Das Münchner Model Giulia Siegel feiert lieber am Neckar. Alkoholexzesse auf dem Wasen seien nicht so heftig wie auf der Wies’n. Unser Autor Uwe Bogen war auf dem Frühlingsfest unterwegs von Zelt zu Zelt, zwischen Star Wars und DJ Robins Malle.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Darth Vader ist der fieseste Fiesling des Universums – und ausgerechnet ein Superböser ist’s, den die Fans lieben. Schwarzer Umhang, ein Röcheln unterm Helm, rot leuchtet sein Lichtschwert – was nur ist auf dem Wasen los, dass der Megaschurke mit seinen ebenfalls maskierten, aber weiß gekleideten Kriegern in die Königsalm von Nina Renoldi einmarschiert?

 

Die Wirtin ist in Nöten. Hat sich wohl bis in ferne Galaxien rumgesprochen. Den Namen ihrer riesigen Wasenhütte aus dem Holz Tiroler Bauernhöfe muss die Schaustellerin der siebten Generation ändern, weil es in Kassel ein Unternehmen gibt, das sich die Königsalm als Marke eintragen ließ. Kassel ist weit weg von Bad Cannstatt. Die Verwechslungsgefahr ist gering. Doch das Amtsgericht hat anders entschieden. Nach dem Frühlingsfest muss ein neuer Name her.

Krieg der Sterne meets Lederhose

Während Stammgäste eifrig dabei sind, sich neue Namen auszudenken, rückt Darth Vader mit den Aliens an. Will die dunkle Seite der Macht mit Lichtschwertern alles klar machen? Pech für die Königsalmdudler aus Kassel?

Darth-Vader-Alm – das wär’s doch! Krieg der Sterne meets Lederhose. Beim Rundgang am Donnerstagabend auf dem Stuttgarter Frühlingsfest liegt’s nicht immer nur am Bier, also am Genuss von viel zu viel Bier, wenn man Gestalten sieht, die in Bad Cannstatt sonst eher selten rumspringen.

Die Garnison 501 ist eine Gruppe, die mit Originalkostümen (die sind zwischen 3000 und 5000 Euro teuer) aus „Star Wars“ auftritt. Der Degerlocher Bauunternehmer Florian Gauder, der beruflich Häuser, privat bei den Partyspielagenten aber lieber Blödsinn baut, hat sie gebucht, um seinem Fest „Wasengaudi“ in der Königsalm ein Highlight zu bescheren – und Motive für endlose Selfies.

Aus München ist Model Giulia Siegel mit ihrem Freund, dem Koch Ludwig Heer, und Angermaier-Chef Axel Munz angereist und teilt via Insta mit, der Wasen sei viel geiler als die Wies’n. „In Stuttgart sind nicht so viele Touristen“, sagt sie, „das Feiern ist viel angenehmer, wenn die Leute besoffen sind, werden sie nicht so ausfällig wie in München.“

Die Wies’n gilt im Herbst dank der Besucherzahlen seit immer und ewig als Nummer eins. Im Frühling aber ist der Wasen ganz klar vorn. Selbst Dirndl-Patron Axel Munz macht sich lustig übers Münchner Frühlingsfest.

Einst sang Nico Schwanz bei den Fischer-Chören

Ihre Begeisterung für Stuttgart teilt sie mit Reality-TV-Sternchen Nico Schwanz. Der 45-Jährige hat eine besondere Beziehung zu Schwaben. Nach dem Mauerfall landete er mit den Eltern in Esslingen und sang als Schüler bei den Fischer-Chören. An die Worte des 2020 verstorbenen Dirigenten erinnert er sich. „Du bist ein netter Junge“, habe Gotthilf Fischer gesagt, „auch mit eigenartigem Nachnamen.“ Seit Generationen heißt die Familie Schwanz. „Ist besser“,findet er, „als würde ich Nico Pimmel heißen.“

Wer sich auf dem Wasen von Zelt zu Zelt zappt, springt von „Hulapalu“ zu „Johnny Depp-Depp-Depp“ – und „Layla“ ist immer schon da. Dazwischen sieht man vor allem Schokofrüchte. So süß war das Frühlingsfest wohl noch nie. Am Donnerstagabend ist’s beim Wasenwirt voller als bei allen anderen. Gefühlt herrschen 89 Grad, sagt „Layla“-Interpret DJ Robin. Bei ihm steht das gesamte Publikum – Mädels im Dirndl und weißen Sneakern – auf den Bänken, um auch den neuen Song des Malle-DJs alias Robin Leutner zu feiern und mitzusingen. „Bumsbar“ ist der neue Ohrwurm beim Wasenwirt – eine Polonaise zieht dazu durchs Zelt.

Im nagelneuen Video sieht man tanzende Nonnen und einen Priester, der Kondome verteilt. Das Lied, erklären die Macher, sei ein Appell gegen das Zölibat. Wird es im Festzelt gesungen, ist der zeitkritische Hintergrund fern. Beim Biertrinken kommt’s halt nicht auf hohe Ansprüche an. Wer den Trieben folgt, hat die beste Chance zum Erfolg. Das ist wohl die Realität: Wenn ein „Dschungelcamp“ die besten Quoten macht, kann auch dieser Song zum Hit von 2023 werden. Klimawandel? Krieg? Energiekrise? Sind „geile Mädels, geile Jungs“ am Ende gar bereit, die Welt zu retten?

Wie unterschiedlich sind die Bierpreise in den Festzelten?

Früher galt Hans-Peter Grandl als „Platzhirsch“. Bei den jungen Leuten hat der Wasenwirt ihm nun den Rang abgelaufen. „Jeden Abend ist dort am meisten los“, heißt es bei der Polizei, die das beobachtet. Kleiner Bierpreis-Vergleich: Beim Wasenwirt kostet die Maß 12,60 Uhr, bei Grandl 13,20 Euro, bei Göckelesmaier 13,10 Euro, in der Königsalm gibt es nur Halb-Liter-Krüge für 6,60 Euro oder das Zehn-Liter-Fass für 125 Euro.

Zur späten Stunde füllen sich auch noch die Zelte von Grandl (der Name bleibt, auch wenn der neue Wirt Marcel Benz eingestiegen ist) und vom Göckelesmaier. Auch dort stehen die Gäste nun auf den Bänken – bei Weitem aber nicht alle wie beim Wasenwirt.

Das Frühlingsfest fühlt sich an wie das Volksfest. Die „kleine Schwester“ des Neckarstrands hat auch mit weniger Bierzelten mächtig aufgeholt. Im Lenz wird mittlerweile ebenso volle Pulle gefeiert wie bisher nur im Herbst. Man will es kaum glauben, aber es ist so: Die Stimmung bei DJ Robin ist noch wilder, noch ausgelassener – noch mehr tanzen sich in Ekstase – als bei Helene Fischer ein paar Meter weiter in der Schleyerhalle.