Der Flughafen Stuttgart legt in diesem Jahr bei der Passagierzahl um rund drei Prozent zu. Die Chefs sorgen sich aber um die politische Großwetterlage und deren Folgen.

Stuttgart - Im ersten Halbjahr 2016 sind auf dem Flughafen schon 4 822 057 Reisende gestartet oder gelandet – und die verkehrsstarken Sommermonate mit den vielen Urlaubsreisen kommen erst noch. Daher rechnen die Chefs der Flughafen-GmbH bis Jahresende mit rund 10,8 Millionen Fluggästen – ein Plus von drei Prozent, mit dem man auch das Rekordjahr 2015 übertreffen und das Wiederstarken des Flughafens nach den Jahren der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise festigen würde.

 

Nach gutem Start ins Jahr liege man zur Halbzeit bei einem Verkehrswachstum von 3,2 Prozent, berichteten am Donnerstag die Flughafendirektoren Georg Fundel und Walter Schoefer. In absoluten Zahlen mache dieses Plus zusätzliche 150 000 Passagiere binnen sechs Monaten aus. Und genau um 3,2 Prozent sei auch die Zahl der Starts und Landungen auf insgesamt 48 928 angewachsen, nachdem sie in den Jahresbilanzen bis 2014 meist zurückgegangen war, weil die Fluggesellschaften tendenziell größere Flugzeuge einsetzten. Freilich müsse man darauf gefasst sein, meinen Fundel und Schoefer, dass die Ereignisse in der Türkei wie der Terroranschlag auf den Flughafen Atatürk in Istanbul und das Votum der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union noch Folgen haben werden.

Kaum Reisen nach Nordafrika – dafür boomen Ziele wie Spanien und Griechenland

Die Urlaubsreisen in die von Terrortaten überschatten Länder Nordafrikas, besonders Ägypten, und in die Türkei haben schon deutlich abgenommen, während die Urlaubsziele Spanien und Griechenland eine starke Nachfragesteigerung verzeichneten. Letzteres gelte auch für Flugziele wie Venedig, Edinburgh und Porto, die von der Günstigfluggesellschaft Easyjet angeflogen würden.

Die Entwicklung im Türkei-Geschäft, das für etwa ein Drittel der Fluggäste am Flughafen Stuttgart sorgt, verläuft aber zwiespältig. Beim Reiseziel Antalya in der südöstlichen Türkei gab es mit einem Minus von 30 Prozent einen regelrechten Absturz, im Fall von Istanbul noch einen Zuwachs von fünf Prozent. Allerdings ereignete sich der Anschlag in Istanbul auch erst kurz vor Ende des ersten Halbjahrs. Mögliche Folgen traten kaum zu Tage.

Wer nicht durch die Politik von Staatschef Erdogan oder Sicherheitsüberlegungen von einer Türkei-Reise abgehalten werde, bekomme in den Hotelanlagen zurzeit besten Service, stellte Fundel selbst fest. Noch hätten die Reiseveranstalter erst wenige Flugzeuge umdirigiert, nach wie vor gingen zahlreiche Maschinen in Richtung Türkei – „manche teilweise leer“.

Trotz Brexit läuft der Betrieb „rund“

Wie sich der Brexit auswirken könnte, vermag Fundel noch nicht abzuschätzen. Klar sei, dass es bei der Fluggesellschaft Easyjet, die Stuttgart anfliegt, wegen ihres Sitzes in London eine Betroffenheit gebe. Daher rechnet Fundel damit, dass Easyjet den Hauptsitz in das EU-Gebiet, etwa nach Irland, verlegt oder dort einen Zweitsitz schafft. Wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und Großbritannien wird wohl auch die Nachfrage nach Flügen betroffen sein. Der Effekt werde aber wohl dadurch gedämpft, dass rund 50 Prozent der England-Reisenden touristisch unterwegs seien, bei den Schottland-Reisenden sogar eher 80 Prozent. Durch den Kursverlust des Pfundes werde der Aufenthalt für Touristen günstiger.

Die Ungewissheiten bezüglich des zweiten Halbjahres sind aber noch größer, denn mit der Lufthansa-Gruppe und Air Berlin sind wichtige Partner in einer „unternehmerischen Umstrukturierung“. Zusammen stünden sie für etwa 50 Prozent Marktanteil in Stuttgart. „Unsere Prognose und unser Ziel von 10,8 Millionen Fluggästen im Jahr ist daher ehrgeizig“, räumte Fundel ein, „aber nicht unmöglich.“ Noch laufe es im Betrieb am Flughafen Stuttgart „rund“.

Gäubahn-Anbindung soll rund 300 000 zusätzliche Fluggäste pro Jahr bringen

Das würden sich die Flughafenchefs auch vom Bahnprojekt Stuttgart 21 erhoffen, bei dem es neue Befürchtungen über Terminverzögerungen und Baukostenüberschreitungen gibt. Wenn die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm am Ende nicht 2021 in Betrieb gehen sollte, weil Verzögerungen beim Hauptbahnhofbau nicht mehr wett gemacht werden könnten, dann müssten die Strecke und die Gäubahn-Anbindung des Flughafens zeitgleich in Betrieb gehen, sagte Schoefer. Die Gäubahn-Anbindung hätte nach bisherigen Schätzungen eine Verzögerung von etwa anderthalb Jahren gehabt, weil am neuen Flughafenhalt im S-Bahnhof ein zusätzliches Gleis eingeplant wird. Die anderthalb Jahre dürften aber nicht einfach auf einen verspäteten Termin für die Inbetriebnahme von Hauptbahnhof und Fernzugstrecke draufgeschlagen werden, sagte Schoefer. Durch die Gäubahn-Anbindung erwarte man sich rund 300 000 zusätzliche Fluggäste pro Jahr, von der ICE-Strecke rund 700 000. Darum wäre man froh, wenn diese doch noch 2021 in Betrieb gehen könnte.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.nach-istanbuler-anschlag-keine-sicherheitszone-vorm-flughafen.ae30430b-62d6-4dbd-b23b-70dd52f75c36.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-istanbuler-anschlag-keine-sicherheitszone-vorm-flughafen.126b0bdc-af7f-42f6-8f53-070cca559c0f.html