Einst galt der Südwesten als Labor für Grün-Schwarz. Vorbei. Die Grünen entdecken im ländlichen Raum neue Wählerpotenziale. Das macht Stress mit der CDU, wie beim kleinen Parteitag in Baden-Baden deutlich wurde.

Baden-Baden - Über viele Jahre hinweg hat sich die CDU als „die Baden-Württemberg-Partei“ annonciert, nun bieten die Grünen der 2011 gestrauchelten Dauerregierungspartei die Stirn. „Wir sind die Partei für ganz Baden-Württemberg“ – mit diesem Fanfarenstoß begegnete die Grünen-Landeschefin Thekla Walker in ihrer Rede am Samstag auf dem kleinen Parteitag in Baden-Baden der verblichenen CDU-Parole.

 

Das durfte durchaus programmatisch verstanden werden. Die Grünen, bisher für Wahlerfolge vor allem im studentisch geprägten urbanen Raum bekannt, hofft bei der Kommunalwahl in zwei Wochen auf Geländegewinne im ländlichen Raum. „Im Grünen daheim“, war denn auch der Leitantrag betitelt, der in Baden-Baden beraten wurde. Und dass man sich dazu in dem bisher als Privatier- und Rentiermetropole bekannten Kurort versammelte, begründete Thekla Walker mit dem Hinweis, man befinde sich doch an der „Pforte zum gerade neu eröffneten Nationalpark“

Dem Druck stand gehalten

Grün allerorten. Baden-Badens Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU) versäumte in seinem Grußwort nicht den Hinweis, nirgends seien die Bäume so grün wie an der Oos. Gerstner gehört zu jenen Christdemokraten, die den Nationalpark richtig gut finden und schon deshalb nicht alles ablehnen, was die Grünen sagen und tun. Einen „Edelstein“ nannte er den Nationalpark, „etwas, was bleibenden Wert hat“.

Edelsteine entstünden unter starke Druck, sagte Gerstner und schmeichelte den Delegierten mit einer kühnen Analogie: „Sie haben diesem Druck stand gehalten.“ Die Grünen hätten ihren Erfolg der Tatsache zu verdanken, „dass sie gestanden sind bei Themen, die ihnen wichtig waren“.

Da redete ein Christdemokrat sehr freundlich mit den Grünen, die sich dafür auch gerne revanchierten. Seit dem Machtwechsel im Südwesten vor drei Jahren ist das aber die Ausnahme. Ausgerechnet im einst als schwarz-grünes Labor beschriebenen Südwesten liegen sich beide Parteien in den Haaren. „Wir erleben, wie die CDU alle Brücken für Schwarz-Grün, die es in Baden-Württemberg gab, gerade abbricht“, klagte unlängst Agrarminister Alexander Bonde.

Auf dem kleinen Parteitag machte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann diese Kritik zu eigen. Er nannte die CDU so orientierungslos wie einfallslos: „Sie weiß nicht, was sie will, wofür sie steht, was ihre Werte sind.“ Im Landtag wettere sie gegen die Gemeinschaftsschule, vor Ort stimme sie dafür. Jahrelang habe die CDU die Augen vor den zurückgehenden Schülerzahlen geschlossen und damit eines unkontrollierten Schulsterbens vor allem auf dem Land in Kauf genommen. Unklar sei auch die Haltung der CDU zur gymnasialen Schulzeit oder zur Aufhebung der verbindlichen Grundschulempfehlung.

Politik im Trachtenjanker

Agrarminister Bonde, gestählt im Kampf um den Nationalpark und in Baden-Baden thematisch passend in dem ihm lieb gewordenen Trachtenjanker auftretend, warf der Landes-CDU vor, in ihrer Orientierungslosigkeit besinnungslos auf alles einzuschlagen, was sich bewege. „Die CDU tut so, als ob sie den ländlichen Raum gepachtet“ habe. Das aber sei falsch. „Wir sind die Kraft im ländlichen Raum.“

Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner monierte, die CDU verfolge in der Landwirtschaft ein „agroindustrielles Modell“. Grünen-Landeschefin Walker erkannte eine „irrlichternde CDU“, die in Person von Landtagsfraktionschef Peter Hauk keine Skrupel habe, an der Seite mit Rechtsextremen gegen den Bildungsplan aufzutreten oder in Gestalt des Landesvorsitzenden Thomas Strobl davor warne, Fracking kategorisch abzulehnen.

So viel Schelte in Richtung CDU war bei den Südwest-CDU bisher kaum zu hören gewesen. Für die CDU ist das Ausdruck der Dünnhäutigkeit der Grünen. Die Ministerpräsidentenpartei tue sich schwer, Kritik an der Regierungspartei auszuhalten. Ganz sicher aber sind die rhetorischen Scharmützel die Folge des Versuchs der Grünen, nicht länger nur in den Städten mit der SPD um dieselbe Wählerklientel zu balgen, sondern auf dem Land in die Hochburgen der CDU einzudringen.