Seit fast 30 Jahren arbeitet Baden-Württemberg bei den „vier Motoren“ mit Katalonien zusammen. Nun aber belasten die Unabhängigkeitsbestrebungen die Kooperation. Landespolitiker trafen sich mehrfach mit führenden Separatisten – und fanden nichts dabei.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Tag der hehren Worte, als Baden-Württemberg Anfang Oktober turnusgemäß die Präsidentschaft der „Vier Motoren für Europa“ übernahm. Man wolle die bewährte und gefestigte Zusammenarbeit der Regionen Baden-Württemberg, Auvergne-Rhone-Alpes (Frankreich), Katalonien (Spanien) und Lombardei (Italien) weiter fortsetzen, verkündete der eigens nach Lyon gereiste Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Gemeinsam wolle man neue Themen wie die Industrie der Zukunft oder die Transformation der Autokonzerne angehen, auf dass die vier Regionen ihre Wirtschaftsstärke bewahrten. Bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen des Netzwerks im Jahr 2018 werde man zeigen, dass „uns Europäer doch mehr verbindet als trennt“.

 

Mit keiner Silbe wurden in der offiziellen Mitteilung über das Treffen die Turbulenzen bei einem der vier Partner erwähnt. Wenige Tage zuvor hatte die Regionalregierung in Barcelona ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens abhalten lassen – der Auftakt für schwere Unruhen und bis heute andauernde massive politische Unsicherheit. Das Ergebnis fiel wie erwartet aus: Etwa 90 Prozent der Teilnehmer votierten für die Autonomie. Die spanische Zentralregierung in Madrid reagierte mit Härte, stellte die Region unter Zwangsverwaltung und verfolgte die Führer der Separatisten juristisch, vorneweg den Regionalpremier Carles Puigdemont.

Stuttgart beobachtet die Entwicklung mit Sorge

In Stuttgart wird die Entwicklung seither „mit Sorge“ beobachtet, wie ein Regierungssprecher unserer Zeitung sagte. Demokratie und Rechtsstaat seien wichtige Pfeiler der EU, sie müssten auch in Spanien gelten. Die Spaltung lasse sich nur „mit einem gemeinsamen innerspanischen Weg“ überwinden. Weiter wolle man sich nicht äußern, schon weil der Bund für Außenpolitik zuständig sei.

Vor Journalisten betonte Europaminister Guido Wolf (CDU) dieser Tage, die Separatisten verstießen vielfach gegen geltendes Recht. Er zeigte sich aber auch irritiert über die massive Reaktion Spaniens: Das Ausmaß der Gewalt habe ihn „sehr betroffen gemacht“. Natürlich werde die Zusammenarbeit der „Vier Motoren“ durch den Konflikt erschwert, sekundierte Kretschmann. Es gebe aber keinen Anlass, sie nicht fortzusetzen.

Der einstige Partner ist heute im Visier der Justiz

Eher vage blieben die Antworten auf die Frage nach der konkreten Kooperation mit Separatisten. Man treffe sich meist auf Arbeitsebene, teilte das Staatsministerium mit. Da könne „nicht beurteilt werden“, inwieweit die Ansprechpartner für die Unabhängigkeit Kataloniens kämpften. Auch die Regierungskontakte fänden „immer in einem fachlichen Kontext“ statt. Bei seinem Treffen mit dem katalonischen Regionalpräsidenten Artur Mas sei es 2014 in Barcelona um die Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung gegangen, berichtete Kretschmann. Mit dabei war auch die Erziehungsministerin Irene Rigau i Oliver.

Noch im gleichen Jahr ließ Mas ein erstes illegales Referendum abhalten, er und Rigau wurden später angeklagt und 2017 zu Geldstrafen samt Verbot der Amtsausübung verurteilt; dieser Tage ordnete ein Gericht an, Mas‘ privaten Besitz zu beschlagnahmen. Auch anderen Regierenden aus Stuttgart ist der Katalane wohlbekannt: 2011 besuchte ihn die damalige Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) in Barcelona, Staatsminister Peter Friedrich (SPD) traf ihn 2012 in Brüssel und 2015 in Barcelona, samt Rigau.

Kein Landesgeld nach Katalonien geflossen

Besonders wenig Scheu vor Auftritten mit den Separatisten zeigte Kretschmanns Staatsrätin Gisela Erler (Grüne). Noch in diesem September traf sie eine Vertreterin Kataloniens in Kopenhagen, im Zuge einer „gemeinsamen Mission“ der „Vier Motoren“ in Dänemark. Der Ort, die dortige „Botschaft“, diente wie acht weitere auch dazu, für die Unabhängigkeit der Region im Ausland zu werben. Am 9. Oktober, als die Krise in Katalonien längst hochkochte, kam Erler in Brüssel mit dem katalonischen „Botschafter“ Amadeu Altafaj zusammen – der wenige Tage später abgesetzt wurde. Er und weitere Mitarbeiter, hieß es, hätten dem Regionalpremier Puigdemont die Flucht nach Brüssel mit ermöglicht. Erler betonte jetzt, sie habe sich damit natürlich nicht zur Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegung bekannt, sondern nur zur weiteren Zusammenarbeit.

Schwache Hoffnung auf Normalisierung

Wie diese aussehen wird, ist derzeit höchst ungewiss. Gespannt wird nun erst einmal das Ergebnis der Regionalwahl an diesem Donnerstag erwartet. Man hoffe, so ein Stuttgarter Regierungssprecher, dass sich die Verhältnisse in Katalonien danach „normalisieren und stabilisieren könnten“. Doch es gibt ebenso Befürchtungen, dass die Lage dort noch lange verworren bleibt. Einer der „Vier Motoren“ dürfte also noch auf absehbare Zeit gewaltig stottern.