In Bonn hat sich die Linke zu ihrem Europa-Parteitag versammelt. Bevor die Spitzenkandidaten nominiert werden, muss sich die Partei eine grundsätzliche Frage stellen: Wie steht sie zur Europäische Union?

Bonn - Als Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Linkspartei, am Samstagnachmittag ans Mikrofon tritt, weiß er schon, dass er gewonnen hat. In Bonn hat sich die Linke zu ihrem Europa-Parteitag versammelt. Wie bei allen anderen Parteien müssen die Spitzenkandidaten nominiert werden. Aber anders als bei den Regierungsparteien Union und SPD, anders auch als bei den Grünen, müssen sich die Linken erst darüber verständigen, ob die Europäische Union für sie eine Errungenschaft oder nicht doch eher eine Bedrohung ist.

 

Mit diesen Verhandlungen vergeht ein großer Teil des Samstags. Und sie bringen am Ende ein eindeutiges Ergebnis. Die Partei will die EU gründlich reformieren, will verbindliche europäische Sozialstandards, eine europäische Arbeitslosenversicherung, wendet sich gegen eine Militarisierung der Union und verlangt mehr Mitsprachemöglichkeiten des Parlaments – aber sie lehnt die Europäische Union eben nicht grundsätzlich ab.

Wahlprogramm liefert Bekenntnis zur EU

Das hatte in der Tat zur Debatte gestanden. Vertreter der äußerst linken Strömungsgruppe „Antikapitalistische Linke“ hatten einen Frontalangriff gestartet. Vorstandsmitglied Lucy Redler nannte in ihrer Rede die EU „keinen Rahmen, den man mit anderem Inhalt füllen kann“, vielmehr sei sie „ein Haus auf schiefem Fundament“, in dem man „auf Dauer nicht leben kann“. Diese Totalabsage wollten die linken Fundamentalisten auch im Wahlprogramm verankert wissen.

Andererseits legten die Ober-Realos um Dietmar Bartsch und Stefan Liebich ein Papier vor, dass letztlich auf eine Überwindung der europäischen Nationalstaaten hinausgelaufen wäre. Die pro-europäische „Vision einer Republik Europa“ sollte „die Bürger davon überzeugen“ sollte, „dass mehr Europa der erfolgreiche Weg in eine bessere Zukunft ist“.

Beide Konzepte wurden vom Parteitag abgelehnt, sodass am Ende der Leitantrag des Vorstands, für den die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger im Vorfeld intensiv geworben hatten, im Kern unverändert beschlossen wurde. Das linke Wahlprogramm liefert nun ein unpathetisches, aber bestimmtes Bekenntnis zur Europäischen Union. Die Partei will für „einen Neustart“ der EU eintreten. Dabei sollen „jene vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind“ einer „vollständigen Revision“ unterzogen werden. Damit konnten dann alle Flügel leben.

Bernd Riexinger redet Partei in Wahlkampf-Modus

Durchgesetzt hat sich damit auch die Erkenntnis, dass es für die Linke nicht gut ausgehen kann, einen Wahlkampf mit anti-europäischen Ressentiment zu führen. So kann keine Begeisterung erzeugt werden. Gregor Gysi, immer noch eine Autorität in der Partei, hat den Delegierten diesbezüglich ins Gewissen geredet. Man solle nicht „immer negativ formulieren“. Gysi, der auch Chef der europäischen Linken ist, rief den Parteitag dazu auf, „die EU nicht als notwendiges Übel, sondern als Chance“ zu begreifen. Seine Kernbotschaft, die letztlich mehrheitsfähig war: „Die pro-europäische Jugend gewinnen wir nicht durch negative Botschaften.“

So konnte Bernd Riexinger die Partei entspannt in den Wahlkampf-Modus reden. „Gerade in dieser Zeit eine starke Linke, die dem Europa der Banken und Konzerne den Kampf ansagt“, war so eine Maxime, hinter der sich die Delegierten gerne versammeln ließen. Die Linke setze auf ein Europa, „in dem die Würde, das Leben und die Interessen der Millionen Lohnabhängigen an erster Stelle stehen“.

Partei ist des internen Dauerstreits müde

Der große Beifall, den Riexinger erhielt, machte auch deutlich, dass die Partei des internen Dauerstreites langsam müde wird. Das zeigte sich auch in der Rede des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Dietmar Bartsch. Der brachte die allgemeine Stimmung auf den Punkt: „Wir brauchen keine Zersplitterung. Die Einheit der Partei ist kein Witz, kein Spiel, sie ist ein historischer Auftrag.“ Ein Auftrag, der diesmal leichter zu erfüllen war, da Sahra Wagenknecht krankheitsbedingt nicht zum linken Konvent kommen konnte.