Die sizilianische Familie Gelsomino betreibt seit 100 Jahren ihre Pasticceria – ein Feinkostgeschäft für italienische Dolci. Inzwischen haben sie ihre Produktionsstätte mit kleinem Café im Stuttgarter Westen an der Rotenwaldstraße 152.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-West - In dem kleinen Büro hängt sein ganzes Leben. Das winzige Zimmerchen ist zugeklebt mit Urkunden, Zertifikaten, in die letzten freien Ecken hat Antonio Gelsomino (66) Zeitungsartikel gehängt. Irgendwo auf der Welt war er immer mit seinen Törtchen. In Moskau bei Gorbatschow, sagt er und zeigt auf ein Dokument in italienischer Sprache. In Miami habe er gebacken und zeigt auf ein anderes Dokument. Daneben hängen Artikel aus New York, aus dem Corriere della Sera und anderen großen, italienischen Zeitungen. „Die goldene Gabel“ habe er mal bekommen, sagt Antonio. Die 1980er das seien seine Reisejahre gewesen, erzählt sein Sohn Giacomo. 1994 kam Antonio mit der Familie nach Deutschland – er spricht immer noch am liebsten italienisch, weshalb sein Sohn öfters übersetzt.

 

Im Stuttgarter Westen an der Rotenwaldstraße 152 haben sie trotz der verführerischen Auslage mit Profiteroles, Tiramisu-Gläschen, feinem Mandelgebäck und unzähligen weiteren italienischen Süßigkeiten hauptsächlich ihre Produktionsstätte. Von dort beliefern sie die halbe Stadt. Großveranstaltungen, das Porsche-Museum, ein Kaffeehaus in Stuttgart-Ost oder das Hotel am Schlossgarten, der Autogrill am Flughafen – sie alle seien schon auf seiner Lieferliste gestanden, sagt Giacomo Gelsomino und zeigt auf die unzähligen Notizzettel, die an der Wand neben seinem Büro hängen.

Pasticceria – das heißt übersetzt Gebäck und Torten. Darin sind die Gelsominos außergewöhnlich gut. Die Vitrine im Eingang zieren auch Hochzeitstorten oder Kindertorten aus süßem Zuckerguss. „Alles handgemacht“, sagt Giacomo. Selbst die Röschen auf den Hochzeitstorten mache man von Hand selbst. „Die Farbe können sich die Kunden aussuchen. Keine Fabrikware“, betont er beflissen. „Hat niemand sonst.“ Davon ist er überzeugt. Über 50 verschiedene Mini-Gebäcksorten habe man.

Der Produktionsstandort mit kleinem Stehcafé liegt etwas versteckt in dem Industriegebiet am Westbahnhof. Laufkundschaft gibt es dort keine. Wer dort hinkommt, der hat schon von den Törtchen gehört. Giacomo würde deshalb gerne irgendwann näher in die Innenstadt ziehen, vielleicht ein richtiges Café eröffnen.

Er ist ist in Italien geboren, hat dort auf der Konditoreifachschule gelernt, dann natürlich im Familienbetrieb, den er in vierter Generation führt. Täglich steht er selbst hinten in der Backstube. Ausführlich erklärt der schlaksige 37-Jährige mit Brille und der weißen Bäckermütze auf dem Kopf, wo alle Zutaten herkommen. Natürlich gebe es längst Pistazien und Mandeln aus Griechenland oder Spanien. Aber: „Sizilianische schmecken besser.“ Basta. Das sei wie mit dem Olivenöl. Das gebe es längst auch von überallher, aber nur die Italiener machen das Beste.

Inzwischen setzen die Gelsominos nicht mehr nur auf italienisches Gebäck. „Wenn jemand mag, machen wir auch Schwarzwälderkirschtorte“, sagt Giacomo. Die Küche sei ja überall längst multikulturell. „Die Deutschen essen Spaghetti und wir in Italien Schnitzel.“ Trotzdem habe man noch dieselben Produkte im Angebot wie vor 100 Jahren als Urgroßvater Mario in dem kleinen Örtchen Caltagirone auf Sizilien das Familienunternehmen gegründet hatte.

Antonio Gelsomino wagte als erster den Schritt ins Ausland. 1994 kam er in Stuttgart-Möhringen an und eröffnete dort ein Café. Warum Deutschland? Man habe eine kleine Fabrik in Italien gehabt. Die kleinen Süßigkeiten habe man in viele Länder geliefert. Auch nach Deutschland. „Die Leute waren sehr begeistert“, sagt Giacomo. Stuttgart sei aber kein Zufall gewesen, man habe schon Freunde in der Stadt gehabt. Vor etwa 25 Jahren habe es niemand gegeben, der so etwas in Deutschland verkauft habe, sagt der 37-Jährige, der auch zum Verband italienischer Unternehmer Baden-Württemberg gehört.

Giacomo Gelsomino hat das Geschäft in 2005 mit seinem Bruder Francesco zusammen übernommen. Aber natürlich hilft die ganze Familie weiterhin mit.

Auf dem Computer zeigt der 37-Jährige ein Familienfoto: Alle Gelsomino-Männer haben eine weiße Kochmütze auf. In der Mitte sitzt sein kleiner, dreijähriger Sohn Antonio, auch mit Mütze. „Das ist die fünfte Generation“, sagt Giacomo und lacht. Natürlich hätte er gerne, dass sein Kind später mal das Familienunternehmen weiterführt, die Tradition fortsetzt. „Aber schauen wir mal.“ Vielleicht dann schon im Café in der Innenstadt. Das schließt Giacomo nicht aus. Weil: „Ich bin ein Stuttgarter.“