Als „Eisheilige“ gelten die Vertreter der Bezirke bei FDP-Vorstandswahlen gesetzt. Nicht so beim nächsten Landesparteitag in Karlsruhe: Der mächtigste Bezirkschef wird da von seinem Vorgänger herausgefordert – eine Kandidatur, die viele Liberale rätseln lässt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der FDP-Landesparteitag am kommenden Samstag in Karlsruhe sollte eigentlich in ruhigen Bahnen verlaufen. Knapp drei Monate vor der Bundestagswahl kann man weder personell noch programmatisch Überraschungen gebrauchen. Der Leitantrag (Titel: „Mobilität ist Freiheit“) dürfte mit großer Mehrheit verabschiedet werden, die Parteispitze um Michael Theurer klar bestätigt werden.

 

Nun aber gibt es doch noch etwas Spannung bei den Vorstandswahlen. Ein Liberalen-Veteran schickt sich nämlich an, einen Platzhirsch aus dem Gremium zu verdrängen. Es geht um die Position eines „Eisheiligen“, also um jene Beisitzer, die für die Bezirksverbände reserviert sind. Traditionell küren die Bezirke ihren Kandidaten, der von den Delegierten dann ohne Konkurrenz einmütig bestätigt wird. Beim mächtigsten Bezirk Region Stuttgart ist das wieder der Vorsitzende Hartfrid Wolff (46). Von 2005 bis 2013 saß der Jurist und Wirtschaftsprüfer im Bundestag, dieses Jahr verzichtete er auf eine neue Kandidatur, wegen Familie und Beruf. In der FDP will sich der profilierte Innenpolitiker, der zeitweise auch Vize-Landeschef war, freilich weiter engagieren.

Vergeblich um Verzicht gebeten

Herausgefordert wird Wolff in Karlsruhe ausgerechnet von seinem Vorgänger, dem Gerlinger Apotheker Wolfgang Weng (74). Der Ehrenvorsitzende des Bezirks, Ex-Landesschatzmeister und Ex-Abgeordnete von Bundes- und Landtag will es überraschend noch einmal wissen. Zunächst hatte er Wolff freundlich gebeten, zu seinen Gunsten auf die Kandidatur zu verzichten. Doch der wollte nichts davon wissen. Nun will sich Weng den Posten eben erkämpfen – wohl wissend, dass das alles andere als einfach wird.

Erfahrung als wichtigstes Pfund

Sein Antreten begründete Weng in einer Rundmail an alle Kreisvorsitzenden. Gerne stelle er seine „umfangreiche Erfahrung“ noch einmal in den Dienst der Partei. Beim erhofften Wiedereinzug in den Bundestag könne er gerade für die neuen Abgeordneten „eine gute und wichtige Rolle spielen“. Zudem wandte er sich an die Vorsitzenden der Vereinigungen, von den Julis bis zu den Senioren. Zu jeder fielen ihm ein oder mehrere Beispiele ein, wie er sich in der Vergangenheit erfolgreich für sie eingesetzt habe.

Als unermüdlicher Strippenzieher hinter den Kulissen hat der Gerlinger in der Tat einiges erreicht. Gleichwohl leuchtet vielen Parteifreunden nicht recht ein, warum er nun noch einmal in den Vorstand strebt. Hinter vorgehaltener Hand wird seine Kandidatur überwiegend kritisch kommentiert – als verwunderlich, leicht bizarr oder gar tragisch. Weng müsse in Karlsruhe schon eine fulminante Vorstellungsrede halten, heißt es, um eine Chance gegen Wolff zu haben; doch als großer Rhetoriker galt er nie. Manche Freidemokraten finden es gar nicht gut, dass ein „Eisheiliger“ plötzlich Konkurrenz aus den eigenen Reihen bekommt – zumal im beginnenden Wahlkampf.

Eine Kandidatur ohne Chance?

Doch Weng setzt darauf, dass es gerade Liberale reizen könnte, einmal eingefahrene Gleise zu verlassen. „Das war schon immer so“, „da kann ja jeder kommen“ – solche Sprüche gälten in der FDP vielleicht weniger als bei anderen Parteien. Manchen Gefährten fällt zu seiner Kandidatur freilich ein anderes Motto ein: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.“