Ein Computermodell prognostiziert, wie wählerisch Tiere beim Sex sein sollten. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Aufwand für die Aufzucht des Nachwuchses.

Stuttgart - Wer Frauen rumkriegen will, muss sich anstrengen. Dieses Prinzip scheinen die männlichen Pfauenspinnen in Australien perfekt verinnerlicht zu haben. Die winzigen Achtbeiner werben nicht nur mit ihrem in allen Farben schillernden Hinterleib um die Gunst ihrer Weibchen. Sie bringen auch eine eindrucksvolle Tanzshow aufs Parkett: Da wird gesprungen und hin und her stolziert. Was tut man nicht alles für Sex.

 

Das alles scheint ein gängiges Klischee zu bestätigen: Weibchen verhalten sich wie anspruchsvolle Diven, die sich ihre Partner sehr sorgfältig aussuchen. Männchen dagegen sind nicht so wählerisch, versuchen aber alles, um zum Zuge zu kommen. So hatten sich Biologen die Grundzüge der Partnerwahl im Tierreich tatsächlich lange vorgestellt. Inzwischen zeigen allerdings immer mehr Studien, dass die Realität viel komplizierter ist. Bei manchen Arten sind die Weibchen das wählerische Geschlecht, bei anderen die Männchen. Es gibt auch Fälle, in denen beide hohe Ansprüche stellen. Oder gar niemand.

Wovon aber hängt das ab? Alexandre Courtiol vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin ist sicher, dass der Lebensstil einer Art dabei eine wichtige Rolle spielt. „Eine hohe Anspruchshaltung kann sich einfach nicht jeder leisten“, erklärt der Forscher. Alexandre Courtiol und seine Kollegen haben ein Computermodell entwickelt, mit dem sich das Verhalten vorhersagen lässt.

Jede Gelegenheit zum Sex nutzen

Entscheidend ist demnach, welchen Anteil seiner Lebenszeit ein Tier in die Partnersuche investieren muss. Wer nicht besonders alt wird und dem anderen Geschlecht nur selten begegnet, sollte seine Ansprüche eher zurückschrauben. Das gilt zum Beispiel für viele Spinnenarten. „Da streifen die Männchen oft ewig durch die Gegend, ohne ein paarungsbereites Weibchen zu treffen“, sagt Courtiol. Also gilt es, jede Gelegenheit zum Sex zu nutzen.

Ein Hang zu beliebigem Sex ist auch unter Primaten weit verbreitet. Das könnte mit einem weiteren Faktor zusammenhängen, den die Forscher in ihren Computermodellen identifiziert haben. „Entscheidend ist nicht nur, wie häufig man die Gelegenheit zum Sex bekommt“, erklärt Alexandre Courtiol. „Sondern auch, wie lange man anschließend aus dem Spiel ist“. Bei Tieren, die sich intensiv um ihren Nachwuchs kümmern, dauert es oft Monate bis zur nächsten Paarung. Wer eine solche Auszeit nehmen muss, legt bei der Partnerwahl besonders strenge Kriterien an.

Da bei vielen Arten die Weibchen die Hauptlast der Jungenaufzucht tragen, sind sie häufig auch das wählerischere Geschlecht. Diesen Trend haben Biologen beispielsweise bei vielen Vögeln beobachtet. So entscheiden sich Pfauen-Weibchen so gut wie nie für den erstbesten Kandidaten. Seepferdchen dagegen haben die Geschlechterrollen getauscht, der Nachwuchs reift in der Bauchtasche des Vaters heran. Entsprechend gelten hier die Männchen als die wählerischere Fraktion.

Bei Königspinguinen und Menschen wird es kompliziert

Besonders kompliziert aber wird die Familiengründung, wenn beide Elternteile viel in ihren Nachwuchs investieren. Das ist zum Beispiel bei Königspinguinen der Fall. Oder eben beim Menschen. „In solchen Fällen legen beide Geschlechter hohe Maßstäbe an ihre Partner an“, sagt Alexandre Courtiol. Und das führt dazu, dass keineswegs jede Leidenschaft erwidert wird.

Bei den Doppelschnepfen etwa verweigern besonders beliebte Männchen mitunter den Sex. Denn auch der potenteste Schnepfen-Casanova kann nicht beliebig viel Sperma produzieren. Deshalb versucht er offenbar, die vorhandenen Ressourcen auf möglichst viele Weibchen zu verteilen.

Tiere scheinen ihre sexuellen Vorlieben also tatsächlich recht gut auf ihren Lebensstil abgestimmt zu haben. So manche Strategie, die sich über Jahrmillionen bewährt hat, könnte allerdings nicht mehr zeitgemäß sein. Schließlich hat der Mensch die Bestände vieler Arten massiv dezimiert. „Damit sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, einen Partner zu treffen“, so Courtiol.