In einem milliardenschweren Prozess vor dem Landgericht Mannheim ringen Apple und ein deutscher Patentverwerter um jedes Bit. In der Verhandlung geht es um die Auslegung eines Patents, das den Zugriff aufs Mobilfunknetz steuert und Notdiensten eine Überholspur sichert.

In einem milliardenschweren Prozess vor dem Landgericht Mannheim ringen Apple und ein deutscher Patentverwerter um jedes Bit. In der Verhandlung geht es um die Auslegung eines Patents, das den Zugriff aufs Mobilfunknetz steuert und Notdiensten eine Überholspur sichert.

 

Mannheim - Das Landgericht Mannheim wird Ende Februar entscheiden, ob die Handy-Hersteller Apple und HTC ein zentrales Mobilfunkpatent verletzt haben und deswegen Schadenersatz in Milliardenhöhe zahlen müssen. Nach einer vierstündigen Verhandlung zu einer Klage des Patentverwerters IPCom gegen Apple sagte der Vorsitzende Richter Holger Kircher, das Urteil werde am 28. Februar verkündet und damit am gleichen Tag wie die Entscheidung einer anderen Kammer des Landgerichts im Verfahren gegen HTC.

In zwei Verfahren gegen Apple verlangt IPCom die Feststellung einer Patentverletzung sowie Schadenersatz von 1,57 Milliarden Euro. Gegen HTC geht es zunächst nur um die Feststellung einer Patentverletzung. Wenn das Gericht der Klage entspreche, werde IPCom auch gegenüber diesem Hersteller Ansprüche geltend machen, sagte Geschäftsführer Bernhard Frohwitter der Nachrichtenagentur dpa.

Apple beantragte in der Verhandlung, die Klage abzuweisen. Apple-Anwalt Frank-Erich Hufnagel warf IPCom vor, die Forderung nach Schadenersatz mit einem „Taschenspielertrick“ durchsetzen zu wollen. Für die Firma IPCom, die das Patent zusammen mit hunderten anderen 2007 von Bosch erworben hatte, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Kellenter, Apple habe sich einer klaren Verletzung des Patents schuldig gemacht.

Der Vorsitzende Richter Holger Kircher warf beiden Parteien vor, sie deuteten frühere Urteile und Beschlüsse zu dem umstrittenen Patent nach ihren jeweiligen Interessen: „Jeder interpretiert ein Stück hinzu oder weg.“ Dies sei sehr unbefriedigend. Anstatt auf rechtskräftige Entscheidungen in anderen dazu anhängigen Verfahren zu warten, sei er aber der Meinung: „Die Sache ist spruchreif, wir können zu einem Ergebnis kommen.“

Das Patent schützt eine ursprünglich von Bosch entwickelte technische Lösung, die den Zugang zu Mobilfunknetzen steuert und Rettungskräften oder der Polizei bei Netzüberlastung eine Überholspur einräumt. Zu diesem Schutzrecht mit der Bosch-Bezeichnung #100A (EP 1 841 268) gab es kürzlich ein Einspruchsverfahren: Das Europäische Patentamt (EPA) in München bestätigte im Januar die Gültigkeit des Patents und wies Einsprüche von Nokia, HTC, Vodafone, Ericsson und Apple ab.

Investitionen von Bosch im Wert von vier Milliarden Dollar

Bei dem Beschluss des Europäischen Patentamts, sagte Richter Kircher zu Beginn der Verhandlung, handele es sich allerdings „nicht um lediglich sprachliche und deklaratorische Erweiterungen, sondern um Klarstellungen mit einer inhaltlichen und substanziellen Einschränkung des Klagepatents“. Er müsse daher der Klägerin „etwas Wasser in den Wein gießen“, sagte der Richter. Die Seiten traten dann in eine technisch detaillierte Diskussion über die Frage ein, ob das Patent für die Zugangssteuerung im Mobilfunknetz lediglich ein einziges Bit vorsehe oder ob der Datenumfang dafür unterschiedlich gestaltet werden könne.

Frohwitter begründete den Anspruch auf Schadenersatz mit Investitionen von Bosch im Wert von vier Milliarden Dollar. Die Handy-Hersteller nutzten diese technische Erfindung für den Mobilfunk aber kostenfrei. „Da muss ein Ausgleich her“, sagte der IPCom-Geschäftsführer. Die Verhandlung in Mannheim verfolgte auch eine ranghohe Justitiarin von Apple, Noreen Krall.

Die von IPCom geforderte Schadenersatzsumme ist beispiellos in den jahrelangen Patentstreitereien in der Mobilfunk-Industrie. Den bisher höchsten Schadenersatz bekam Apple 2012 im kalifornischen Prozess gegen Samsung zugesprochen, nach einer Reduzierung sind es noch über 920 Millionen Dollar (rund 675 Mio Euro). Das Verfahren geht aber noch durch die Instanzen.

IPCom wirft auch schon seit Jahren eine Verletzung des Patents dem einstigen Handy-Weltmarktführer Nokia vor. Die Finnen erklären, sie umgingen das patentierter Verfahren mit einer eigenen Lösung. IPCom bestreitet, dass dies möglich sei, da die Technologie zum Grundstock von Mobilfunk-Standards gehöre.