. Die Hoffnung auf ein Signal der Geschlossenheit erfüllte sich allerdings nicht: Am Sonntag stritt der Parteitag unversöhnlich über einen Antrag zur EU, in letzter Minute konnte Chrupalla die Situation retten. Ein Überblick:

 

Die Ausgangslage

In den Wochen vor dem Parteitag waren die Wogen hochgeschlagen: Nach mehreren schlechten Wahlergebnissen hatte eine Gruppe aus dem Lager des ehemaligen Parteichefs Jörg Meuthen zur Revolte gegen Parteichef Tino Chrupalla geblasen.

Die neue Parteispitze

Das neue Führungsduo Chrupalla und Weidel will sich selbst ideologisch keinem Lager innerhalb der Partei zuordnen, keiner von beiden grenzt sich jedoch in Richtung der extrem rechten Strömungen ab. Beide hätten ohne die gesicherten Stimmen aus dem ehemaligen Flügel keine Mehrheit bekommen. Chrupalla, der nur 53,4 Prozent der Stimmen erhielt, geht angeschlagen in seine zweite Amtszeit. Als er am ersten Tag des Parteitags den Rechenschaftsbericht des Vorstandes abgab, musste er sich heftiger Kritik und vielen Fragen stellen.

Weidel, die rhetorisch stärker und an der Basis beliebt ist, erhielt 67,3 Prozent. In ihrer Bewerbungsrede griff sie die auf dem Parteitag in vielen Beiträgen deutlich gewordene Sehnsucht nach einem Ende der Streitigkeiten und einer Rückkehr der Erfolge auf: Die AfD sei „das notwendige Korrektiv in der verkrusteten Parteienlandschaft“, so Weidel. Die Partei habe schon komfortablere Zeiten erlebt. Aber niemand sei angetreten, um es bequem zu haben. „Wir sind angetreten, um dieses Land zu verändern.“ Die AfD müsse wieder lernen zu kämpfen und geschlossen aufzutreten. Die Gruppe der sogenannten Gemäßigten wurde entmachtet. Im Vorfeld hatte Chrupalla eine Liste seines Wunschteams veröffentlicht – das entsprach seinem schon lange geäußerten Plan, mit einem „geeinten Vorschlag“ anzutreten. Von 14 Vorstandsmitgliedern stehen acht auf der Liste Chrupallas, drei kommen direkt aus dem Umfeld des thüringischen Partei- und Fraktionschefs Björn Höcke. Dazu gehört auch die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Christina Baum.

Damit hat die radikal rechte Strömung der Partei nun die Mehrheit im Vorstand. Keiner der ehemaligen Meuthen-Anhänger schaffte es erneut in das Gremium. So traten zum Beispiel die bisherige Parteivize Beatrix von Storch und die Beisitzerin Joana Cotar nicht einmal mehr an.

Die Parteitagstaktik des Höcke-Lagers

Offen hatte Höcke im Vorfeld dieses Parteitags damit geliebäugelt, für einen Sprecherposten anzutreten – so heißen bei der AfD die Parteichefs. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich auf diese Weise zu Wort meldet, ohne am Ende zu kandidieren. Das Signal war klar: Wer gewinnen wollte, musste das Lager Höckes einbinden. Entsprechend präsentierte Chrupalla rechtzeitig seine Wunschliste für den Vorstand. „Guten Morgen Riesa!“ – mit diesen Worten und einem an eine Bewerbungsrede erinnernden Wortbeitrag trat der Thüringer zu Beginn der Parteitages ans Rednerpult. Dabei ging es nur um eine Geschäftsordnungsdebatte. Die Taktik, mit solchen Auftritten die Stimmung und die Mehrheiten zu testen, kennt man von vorigen Parteitagen.

In Riesa wurde deutlich, wie sicher sich Höcke seiner Lenkungskraft sein kann. Noch vor der Wahl entschloss die Partei sich zu einer wichtigen Satzungsänderung – auf seinen Wunsch hin: Künftig kann die AfD von einer Einzelperson geführt werden. Höcke hatte eine eigene Kandidatur von einer Einerspitze abhängig gemacht. Bei dieser Wahl jedoch wollte man noch ein Duo an die Spitze stellen, auch dies hatte Höcke seiner Partei vorgeschlagen. Auf die Frage, ob er in zwei Jahren für den Posten des Parteichefs kandidieren werde, antwortete Höcke am Rande des Parteitags ausweichend. In der Zwischenzeit werde er wie bisher „beratend“ für die Bundesspitze tätig sein.

Neue Einigkeit? Ein Debakel am Ende

Die AfD nahm sich trotz des extralangen Parteitags nur wenig Zeit, inhaltliche Fragen zu debattieren. Als es am Sonntagnachmittag dazu kam, zerstob die Hoffnung auf ein Signal der Geschlossenheit. Es kam zu heftigen, stundenlangen Auseinandersetzungen über eine Resolution zur Europapolitik, zu deren Antragsstellern auch Höcke gehörte. Der vorgelegte Resolutionsentwurf sprach sich unter anderem für eine „einvernehmliche Auflösung der EU“ aus.

Sowohl Weidel als auch Chrupalla argumentierten zunächst vergeblich dafür, den Antrag erneut in den Gremien der Partei zu beraten – ein Debakel für die neue Spitze. Ein Delegierter warf der Spitze vor, wie „in der Merkel-CDU“ eine vorhandene Mehrheit verhindern zu wollen. Erst nach zwei Stunden Debatte, in denen mehrfach Abbruch des Parteitags beantragt worden war, gelang es der Spitze, eine Mehrheit für die Verschiebung des Antrags zu bekommen.