Bei der Nominierung von Markus Söder und der Wiederwahl von Horst Seehofer findet die CSU zur Einheit zurück. Im Wahlkampf will sie soziale Themen beackern – mit einer ganz bestimmten Stoßrichtung.

Nürnberg - Spätestens um kurz vor halb zwei an diesem Samstag Mittag steht fest: Die Inszenierung ist gelungen, die CSU startet in das, was Horst Seehofer gleich ganz als „neue Ära“ bezeichnet hat, die Doppelspitze ist installiert. Markus Söder, frisch zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst gekürt, bittet den kurz zuvor als Parteichef bestätigten Seehofer zu sich auf die Bühne. Sie fassen sich gar an der Hand und recken sie gemeinsam in Siegerpose hoch. So viel Gemeinsamkeit war nie zwischen den beiden Rivalen, und durch die Messehalle in Nürnberg rauscht ein Beifall der Erleichterung.

 

Söder hat eine gute halbstündige Wahlrede gehalten und bei den gut 800 Delegierten deutlich mehr Beifall erhalten als Seehofer in seiner fast doppelt so langen Amtsbilanz zuvor. 2008, sagt Seehofer, als er Ministerpräsident geworden sei, da habe er Bayern als Vorstufe zum Paradies beschrieben. „Heute kann man uneingeschränkt sagen, Bayern IST das Paradies!“ Söder widerspricht natürlich nicht. Aber er sagt: „Auch in Bayern ist nicht alles Glitzer und Glamour. Der bayerische Zug darf nicht dauernd Volldampf fahren, er muss auch mal langsamer machen, um die Leute wieder einsteigen lassen, die sich abgehängt fühlen. Die gehören dazu.“

„Lasst uns die Einheimischen nicht vergessen“

Aber es ist auch bei Seehofer deutlich: Die CSU will sich im Wahlkampf als „Partei der kleinen Leute“ darstellen. Die wirtschaftlich blendenden Zahlen Bayerns, gibt Seehofer zu, seien nicht alles: „Die Menschen haben andere Sehnsüchte, die wir vielleicht unterschätzt haben.“ Für das Wahldebakel sei nicht allein die Flüchtlingsfrage entscheidend gewesen, sondern auch die Angst der Menschen, es bleibe nichts übrig für Rente, Pflege, Lebensunterhalt bei ständig steigenden Mieten. Doch Finanzminister Söder biegt das gleich wieder in eine Richtung, die er als Wahlkämpfer von Stund’ an für die erfolgversprechendste hält: „Für die Zuwanderung gibt Bayern derzeit mehr aus als die Etats von Umwelt-, Wirtschafts- und Gesundheitsministerium zusammen.“ Man helfe „ja gerne“ den Menschen, die nach Bayern kämen, „aber lasst uns darüber die Einheimischen nicht vergessen.“

Söder will alles: dass „Bayern Bayern bleibt, so wie es ist, und sich trotzdem weiterentwickelt.“ Bodenständig solle es sein und weltoffen gleichzeitig, „fürsorglich und ein starker Staat“, der mit umfangreich ausgebauter Polizei die „Herrschaft des Rechts“ durchsetze – und abzuschiebenden Ausländern nicht auch noch Geld gebe, damit sie freiwillig gingen. Eigentlich keine neuen Ansätze. Dennoch viel Applaus in der Halle.

Vier Arme heben sich gegen Söder

Und als sie Söder dann offiziell zum nächsten Ministerpräsidenten nominieren – im Frühjahr wird ihm Horst Seehofer das Amt übergeben, im Oktober sind Landtagswahlen – da findet die Nürnberger Messehalle dann tatsächlich zu der „legendären“ Einheit, die man bei der CSU in den letzten Wochen eher verzweifelt herbeibeschworen hat: Gegen Söder heben sich nur vier Arme. Alle anderen sagen Ja.

Seehofer hingegen muss sich mit sichtlich weniger zufrieden geben. 83,7 Prozent kriegt er bei seiner Wiederwahl als Parteichef, so wenig wie noch nie in seinen neun Amtsjahren zuvor. Aber als „gutes Ergebnis“ hatte die CSU zuvor eine Marge von 80 Prozent angepeilt; so kann also auch Seehofer zufrieden sein – und sich bestätigt sehen in seinem Berliner Mandat: Wie schon in die Jamaika-Sondierungen wird er als Chefverhandler der CSU auch in die Gespräche mit der SPD ziehen.

„Bayern kommt für uns immer zuerst“

Söder ist ganz froh darüber, das nicht selber erledigen zu müssen. Mit Berlin will er bekanntlich nichts am Hut haben. Auf diese Weise behält er sich in Bayern freie Hand, auch gegen das neue Berlin Wahlkampf zu treiben, wenn’s ihm denn nützt. Obwohl: Seehofer hat Söder und der Partei versprochen: „Auch mit der SPD werden wir nichts vereinbaren, was unseren Landtagswahlkampf erschwert oder beschädigt.“ Bayern, sagt Seehofer, „kommt für uns immer zuerst.“ Und wieder rauscht Applaus durch die Halle.