Kanzlerin Merkel verzichtet auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz. Nach dem schlechten Abschneiden der Partei bei der Hessenwahl werten viele in der Südwest-CDU diese Entscheidung als richtiges Signal. Doch nicht allen geht ihr Schritt weit genug.

Stuttgart - Der angekündigte Verzicht von Kanzlerin Angela Merkel auf den Bundesparteivorsitz wird in der Südwest-CDU weitgehend begrüßt. Nach dem Debakel der Partei bei der Landtagswahl am Sonntag in Hessen gab es am Montag in der Jungen Union Baden-Württemberg aber auch Forderungen nach einem Rückzug vom Amt der Bundeskanzlerin.

 

CDU-Bundesvize Thomas Strobl bezeichnete die Entscheidung der Kanzlerin als einen respektablen Schritt. „Frau Merkel gestaltet einen Übergang, sie flieht nicht“, sagte er der Rhein-Neckar-Zeitung (Dienstag). So gebe sie der CDU die Möglichkeit, einen erfolgreichen Übergang zu organisieren. Zugleich forderte er auch von den anderen Parteien in der Bundesregierung Konsequenzen. Zwischen CDU, CSU und SPD müsse es nun so etwas wie einen Gemeinschaftsgeist geben. „Und wer nicht mitzieht, soll gehen“, sagte er. Strobl ist CDU-Landeschef im Südwesten, Vizeregierungschef und auch Innenminister.

Lob für Merkels angekündigten Rückzug kam von Justizminister Guido Wolf (CDU). „Er ist auch ein Signal an die Wähler: Wir haben endlich verstanden und reagieren nun auch mit personellen Veränderungen“, sagte er. Die Trennung von Parteivorsitz und Kanzleramt böte der CDU die Chance, sich wieder breiter aufzustellen. „Wir brauchen neue Köpfe, die sich bewähren können - auch, um für die Zeit nach der Kanzlerschaft von Angela Merkel gerüstet zu sein.“

Nun werden Stimmen laut, die auch das Ende ihrer Kanzlerschaft fordern

Merkel hat nach den massiven Stimmenverlusten der CDU bei der Hessenwahl angekündigt, auf den Parteivorsitz zu verzichten. Sie will aber Kanzlerin bleiben. Bislang hatte sie immer betont, dass für sie Parteivorsitz und Kanzlerschaft zusammengehören.

Nun werden Stimmen laut, die auch das Ende ihrer Kanzlerschaft fordern. „Wir glauben, dass Angela Merkel schon richtig lag und der Parteivorsitzende auch Kanzler sein sollte“, sagte der Landeschef der Junge Union (JU) Philipp Bürkle der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstag). „Der neue Bundesvorsitzende sollte daher auch die Regierung anführen und konsequenterweise Bundeskanzler werden.“

Als möglicher Nachfolger hat sich Friedrich Merz ins Gespräch gebracht

Das Ende der Kanzlerin sieht auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel gekommen. „Dem Rücktritt Angela Merkels vom CDU-Parteivorsitz muss zwangsläufig auch der Rücktritt vom Amt der Bundeskanzlerin folgen.“ Die Chance zur Richtungsänderung habe die CDU beim Parteitag im Dezember. „Bis dahin bleiben Zweifel, ob die Christdemokraten es mit einer Erneuerung wirklich ernst meinen und nicht erneut den Mitgliedern und Bürgern nur Sand in die Augen streuen wollen.„

Als möglicher Nachfolger an der CDU-Parteispitze hat sich unter anderem der frühere Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Friedrich Merz, ins Gespräch gebracht. Begrüßt wird dieser Vorstoß vom CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart. „Eine Kandidatur von Friedrich Merz wäre ein hochattraktives Angebot, da er die CDU wieder auf einen wirtschaftsliberalen Kurs bringen würde“, sagte er der „Südwest Presse“. Die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, positionierte sich eindeutig gegen Merz. „Wir brauchen eine neue, starke und durchsetzungsfähige Persönlichkeit, die die Partei in die Zukunft führt – und keinen Mann von gestern“, sagte Maag unserer Zeitung.

Unterschiedliche Reaktionen

Dagegen sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (Waiblingen), er halte Merz für „geeignet, der CDU verlorenes Selbstvertrauen wieder zurückzugeben“ und die Partei „sowohl in der Wirtschafts- und Finanzpolitik als auch auf europäischer Ebene wieder klar marktwirtschaftlich zu positionieren“. Pfeiffer hält den Rückzug Angela Merkels vom Parteivorsitz zwar für richtig, erwartet von Merkel aber mehr: Er halte es für richtig, „noch in dieser Legislaturperiode einen Wechsel an der Regierungsspitze vorzunehmen und mit neuem Personal und neuem Programm in die nächsten Bundestagswahlen zu gehen“.

EU-Kommissar Günther Oettinger hat sich dafür ausgesprochen, einen Parteivorsitzenden zu wählen, der das Profil der CDU „als klassische Europapartei“ schärft. Man solle eine Frau oder einen Mann finden, „der ausgewiesen europäisch denkt und die Europa-Wahl Ende Mai 2019 im Blick hat“, sagte Oettinger unserer Zeitung. CDU und CSU seien wichtig, „damit Europa handlungsfähig bleibt und nicht Populisten von links und rechts Unheil anrichten können“.