In keinem anderen Bundesland ist der Anteil von Frauen an der Zahl der Patente so niedrig wie in Baden-Württemberg. Auch insgesamt hinkt Deutschland im europäischen Vergleich hinterher.

 

Es gibt Sätze, die man nicht gendern darf, weil sonst Wahrheiten verloren gehen. Deutschland ist eine Erfindernation, ist ein Beispiel dafür, und zwar ein bedauerliches. Erfinderinnen mangeln nämlich speziell in der Bundesrepublik, das zeigt eine Studie des Europäischen Patentamts (Epa) in München. Schon der Europadurchschnitt wirft Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit auf. Von zwischen 1978 und 2019 beim Epa eingereichten Patentanmeldungen stammen nur 13,2 Prozent von Frauen. Deutschland steht mit 10,0 Prozent mit am schlechtesten da. Lediglich in Liechtenstein und Österreich gehen von 34 untersuchten Nationen noch weniger Anmeldungen auf Frauen zurück. „Unsere Studie kann die Diskrepanzen nicht ganz erklären“, räumt Epa-Ökonom Ilja Rudyk ein.

Viele Patente in Männerdomänen

In Deutschland würden viele Patente in Bereichen angemeldet, die typische Männerdomänen sind wie Maschinen- oder Automobilbau. Das dämpfe den Frauenanteil. „Aber jeder dritte Promovierte in den Mint-Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist hierzulande weiblich“, berichtet der Epa-Experte. Das liege weit über der Erfinderinnenquote in der Bundesrepublik.

Um ein Mehrfaches besser sieht das zum Beispiel in Lettland aus, wo gut 30 Prozent aller von dort stammenden Patentanmeldungen von Frauen stammen. In Portugal, Kroatien oder Spanien sind es rund ein Viertel. In solchen Regionen bewegt sich der Erfinderinnenanteil auch in China oder Südkorea, haben dortige Studien ergeben. Mit 15 Prozent liegen zudem die USA über dem Durchschnitt in Europa.

In Baden-Württemberg nur 7,5 Prozent der Patente von Frauen

Antonio Campinos hält schon die europäische Quote für bedenklich. „Die Studie wirft ein neues Licht auf den Beitrag von Frauen zu technologischen Innovationen und auf die Lücken, die geschlossen werden müssen“, findet der Epa-Chef. Es gelte, das volle Potenzial von Erfinderinnen auszuschöpfen, weil Innovationen ein Schlüsselfaktor für Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit seien. In Deutschland sähe es für Erfinderinnen noch düsterer aus, gäbe es nicht Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg. Dort liegt der Erfinderinnenanteil über 16 Prozent. Berlin folgt mit gut 13 Prozent und liegt damit zumindest noch im Europaschnitt. Am Ende rangieren dagegen Bayern mit acht Prozent Frauenanteil und Baden-Württemberg mit 7,5 Prozent, die als besonders erfindungsintensive Länder gelten. Auffällig niedrig ist der deutsche Erfinderinnenanteil auch auf Ebene von Firmen mit 8,4 Prozent im Vergleich zu öffentlichen Forschungseinrichtungen und Universitäten mit 13,7 Prozent.

Erfolge in Trippelschritten

Rudyk will diese Details nicht weiter kommentieren und über männlichen Chauvinismus in der Erfinderszene spekulieren oder den Umstand, dass Frauen meistens in von Männern geführten Teams forschen und sich die möglicherweise am Ende mit den Erfindungen ihrer Kolleginnen schmücken.

Historische Forscherbeispiele dafür gäbe es. Eines der bekanntesten ist das der österreichischen Kernphysikerin Lise Meitner, die zusammen mit dem Chemiker Otto Hahn die Kernspaltung entdeckt hat. Der Nobelpreis 1946 dafür blieb Hahn vorbehalten. Über die Zeit hat es dabei schon Fortschritte gegeben, wenn auch in Trippelschritten. Ende der 70er Jahre stammten nur zwei Prozent aller Patentanmeldungen beim Epa von Frauen. „Es gibt kontinuierliche Verbesserungen in den letzten drei Jahrzehnten, aber keine beschleunigten in den letzten Jahren“, sagt Rudyk. Dabei hätten Frauen wie die Ungarin und Biontech-Forscherin Katalin Kaliko, deren Erfindungen Grundlage unter anderem für Covid-Impfstoffe war, in letzter Zeit bahnbrechende Erfindungen gemacht. Das gilt auch für die Forschungen der polnischen Softwareingenieurin Marta Karczewicz, die sozusagen Streaming und Netflix ermöglicht hätten.

„Solche Frauen als Rollenmodell zu präsentieren, könnte andere Forscherinnen zum Erfinden motivieren“, erklärt Rudyk.