Partnervermittlung Wie man der großen Liebe auf die Sprünge hilft

Lernt man jemanden in der Bar kennen, hat man gleich einen Eindruck von seinem Wesen. Das sagt ein Mann, der nicht mehr tindert. Foto: Adobe Stock

Gut 17 Millionen Single-Haushalte gibt es in Deutschland, und es werden tendenziell mehr. Viele sehnen sich nach der großen Liebe, kommen aber alleine nicht weiter. Wir haben mit Menschen von der Filderebene gesprochen, denen das Thema nicht fremd ist.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Vielleicht sind wirklich aller guten Dinge drei. Dreimal hat sich Melanie, die in Wirklichkeit anders heißt, mit Wildfremden verabredet. Übers Internet ist sie an die Männer geraten, genauer gesagt über Tinder. Eine Partnerbörse, die auch gratis funktioniert, auf der sich unzählige Singles tummeln. Im Juli hat sich die 31-jährige Melanie, die aus Degerloch stammt und in Möhringen arbeitet, die App aufs Handy geholt und sich den Sommer über durch Männerprofile gewischt, oder geswipt, wie man auf Tinder sagt. Es ist simpel: Die App schickt einem fließbandartig Fotos und Eckdaten zu Person und Hobbys aufs Smartphone. Wer die Bilder nach links schiebt, wischt sie in den Mülleimer, nach rechts heißt: gefällt mir. Wischen sich beide nach rechts, ist es ein Treffer, auf Tinderisch: ein Match. Dann können sich die Turteltauben schreiben.

 

Der Verdacht hat sich beim Treffen bestätigt

Melanie hatte einige Treffer, aber echte Treffen waren es nur drei. Eigentlich vier, aber einer ist nicht aufgetaucht. Der erste Mann hat ihr zwar optisch gefallen, „aber er war ein Idiot“, sagt sie. Er hat sie sofort über ihren Ex ausgequetscht. „Ich will aber beim ersten Date nicht über meine Beziehungsgeschichte reden.“ Der Zweite war nicht ihr Typ. „Ich hatte schon von den Fotos her die Befürchtung, dass er eine Halbglatze hat, weil er immer einen Hut auf hatte.“ Genau so war es dann, aber er war nett. Also hat sie sich, rein freundschaftlich, noch mal mit ihm verabredet. Und dann der Dritte. „Der hat mir gleich gut gefallen“, sagt sie. Doch trotz des Starts im Internet fühlt sich Melanie zurzeit so, als hätte sie den Mann in der Kneipe kennengelernt: Sie weiß nicht, was Sache ist. Nach dem ersten Date hatte er sich abgeneigt gezeigt. Dann hat er sie Tage später doch wieder getroffen, beim dritten Mal waren sie bei ihm daheim, bei Pizza und Netflix auf der Couch. Näher gekommen sind sie sich noch nicht.

Die 31-Jährige ist schon eine Weile Single und wünscht sich einen Partner. Sie sucht die große Liebe, nicht den schnellen Sex. Warum hat sie sich dann bei Tinder angemeldet? Gilt die Dating-Plattform doch landläufig als eine, auf der man eher jemanden für ein unverbindliches Techtelmechtel findet als für eine gemeinsame Zukunft.

Wer tindert, ist meist zwischen 18 und 25 Jahre alt

Nach Angaben von Tinder – seit 2012 auf dem Markt – haben weltweit rund 50 Millionen Menschen die App auf den Handy. Zehn Millionen von ihnen sollen die App täglich öffnen. Jeden Tag gibt es angeblich 26 Millionen Matches. Die meisten Nutzer von Tinder sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Angefangen hatte alles als Plattform an amerikanischen Unis, um den Studenten das Kennenlernen zu erleichtern. Und heute? Im vergangenen Jahr lag der Umsatz der Match-Group, zu der Tinder gehört, bei umgerechnet 1,6 Millionen Euro. Generiert wird dieser durch Werbung, die sich zwischen die Fotos schiebt, sowie durch die Bezahl-Version. Wer sich nicht kostenlos hin- und her-swipt, hat mehr Optionen. Zum Beispiel, dass man bereits vorher sehen kann, ob der andere interessiert ist. Für Melanie kommt die Bezahl-Variante nicht infrage. „Das sehe ich nicht ein, so verzweifelt bin ich dann doch noch nicht.“ Sie kennt zwei Pärchen, die sich über Tinder kennen gelernt haben – und hat deshalb Hoffnung, dass es auch bei ihr klappt.

Wer bei Günther Mader vorstellig wird, hat die Hoffnung eher aufgegeben, auf herkömmliche Weise jemanden zu finden. Die Partnervermittlung aus Leinfelden-Echterdingen hat ältere Semester in der Kundenkartei. „Harmonie-50-Plus“ heißt die Agentur. Wer jenseits der 50 sei, habe wenige Chancen, auf natürlichem Wege seine bessere Hälfte aufzuspüren. „Die Frauen gehen zwar in die Oper und ins Theater“, sagt Mader. Aber in der Regel nicht allein, sondern im Schlepptau einer Freundin, da traue sich kein Mann ran.

