Bei den Kommunalwahlen 2019 wollen die Grünen mit dem Thema Wohnraum punkten. Der Grünen Jugend ist das zu wenig.

Konstanz - Dass Annalena Baerbock nicht zum Landesparteitag nach Konstanz kam, sondern zur Großdemo gegen die Abholzung des Hambacher Waldes fuhr, können die baden-württembergischen Grünen gut verkraften. An Stelle der Bundesvorsitzenden rückt eine andere Frau kurz in den Mittelpunkt: Nadia Murad, die tags zuvor für den Friedensnobelpreis nominiert worden war. „Sie schenkt Hoffnung und ist Vorbild und Ermutigung, sich mit aller Kraft für die Menschenrechte einzusetzen“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann und erntet viel Beifall. 2014 hatte er sich dafür eingesetzt, dass 1000 jesidische Frauen und Kinder in Baden-Württemberg aufgenommen wurden, die von der Terrorgruppe Islamischer Staat verschleppt worden waren. Unter ihnen war auch Nadia Murad, inzwischen 25 Jahre alt. „Ihr ist es gelungen, sich ins Leben zurückzukämpfen“, sagt Kretschmann. Nun setze sie sich für andere Menschen in Not ein.

 

Das wollen auch die Grünen tun. Ins Zentrum ihres zweitägigen Treffens am Bodensee haben sie das Thema Wohnen gestellt, damit möchten sie auch bei der Kommunalwahl im Mai 2019 punkten. Wohnen sei die neue soziale Frage, sagt Landeschef Oliver Hildenbrand. Landeschefin Sandra Detzer weist darauf hin, dass seit dem Regierungsantritt der Grünen 2011 die Mittel zur Wohnraumförderung verfünffacht worden seien – sie liegt seit 2017 bei 250 Millionen Euro pro Jahr. Einfach mehr reiche allerdings nicht, sozial und ökologisch müssten Hand in Hand gehen.

Marktversagen auf dem Immobilienmarkt

In dieser Frage haben die Grünen den Ministerpräsidenten ganz an ihrer Seite. „Wir haben es hier mit einem echten Marktversagen zu tun“, sagt Kretschmann. „Der Staat muss beim Wohnen wieder stärker selbst aktiv werden.“ Bei seiner Delegationsreise nach Kalifornien Mitte September hatte er nicht viel über die Chancen und Herausforderungen durch die digitale Revolution erfahren, sondern auch die vielen Obdachlosen in San Francisco gesehen, die sich die steigenden Mieten schon lange nicht mehr leisten können.

Unter anderem wollen die Grünen einen so genannten Bodenfonds einrichten. Mit dem Geld – bis zu eine halbe Milliarde sind im Gespräch – sollen die Kommunen dabei unterstützt werden, ausgewiesene Baugebiete selbst zu kaufen, und dadurch mehr Einfluss erhalten, wie die Flächen bebaut werden. Derzeit setzen Investoren vor allem auf teure Wohnungen. Vom Bund fordern die Grünen, dass er den Kommunen Vorkaufsrecht einräumt.

Grüne Jugend warnt vor Selbstzufriedenheit

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) haben sie in dieser Frage schon auf ihrer Seite, und auch aus den Kommunen kommt Zustimmung. Die Forderung viele Städte und Gemeinden, dass aber auch zusätzliches Bauland ausgewiesen werden müsse, wollen die Grünen allerdings nur in Ausnahmefällen nachkommen. Solche Flächen dürften nicht für Einfamilienhäuser genutzt werden.

Angesichts der guten Umfragewerte ist die Stimmung in Konstanz relativ entspannt. Mancher hofft darauf, dass die Grünen bald auch in Bayern mitregieren und damit die jahrzehntelange Vorherrschaft der CSU beenden. In einem eben erschienenen Buch hat Kretschmann die Grünen als die eigentlichen Konservativen präsentiert – weil sie sich für eine nachhaltige Politik stark machten.

Der Grünen Jugend reichen die Ergebnisse nicht. Landeschefin Lena Schwelling warnt vor Selbstzufriedenheit und fordert noch mehr Engagement, etwa für den Klimaschutz und die Gemeinschaftsschulen. Und sie kritisiert, dass die Grünen bei der Reform des Landtagswahlrechts vor der CDU eingeknickt sind. Diese sollte sicherstellen, dass künftig mehr Frauen ins Parlamten kommen. Das stinkt auch anderen Delegierten. Sie fordern, dass sich die Grünenfraktion für ein Bürger-/-innenforum einsetzt.

Kretschmann warnt vor Populisten

Den Ministerpräsidenten treibt noch ein anderes Thema um. Mit Blick auf die rechten Ausschreitungen in Sachsen und auf verbale Attacken aus der AfD-Landtagsfraktion auf Landtagspräsidentin Muhterem Aras appelliert Kretschmann an seine Partei und die Öffentlichkeit, die Demokratie gegen jegliche Übergriffe von Terroristen und Populisten zu verteidigen. „Für Feinde der Freiheit kann es keine Freiheit, für Feinde der Toleranz keine Toleranz geben“, erklärt er. Nötig seien eine starke Polizei und eine starke Justiz, aber auch mutige Bürger.