Der Parteitag der US-Demokraten hat seinen ersten Höhepunkt hinter sich. Mit einem emotionalen Abschied hat US-Präsident Joe Biden die Delegierten auf seine Vizepräsidentin als Nachfolgerin eingeschworen.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Beim großen Finale fehlten eigentlich nur die Ballons. So enthusiastisch feierten die Demokraten den scheidenden Präsidenten bei der Eröffnung ihres Parteitags in Chicago. Am Ende standen Joe Biden und Kamala Harris vereint auf der Bühne und strahlten. Mit dem Versprechen des Präsidenten, im Wahlkampf der beste Freiwillige für Kamala zu sein.

 

Für Biden muss das ein bittersüßer Moment gewesen sein, zu seinem Abschied mehr bejubelt worden zu sein als während seiner Amtszeit. Vier Minuten stehender Beifall bevor er überhaupt nur zu Wort kam. Die Demokraten feierten ihn, weil er selbstlos die Fackel an seine Vizepräsidentin weitergegeben hat.

Kamala Harris zollt Biden Anerkennung

Nur zu gut erinnert sich der 81-Jährige daran, dass viele derselben Delegierten, die „Danke, Joe“ skandierten, ihn vor vier Wochen noch zum Rückzug gedrängt hatten. Eine Entscheidung, die dem Präsidenten mehr als schwerfiel. Wie richtig sie war, zeigt der kometenhafte Aufstieg von Kamala Harris zur neuen Hoffnungsträgerin der Partei.

Bei dem scheidenden US-Präsidenten sind auch Tränen geflossen. Foto: AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Die Präsidentschaftskandidatin demonstrierte ihrerseits großes Einfühlungsvermögen, Biden mit ihrer Präsenz Anerkennung zu zollen. Dass die Frau, die seine Politik loyal unterstützte, jetzt national in den Umfragen vorn liegt und Donald Trump in den Swing States eingeholt hat, unterstreicht, wie sehr Biden selbst das Problem war. Die Amerikaner hielten ihn körperlich und mental für zu schwach, eine weitere Amtszeit durchzustehen.

Biden erinnert an die Erfolge seiner Amtszeit

Vielleicht mit Ausnahme seiner Positionierung im Gaza-Konflikt genießt seine Politik dagegen mehr Unterstützung, als seine schwachen Zustimmungswerte vermuten lassen. Deshalb nutzte er seinen letzten großen Auftritt vor einem Millionenpublikum dafür, an seine Errungenschaften zu erinnern. Biden hat nie große Reden gehalten, aber mit knappen Mehrheiten im Kongress mehr durchgesetzt als viele seiner Vorgänger.

Als er 2020 sein Amt übernahm, erholte sich die Nation von dem Schock des Sturms auf den Kongress durch Anhänger Trumps, die den friedlichen Transfer der Macht verhindern wollten. Die Amerikaner waren müde von den Strapazen der COVID-Pandemie, schlugen sich mit Lieferketten-Engpässen, fehlenden Arbeitskräften und steigenden Preisen herum.

US-Präsident warnt vor einem möglichen Nachfolger Trump

Dank der massiven Reformgesetze, die in die soziale Sicherheit, die grüne Wende, die marode Infrastruktur und Zukunftstechnologien investierten, ist die US-Wirtschaft heute der Neid der Welt. Nicht zu vergessen, dass das große Geschick, mit dem Biden nach dem russischen Überfall der Ukraine die NATO zusammenschweißte und Kiew half.

Biden hat jeden Grund dafür, in seiner Parteitagsrede die Lorbeeren für sich und Kamala zu reklamieren. Aber er richtete auch den Blick nach vorn. Eindringlich warnte er vor den Gefahren, die von dem Möchtegernautokraten Trump und seinem Projekt 2025 für die Demokratie in Amerika ausgehen. Und er singt den Lobpreis auf Kamala Harris, die er für diesen Moment in weiser Voraussicht positioniert hatte.

Demokraten wollen in die Zukunft aufbrechen

Der Präsident schaffte es in dieser Mischung aus Abschieds- und Wahlkampfrede, die richtige Balance zwischen der Sicherung seines Erbes und dem Aufbruch in eine neue Zeit zu halten. Dass er auf einem Parteitag, der einmal als Krönungsmesse für ihn gedacht war, nun als Cheerleader für seine Stellvertreterin in der Eröffnungsnacht auftrat, spricht für den Charakter Bidens.

Wie übrigens auch für den Hillary Clintons, die an diesem Abend selbst auf eine emotionale Achterbahnfahrt gegangen war. Als unterlegene Gegenkandidatin Trumps 2016 weiß sie nur zu gut, wie hart die Glasdecke war, die sie zurückgehalten hatte, als erste Frau ins Weiße Haus zu ziehen. Inklusive der sexistischen Attacken eines notorischen Lügners, der vor keiner Beleidigung zurückschreckte.

Hillarys Unterstützung für Kamala kommt so sehr von Herzen wie die Bidens. Doch die Demokraten wollen nicht in Nostalgie schwelgen, sondern in die Zukunft aufbrechen. Wenn der Präsident am Dienstag für zwei Wochen in den Urlaub verschwindet, hat Kamala Harris die Bühne ganz für sich. Es liegt dann an ihr, der Partei mit der übergebenen Fackel zum Sieg zu leuchten.