Ein Mann der alten Schule

Während Mader erzählt, wie er andere glücklich macht, dudelt sein Handy ab und zu. „Ich bin für meine Kunden immer da“, sagt er und nimmt ab. Er selbst ist 64 Jahre alt und verheiratet. Bis er 50 war, hat er ein Fotolabor betrieben, dann kam ihm die Digitalisierung dazwischen. Also hat er sich beruflich neu orientiert – und die Partnervermittlung aufgemacht. Eine klassische, wie er immer wieder betont. Hat er keine Sorge, dass ihm die digitale Welt mit Tinder, Parship, Once und wie sie alle heißen erneut das Geschäft vermiest? Mader reagiert gelassen. Die Kunden, die ihn anheuern, vertrauen entweder per se nicht auf die Internet-Kuppler oder haben im Netz bereits leidvolle Erfahrungen gesammelt, sagt er. Die Jungen seien abenteuerlustiger, seine Klientel gesetzter, meist war man schon mal verheiratet, ist geschieden oder verwitwet und sucht nach dem, was man hatte.

Günther Mader ist ein Mann der alten Schule. Er redet gewählt, trägt ein Sakko und ein Goldkettchen am Handgelenk. Bevor er jemanden in seine Kartei aufnimmt, lernt er ihn oder sie persönlich kennen. Das Analoge ist sein Geschäftskonzept. Er macht dann grundsätzlich einen Hausbesuch. „Die können mir ja sonst alles erzählen“, sagt er. Er will wissen, mit wem er es zu tun hat. Nur so finde er den passenden Deckel für einen Topf. Er eine Ein-Zimmer-Wohnung und sie ein Chalet in der Schweiz, das gehe einfach schwer zusammen. Teils hat er schon im Gespräch eine Idee, wer gut passen könnte. „Ich habe ein gutes Gedächtnis“, sagt er. In seiner Agentur betreue er rund 100 Frauen und 100 Männer. „Es ist ein Kommen und ein Gehen“, sagt er. „Ich mache etwa 100 Paare im Jahr glücklich.“ Manche schicken ihm eine Karte aus dem Urlaub, andere laden ihn zur Hochzeit ein.

Die meisten Kunden leben rund um Stuttgart, er arbeitet aber auch für Singles in Spanien und in der Schweiz. Die Preise für seine Dienste variieren. Fürs Standardangebot nimmt er einen unteren bis mittleren vierstelligen Betrag. Dafür sucht er etwa ein Jahr nach dem passenden Partner und zahlt davon Auslagen – für Fahrten, aber auch, wenn er Zeitungsannoncen aufgibt, weil ihm das entsprechende Gegenstück in seiner Kartei fehlt.

Er unterstützt auch Singles in Spanien und in der Schweiz

In Deutschland gab es laut Statista im Jahr 2018 mehr als 17 Millionen Einpersonenhaushalte. Im Jahr 1991 waren es knapp zwölf Millionen gewesen – über die Jahre wurden es kontinuierlich mehr. Auch das Dating-Portal Parship ist für 2018 von 16,8 Millionen Singles in Deutschland ausgegangen. 82 Prozent von ihnen sehnten sich angeblich nach der großen Liebe, und 53 Prozent würden ihr Glück übers Internet versuchen. Es gibt Portale wie Parship und Elite Partner, aber auch Apps wie Tinder, momentan einer der erfolgreichsten Anbieter. Wobei die Zielgruppe in erster Linie aufs Flirten aus ist, nicht auf die langfristige Bindung.

Am Ende hat er sogar dafür bezahlt

Doch auch unter der Generation Tinder finden sich welche, die bei der ernsthaften Partnersuche offline nicht weitergekommen sind. Während Melanie ihrem Ziel näher gekommen ist, sucht Jakob noch. Der 39-Jährige aus Vaihingen heißt in Wahrheit anders, es ist ihm peinlich, dass er tindert, nein: getindert hat. Er hat die Dating-App wieder vom Handy geworfen. Ein Dreivierteljahr hat er von rechts nach links und von links nach rechts gewischt. Am Ende sogar dafür bezahlt. „Aus Neugier, um zu schauen, ob es besser klappt“, sagt er. Vor Kurzem war Schluss. „Es hat für mich keinen Sinn mehr gemacht“, sagt er. „Es ist, wie wenn du durch einen Katalog blätterst. Es ist einfach nicht echt.“ Er hat auch bei sich selbst bemerkt, dass er irgendwann nur aufs Optische gegangen ist. „Den Text liest man dann gar nicht mehr richtig durch“, es entscheiden Sekundenbruchteile, ob jemand weg- oder hergewischt wird.

Jakob hatte immer wieder Matches mit Frauen, das hat ihm gefallen. „Es ist wie eine Sucht“, sagt er. Doch die meisten haben beim Schreiben bald durchblicken lassen, dass sie vor allem körperliche Nähe suchen. „Auf die schnelle Nummer bin ich aber nicht aus“, sagt er. Eine Frau wollte er übrigens treffen, „aber sie hat sich nicht mehr gemeldet“. So ist sie eben auch, die unverbindliche Tinder-Welt. Jakob setzt jetzt lieber wieder auf Disco und Kneipe. „Wenn man da mit jemandem ins Gespräch kommt, hat man auch gleich einen Eindruck vom Charakter.“ Wenn es nur so einfach wäre...

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